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Die St.-Stephanskirche in Wilhelmshaven-Fedderwarden — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 1: Hameln: C.W. Niemeyer, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.57438#0047
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Darstellungsfolge des Ausmalungsprogramms indes als wenig wahrscheinlich erschei-
nen.
Die Szenenfolge im Ostjoch
Mahnend und verheißungsvoll zugleich klingt der inhaltsreiche Christuszyklus mit
57-63 einer vielfigurigen Darstellung des Weltgerichts aus. Auf die vier Gewölbefelder des
166 östlichen Kreuzrippengewölbes verteilt, rief es die Gläubigen, von denen die meisten
weder schreiben noch lesen konnten, in prägnanten, leicht faßlichen Szenen die letzten
Dinge mit großer Anschaulichkeit in Erinnerung: im westlichen Gewölbefeld die
„Auferstehung der Leiber“, rechts den „Höllensturz der Verdammten“, links den
„Einzug der Seligen ins Paradies“ und schließlich auf der östlichen Gewölbekappe —
allerdings nicht mehr erhalten und im Sinne der mittelalterlichen Bildtradition zu er-
gänzen - den thronenden Christus als Weltenrichter.
58, 59 Als Gegenbild zur Maiestas Domini ist der Auferweckungsszene ein ganzes Gewölbe-
feld gewidmet. Sie nimmt damit innerhalb des szenischen Gesamtzusammenhangs
eine Schlüsselstellung ein. Aufgrund der zentralen Bedeutung, die dieser Szene offen-
bar von ihren unbekannten Schöpfern beigemessen wurde, sollte der Betrachter ei-
gentlich eine lebensvolle und ausführliche Schilderung des Geschehens erwarten, wie
sie vornehmlich die französische Portalplastik des 12. und 13. Jahrhunderts mit ihren
vielgestaltigen Weltgerichtsdarstellungen auszeichnet, wo die unterschiedlichen Ver-
haltensweisen der eindeutig als Verdammte oder Erlöste charakterisierten Auferweck-
ten, häufig verbunden mit dem Motiv der Seelenwägung und nicht selten mit drasti-
49, 150 sehen oder grotesken Handlungselementen bereichert, sinnfällig zum Ausdruck ge-
152 bracht werden177).
Ganz anders die Szene in der Fedderwarder St. Stephanskirche mit ihrer Beschränkung
auf wenige, in gemessener Zurückhaltung agierende Handlungsträger. Hier wird der
Vorgang eher stilisiert als beschrieben - ein Kompositionsprinzip, das übrigens dem
gesamten Ausmalungszyklus seine charakteristische Prägung verleiht. Das Geschehen
wird mit einfachen kompositorischen Mitteln wiedergegeben: Die Auferstehenden,
von zwei flankierenden Posaunenengeln zum Gericht gerufen und der Zeitsitte ent-
sprechend in Totengewänder gehüllt, schlagen die kostbaren Leichentücher zurück
und heben den Deckel ihres Grabes, einige bittend die Arme erhoben. Bemerkenswert
ist ferner, daß die Fedderwarder Auferstehungsszene nicht durch eine Scheidung der
Auserwählten von den Verdammten bereichert ist, ein Motiv, das sonst in Weltge-
richtsdarstellungen selten fehlt und meist eine besonders ausdrucksvolle Schilderung
erfuhr. So zum Beispiel in der französischen Tympanonplastik durch schwerttragende
Engel oder im Ausmalungszyklus der Kirche zu Toitenwinkel bei Rostock
132, 133 (um 1380)178) durch Erweckungsengel bzw. Teufelsgestalten, welche die Verdammten
aus den Gräbern zerren.
In der Monumentalmalerei lassen sich vergleichbare Auferstehungsbilder eigentlich
134, 153 nur in Westfalen (in Brechten/Dortmund179) und Mark/Unna180) ) finden, wo ihre
streifenartige Anordnung in den Gewölbezwickeln allerdings eine stark verkürzte
Formulierung bedingte, sowie in den Ausmalungsprogrammen mecklenburgischer
Kirchen (u.a. Toitenwinkel bei Rostock)181).
60, 61 Im „Höllensturz der Verdammten“ erfährt die Schilderung des Geschehens allerdings
eine dramatische Steigerung. Die Hölle ist in Gestalt eines im Profil gesehenen Wolfs-
rachens wiedergegeben, der unten in kurzen Läufen endet. Flammen schlagen aus sei-
nem weit geöffneten Schlund, der eine nur noch schwer zu deutende Gestalt (wahr-
scheinlich den Höllenfürsten) aufnimmt, die sich an eine schwere Kette klammert,
welche die Gruppe der Verurteilten umfängt. Mit aller Kraft stemmt sich der Teufel
dem Widerstand der Unglücklichen entgegen, um sie dem Fegefeuer zu überantwor-
ten. Am anderen Ende wird die Kette von den Klauen eines höhnisch grinsenden Teu-
fels umklammert, der mit einem schweren Knüppel auf die dicht gedrängte Schar der
Verdammten einschlägt - wegen des fragmentarischen Erhaltungszustandes sind nur

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