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Schatten werden in Fedderwarden durch schwarze, Lichter durch weiße Linien knapp
angedeutet, offenbar - hierin fast allen romanischen Wandmalereien noch gleich231) -
in einem letzten Arbeitsgang aufgesetzt, welcher der Verfestigung der Konturen dien-
te. Demus weist daraufhin, daß es sich dabei nicht um ein sklavisches Nachvollziehen
der skizzenhaft angelegten Vorzeichnung handelte. Ein Vergleich des großzügig das
Körperliche umschreibenden Ritzsystems des Entwurfs mit der „Überzeichnung“
macht auch in Fedderwarden deutlich, daß man das Ziehen der dunklen Linien „als
eine der wichtigsten Phasen des künstlerischen Schaffensprozesses gehalten“ haben
muß232). Es bildete den künstlerischen Abschluß der Komposition und darf sicher
dem Hauptmeister zugeschrieben werden.
Im Fedderwarder Ausmalungsprogramm ist das Lineament weitgehend verlorenge-
gangen, so daß - den Gesamteindruck verfälschend - lediglich die ebenfalls substan-
tiell stark abgedünnte Binnenfarbigkeit sichtbar geblieben ist. Die hohe Qualität der
Konturierung wird jedoch in den wenigen ungestörten Partien („Einzug der Seligen
ins Paradies“, „Einzug Jesu nach Jerusalem“ und „Handwaschung des Pilatus“) in
eindrucksvoller Weise dokumentiert. Sie zeigen, daß die Künstler die Linie für eine
Verkörperlichung und Charakterisierung der flächenhaft angelegten Figuren gekonnt
zu nutzen vermochten.
Das Streben nach monumentaler Wirkung, die großzügige Konzeption des Ausma-
lungsprogramms, werden bei der Betrachtung des Ornamentdekors noch deutlicher.
Die Stilisierung der vegetabilen Formen, in der gegenüber älteren Beispielen ein stren-
gerer Gestaltungswille erkannt wurde, kann auf die Schablonentechnik zurückgeführt
werden, die hier offensichtlich Anwendung fand — wobei allerdings davon ausgegan-
gen werden darf, daß vornehmlich der Stilwille bei der Auswahl der technischen Mittel
bestimmend war.
Das Schablonieren, das oft der volkstümlichen Dekorationskunst zugehörend oder als
Verfallserscheinung des 19.Jahrhunderts abqualifiziert wurde und daher in der
Kunstwissenschaft weitgehend unbeachtet blieb233), hat - abgesehen von vorge-
schichtlichen Urformen - bereits byzantinischen Malern als Hilfsmittel gedient234).
Die qualitätvoll patronierten Holzdecken, die im Alpenraum seit dem 15. Jahrhundert
zahlreich erhalten sind, lassen die weite Verbreitung dieser Kunstübung erkennen, die
auch an Wandmalereien schon früh angewendet wurde235). Fedderwarden vergleich-
bar ist beispielsweise die etwa gleichzeitige Schablonenmalerei in der evangelischen
Kirche zu Kessin (Mecklenburg), deren Ornamentmotive sich unter anderem in der
zeitgenössischen Kunst Niedersachsens und Westfalens nachweisen lassen236).
Im ornamentalen Ausmalungsprogramm der Fedderwarder St. Stephanskirche läßt
sich die Verwendung von Schablonen in nahezu allen Ornamentbändern nachweisen.
An den Rippen sind die Zacken-, Palmetten- und Treppenfriese ganz offensichtlich
Schablonenmotive, deren Unregelmäßigkeiten auf das Verschieben der Schablonen
während der Arbeit zurückgeführt werden dürften. Die komplizierten Grundformen
der Schildbogenornamentik (Halbpalmetten in Nierenformen) dürften ebenfalls mit
Schablonen hergestellt worden sein, die positiv und negativ angewendet den Wechsel
innerhalb der Ornamentformen erzeugten. In gleicher Weise wurden die Fensterein-
fassungen gestaltet: Auch hier herrschen Nierenformen vor; am Südfenster des Ost-
jochs mußte für die schwierige Blattform mit Überschlag allerdings eine aufwendige
Schablone geschnitten werden. Verschiedene Schablonenmuster liegen schließlich den
Blattkreisen der Gewölberinge zugrunde. - Ob der Ornamentdekor der Gewölberip-
pen schabloniert oder wegen seiner Aufwendigkeit durch Pausen übertragen und dann
freihändig ausgemalt wurde, läßt sich dagegen nur schwer beurteilen237). Die in der
Grundfarbe ausgesparten Kleinformen (Monde und Kreise) in den Bänderungen las-
sen vermuten, daß ein aufgepaustes Liniennetz ausgemalt wurde. - Möglicherweise ist
das Grundmuster der Herzpalmette auf den Gewölberippen des Ostjochs dennoch
aufschabloniert worden, ebenso die Rankenmotive der Gurtbögen und des Triumph-
bogens, hier allerdings die Schablonen im Negativ appliziert.
