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Die St.-Stephanskirche in Wilhelmshaven-Fedderwarden — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 1: Hameln: C.W. Niemeyer, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.57438#0033
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Erstaunlich ist, daß der Steinverband in den meisten Kirchen offenbar von vornherein
mit malerischen Mitteln imitiert wurde, wobei vorwiegend streng geometrische
Ornamente, zum Teil in einer an Kratzputz erinnernden Ritztechnik, appliziert wur-
den. Innerhalb dieser übrigens sehr traditionsgebundenen Ausmalungssysteme blie-
ben die romanischen Gestaltungselemente bis in das 14. Jahrhundert allgemein
verbindlich.
Die rot ausgemalten Kirchenräume konzentrierten sich auf die Provinz Groningen
und das westliche Ostfriesland, also auf das ehemalige Bistum Münster. In den an-
grenzenden Provinzen Friesland und Drenthe blieben dagegen die weißgrundigen In-
nenräume, über deren originale Dekorationssysteme allerdings wenig bekannt ist,
weiterhin in Übung.
Auf welchen Wegen das rote Kircheninterieur um 1250 nach Groningen und Ostfries-
land gelangte, ließ sich bislang nicht mit Sicherheit ermitteln. Rotgrundige Kirchen-
räume waren unter anderem bei Mönchsorden - so den Zisterziensern - gebräuchlich
und sollten nach damaliger, die Steinsichtigkeit negierender Auffassung wohl nicht
nur eine Veredlung des Werkstoffs bewirken, sondern sind wahrscheinlich mit der
Marienminne in Verbindung zu bringen78). Zudem wurde der roten Farbe eine liturgi-
sche Bedeutung beigemessen, da sie nach Innozenz II. die Passion Christi, das Pfingst-
feuer und das Blutopfer der Märtyrer symbolisiert, was an den entsprechenden Festta-
gen auch an den rotgefärbten Gewändern ihren sichtbaren Niederschlag fand.
Rotgefaßt mit korrigiert schmaler weißer Fuge präsentiert sich in einer ersten Fassung
die evangelisch-reformierte Kirche in Krummhörn-Pilsum (Aurich). Die kleine Zi-
80 sterzienserinnen-Klosterkirche in Berge-Börstel (Osnabrück)79), die in ihrer Back-
steinarchitektur und den Gewölbeformen stark an die Gotteshäuser Ostfrieslands und
des Groningerlandes erinnert, besaß als einziger Backsteinbau in einer bedeutenden
Werk- und Bruchsteinlandschaft ebenfalls Innenwände, die stellenweise eine rote La-
sur mit imitierten Fugen trugen, während die Gewölbe weiß verputzt waren und die
aus Ziegelformsteinen bestehenden Architekturgliederungen nach dem Putzauftrag
mit Fugenmalerei bereichert wurden. Allerdings hält es Meischke nicht für wahr-
scheinlich, daß die roten Kirchenausmalungen durch die Zisterzienser oder einen an-
deren Orden nach Ostfriesland und ins Groningerland übertragen worden sind, da ge-
rade im Verbreitungsgebiet der rotgrundigen Kirchenausmalungen bedeutende Klö-
ster fehlen.
Er vermutet daher, daß die rote Innenfarbigkeit, bedingt durch den vorbildhaften Ein-
fluß der Marienhafener St. Marienkirche (Aurich), zunächst in Ostfriesland verbreitet
war und von dort ins Groningerland übertragen wurde. Teile des Innenmauerwerks
am Marienhafener Bau (um 1250) tragen nämlich dünne rote Lasuren und lassen ein
ursprünglich rot gefaßtes Langhaus als wahrscheinlich erscheinen, was bei diesem aus-
gesprochenen Monumentalbau von einer imperialen Gesinnung zeugen könnte, zu-
mal die deutschen Kaiserdome um 1200 ein rotes Farbkleid trugen80). So läßt sich nicht
mehr entscheiden, welches der beiden Dekorationssysteme - das imperiale oder das
religiös motivierte - ausgehend von Marienhafe in Ostfriesland und im Groninger-
land Anwendung fand.
Auffallend ist, daß in Ostfriesland dieser rotgrundige Ornamentdekor an einigen Do-
mikalgewölben in besonders reicher Ausgestaltung anzutreffen ist, woraus Meischke
folgert, daß ,,de rode decoratieweijze von Groningen uit Ostfriesland afkomstig“ ist.
Ein besonders variantenreicher Formenschatz an Werkstoffimitationen und Fugen-
malereien, vorwiegend aus abstrakten geometrischen Mustern, die zum Teil wohl aus
Zirkelschlägen gewonnen wurden, ist in den Gewölbefeldern sowie an den Rippen,
76-79 Schild- und Gurtbögen der leider 1942 unzureichend restaurierten Kirche in Krumrn-
81, 82 hörn-Campen (Aurich) anzutreffen, dem däs ähnlich strukturierte ornamentale Aus-
malungsprogramm von Weener-Stapelmoor (Leer) als gleichwertig zur Seite gestellt
werden kann.
Bleiben wir in Ostfriesland. Dort lassen sich andere, bereits im architekturgeschicht-
lichen Zusammenhang mit der Fedderwarder St. Stephanskirche erwähnte Innen-

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