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Die St.-Stephanskirche in Wilhelmshaven-Fedderwarden — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 1: Hameln: C.W. Niemeyer, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.57438#0057
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Die Herausnahme der von Anobien zerfressenen Holzbalken und der durchgehenden
Eisenbandschaftungen (die stark von Rost zersetzt waren) sowie aller Eisenanker be-
dingte eine Neuausmauerung der großen Löcher, die durch die Lübecker Dombau-
hütte mit den originalen Klosterformatsteinen vorgenommen wurde. Durch Einzie-
hen von vier gering dimensionierten, optisch kaum in Erscheinung tretenden Zug-
ankern innerhalb des Triumphbogens, der beiden Gurtbögen und der Westwand
wurde Ersatz für die herausgenommenen alten statischen Sicherungen geschaffen. Die
Gewölbekappen wurden nach Befund vom Dachboden aus mit Kalkmörtel berappt.
Ebenso erfolgte die Ausbesserung der Fehlstellen in der Ausmalung mit Kalkmörtel-
putz.
Besonders schwierig war es, einen Konsensus über die Behandlung der Ausmalung zu
erreichen. Dem verständlichen Wunsch der Kirchengemeinde, die Ausmalung mög-
lichst vollständig zu ergänzen, stand ihr in vielen Teilen nicht rekonstruierbarer deso-
later Zustand gegenüber. Völlig abgesehen wurde schließlich von einer Retusche der
34-63 figuralen Bereiche, da dort zu befürchten stand, daß die Originalität der Reste und ihre
hohe Qualität durch Manipulation Einbußen erleiden würde. Außerdem war im Um-
kreis der originale Putz in großen Flächen erhalten und sollte nicht durch eine Über-
malung angetastet werden.
9-33 Ebenso stellte sich der Zustand des Ornamentdekors dar. Wohl lag in den meisten Be-
reichen die ursprüngliche Putzhaut auf den Rippen und Gurten. Vor allem durch die
jüngsten Eingriffe waren jedoch die nur noch schlecht auf dem Untergrund haftenden
Farbschichten mitsamt den Tünchen jüngerer Zeit abgeschlagen worden. Im West-
joch, dessen Allgemeinzustand sich - wie oben angedeutet - ohnedies am schlechte-
sten darstellte, waren nur auf den Seiten der Rippen und den begleitenden Bändern
Ornamentreste vorhanden. Auf den Scheid- und Fensterbögen fehlte die Musterung
schließlich völlig. Das Bild verbesserte sich, je weiter man nach Osten fortschritt. Al-
lerdings waren auch dort, besonders auf den Rippen, teilweise nur schwer deutbare
Rudimente der ornamentalen Bemalung aufzufinden.
Um die ursprüngliche gerüsthafte Funktion des ornamentalen Ausmalungspro-
gramms in Annäherung wiederzugewinnen, wurden unterschiedliche Wege beschrit-
ten: In Bereichen, in denen kein Ornament erhalten geblieben war, wurden farbige
Grisaillebänder angeordnet; dagegen an Stellen mit Ornamentresten - die allerdings
meist nur schwer zu deuten waren - farblich reduzierte Ersatzornamente zur Kom-
plettierung der Fehlstellen gewählt. Mit der gegenüber dem originalen Befund sehr zu-
rückhaltend gewählten Farbigkeit - Grau statt Schwarz, Ocker und Rot stark abge-
schwächt - bleibt die klare Ablesbarkeit der restaurierten Teile gegenüber der Origi-
nalsubstanz gewährleistet. Desgleichen wurde bei den Ornamentformen auf rekon-
struierende Ergänzungen verzichtet; auf den Rippen etwa unterblieben Eingriffe völ-
lig. Ihre wesentlich architekturinterpretierende Aufgabe übernehmen die beiderseits
verlaufenden Zacken-, Knospen- und Treppenfriese. Bei den Gurten wurde ebenfalls
auf Retuschen verzichtet; lediglich die Assistenzrippen wurden entsprechend dem Be-
fund grundstrukturiert. Die Halbkreispalmettenfriese konnten wegen der fragmenta-
rischen Überlieferung nicht wiederhergestellt werden. Zumindest in der Grundform
wiederhergestellt präsentiert sich der Ranken-Medaillon-Fries am Triumphbogen,
obwohl die Befunde ungenügend waren. Angesichts der formentleerten Apsis stellte
er sich jedoch als unverzichtbarer Schlußakkord der Ausmalung nach Osten heraus.
Schwierig war die farbliche Zusammenbindung der einzelnen Joche: Vor allem das
Ostjoch war zum Triumphbogen zunehmend dunkel versintert, was sicher auf Schä-
den am kritischen Stoßbereich zwischen Dach und Ostgiebel bzw. Giebel und Apsis
und in der Folge eingedrungene Feuchtigkeit zurückzuführen sein dürfte; das Mittel-
joch, das von solchen Beeinträchtigungen verschont geblieben ist, besonders aber das
größtenteils neu geputzte bzw. gestrichene Westjoch zeigten wesentlich hellere
Grundtöne in den freigelegten Originalstellen. Hier konnte nur durch behutsame
farbliche Angleichung in den Neuputzstellen ein optisches Auseinanderfallen der Ge-
wölbe vermieden werden.

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