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Schatten werden in Fedderwarden durch schwarze, Lichter durch weiße Linien knapp
angedeutet, offenbar - hierin fast allen romanischen Wandmalereien noch gleich231) -
in einem letzten Arbeitsgang aufgesetzt, welcher der Verfestigung der Konturen dien-
te. Demus weist daraufhin, daß es sich dabei nicht um ein sklavisches Nachvollziehen
der skizzenhaft angelegten Vorzeichnung handelte. Ein Vergleich des großzügig das
Körperliche umschreibenden Ritzsystems des Entwurfs mit der „Überzeichnung“
macht auch in Fedderwarden deutlich, daß man das Ziehen der dunklen Linien „als
eine der wichtigsten Phasen des künstlerischen Schaffensprozesses gehalten“ haben
muß232). Es bildete den künstlerischen Abschluß der Komposition und darf sicher
dem Hauptmeister zugeschrieben werden.
Im Fedderwarder Ausmalungsprogramm ist das Lineament weitgehend verlorenge-
gangen, so daß - den Gesamteindruck verfälschend - lediglich die ebenfalls substan-
tiell stark abgedünnte Binnenfarbigkeit sichtbar geblieben ist. Die hohe Qualität der
Konturierung wird jedoch in den wenigen ungestörten Partien („Einzug der Seligen
ins Paradies“, „Einzug Jesu nach Jerusalem“ und „Handwaschung des Pilatus“) in
eindrucksvoller Weise dokumentiert. Sie zeigen, daß die Künstler die Linie für eine
Verkörperlichung und Charakterisierung der flächenhaft angelegten Figuren gekonnt
zu nutzen vermochten.
Das Streben nach monumentaler Wirkung, die großzügige Konzeption des Ausma-
lungsprogramms, werden bei der Betrachtung des Ornamentdekors noch deutlicher.
Die Stilisierung der vegetabilen Formen, in der gegenüber älteren Beispielen ein stren-
gerer Gestaltungswille erkannt wurde, kann auf die Schablonentechnik zurückgeführt
werden, die hier offensichtlich Anwendung fand — wobei allerdings davon ausgegan-
gen werden darf, daß vornehmlich der Stilwille bei der Auswahl der technischen Mittel
bestimmend war.
Das Schablonieren, das oft der volkstümlichen Dekorationskunst zugehörend oder als
Verfallserscheinung des 19.Jahrhunderts abqualifiziert wurde und daher in der
Kunstwissenschaft weitgehend unbeachtet blieb233), hat - abgesehen von vorge-
schichtlichen Urformen - bereits byzantinischen Malern als Hilfsmittel gedient234).
Die qualitätvoll patronierten Holzdecken, die im Alpenraum seit dem 15. Jahrhundert
zahlreich erhalten sind, lassen die weite Verbreitung dieser Kunstübung erkennen, die
auch an Wandmalereien schon früh angewendet wurde235). Fedderwarden vergleich-
bar ist beispielsweise die etwa gleichzeitige Schablonenmalerei in der evangelischen
Kirche zu Kessin (Mecklenburg), deren Ornamentmotive sich unter anderem in der
zeitgenössischen Kunst Niedersachsens und Westfalens nachweisen lassen236).
Im ornamentalen Ausmalungsprogramm der Fedderwarder St. Stephanskirche läßt
sich die Verwendung von Schablonen in nahezu allen Ornamentbändern nachweisen.
An den Rippen sind die Zacken-, Palmetten- und Treppenfriese ganz offensichtlich
Schablonenmotive, deren Unregelmäßigkeiten auf das Verschieben der Schablonen
während der Arbeit zurückgeführt werden dürften. Die komplizierten Grundformen
der Schildbogenornamentik (Halbpalmetten in Nierenformen) dürften ebenfalls mit
Schablonen hergestellt worden sein, die positiv und negativ angewendet den Wechsel
innerhalb der Ornamentformen erzeugten. In gleicher Weise wurden die Fensterein-
fassungen gestaltet: Auch hier herrschen Nierenformen vor; am Südfenster des Ost-
jochs mußte für die schwierige Blattform mit Überschlag allerdings eine aufwendige
Schablone geschnitten werden. Verschiedene Schablonenmuster liegen schließlich den
Blattkreisen der Gewölberinge zugrunde. - Ob der Ornamentdekor der Gewölberip-
pen schabloniert oder wegen seiner Aufwendigkeit durch Pausen übertragen und dann
freihändig ausgemalt wurde, läßt sich dagegen nur schwer beurteilen237). Die in der
Grundfarbe ausgesparten Kleinformen (Monde und Kreise) in den Bänderungen las-
sen vermuten, daß ein aufgepaustes Liniennetz ausgemalt wurde. - Möglicherweise ist
das Grundmuster der Herzpalmette auf den Gewölberippen des Ostjochs dennoch
aufschabloniert worden, ebenso die Rankenmotive der Gurtbögen und des Triumph-
bogens, hier allerdings die Schablonen im Negativ appliziert.
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