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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0224
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insititia, Abb. 4) angebaut worden sind. Darunter be-
finden sich auch die Formenkreise A, B und C (Rund-
pflaume, Ovalpflaume und Spilling). Sie wurden be-
reits aus dem Fundgut anderer mittelalterlicher Sied-
lungen nachgewiesen (u.a. Behre 1978: Haithabu und
Alt-Schleswig; Knörzer 1971: Haus Meer/Büderich,
1975: Neuß, 1979: Burg Briiggen/Kr. Viersen; Kroll
1980: Lübeck). Daneben gab es auch Zwetschen (Pru-
nus domestica ssp. domestica). Sie waren aber anschei-
nend zunächst noch seltener als die Pflaumen.
Bei den Resten Non Prunus avium aus den beiden Brun-
nen des 9. und 10. Jhs. scheint es sich um Belege der
Wilden Vogel-Kirsche zu handeln. Kulturformen der
Süß-Kirsche sind erst aus dem Spät-Mittelalter und der
frühen Neuzeit vorhanden. Ähnlich wie in dem mittel-
alterlichen Fundgut aus Lübeck (Kroll 1978, 1980) war
die Sauer-Kirsche (Prunus cerasus, Abb. 4) im Spät-
Mittelalter offenbar häufiger als die Süß-Kirsche.
Gelegentliche Funde von Pfirsich-Steinkernen (Prunus
persica, Abb. 4) weisen daraufhin, daß diese in klimati-
scher Hinsicht etwas anspruchsvollere Art im Gebiet
von Braunschweig angebaut worden ist. Die Empfind-
lichkeit der reifen Früchte schließt angesichts der dama-
ligen Verkehrsmittel einen Import über weitere Strek-
ken weitgehend aus.
Größere Mengen von Apfel- und Birnen-Samen (Malus
domestica, Pyrus communis, Abb. 5), die z.T. auch be-
schädigt sind, zeigen die Bedeutung des Kernobstes im
Spät-Mittelalter. Recht bezeichnend für die Kloaken-
Funde sind zudem mehr oder minder große Stücke der
pergamentartigen Kernobst-Gehäuse.
Samen der Weinrebe (Vitis vinifera, Abb. 5) kommen
in vielen Proben vor. Ähnlich wie bei anderen Mittelal-
terfunden Süd-Niedersachsens ist auch für Braun-
schweig mit einem lokalen Anbau der Rebe auf beson-
ders günstigen Standorten zu rechnen (Willerding 1978:
143).
Für die Walnuß (Juglans regia) läßt sich die Frage be-
züglich Import oder Anbau am Ort kaum entscheiden.
Die vergleichsweise recht geringe Größe der Walnuß-
Schalen macht die Kultur der Art in der Braunschwei-
ger Region jedenfalls nicht unwahrscheinlich.
Bei den durch zahlreiche Nüßchen-Funde aus den
Kloaken-Schichten belegten Feigen (Ficus carica,
Abb. 5) handelt es sich hingegen mit Sicherheit um Im-
port-Früchte. Ein Anbau der in klimatischer Hinsicht
sehr anspruchsvollen Art im Braunschweiger Gebiet ist
selbst für die klimatisch günstigen Zeitabschnitte des
Mittelalters auszuschließen. Wie paläo-ethnobotani-
sche Untersuchungen anderer mittelalterlicher Fund-
plätze im westlichen Mitteleuropa zeigen, waren die
Feigen zumindest an den Plätzen eines gewissen Wohl-

standes durchaus bekannt. Das gilt für Städte wie
Göttingen, Höxter (Willerding, n.p.), Neuß (Knörzer
1975) und Sittard/NL (Bakels 1980) ebenso wie für
York/GB (Addyman 1980), Oslo und Bergen/N (Grif-
fin 1979). Hingewiesen sei auch auf die Funde von Burg
Brüggen, Kr. Viersen (Knörzer 1979). Aus der Kartie-
rung der derzeit bekannten frühen Feigen-Nachweise
in Mitteleuropa (Abb. 7) ist zu ersehen, daß aus dem
östlichen Mitteleuropa bislang eigentümlicherweise
nur wenige mittelalterliche Fundplätze mit Belegen
dieser Art bekannt geworden sind (Krakow: Wieserowa
1979; Budapest: Hartyänyi u. Novaki 1975; Hartyänyi
1977). Opravil (1974, 1979) stellte die Feige in einem
Fundkomplex des 17. Jhs. in Uhersky Brod/CS und im
spätmittelalterlichen Fundgut von Most/CS fest.
Es ergibt sich die Frage, ob Feigen ausschließlich als
Obst verzehrt worden sind. Vermutlich wurden sie
auch oder sogar überwiegend als Medizin eingesetzt. So
werden in dem während des Mittelalters hoch geschätz-
ten Kräuterbuch des Dioscorides (Ausgabe von 1610:
83 f.) zahlreiche medizinische Anwendungsformen ge-
nannt. Die Kombination der Feigen-Reste mit denen
von Gewürzpflanzen und Drogen im Fundgut von
Uhersky Brod deutet darauf hin, daß die Feige auch im
17. Jh. noch als Heilmittel eingesetzt wurde. Unabhän-
gig von der Art ihres Gebrauchs konnten die Nüßchen
jedenfalls in Kloaken-Ablagerungen gelangen.
Wie aus den Belegen aus dem Brunnen vom Schloßplatz
hervorgeht, wurden während des Früh-Mittelalters
zahlreiche Wildobst- Arten genutzt. Die Funde in den
Braunschweiger Kloaken zeigen, daß sich das auch im
Spät-Mittelalter und in der Früh-Neuzeit keineswegs
geändert hatte. Die Reste des Wildobstes kommen so-
gar in den gleichen Proben vor wie die des Kultur-
obstes. Wildobst war demnach auch den Konsumenten
der kultivierten Obstarten als Nahrung willkommen.
Ob sich das nur aus den z.T. unterschiedlichen Reife-
zeiten der einzelnen Arten erklären läßt, ist ungewiß.
Bemerkenswerterweise entspricht dieser Befund
durchaus den an anderen mittelalterlichen Fundplätzen
Süd-Niedersachsens gewonnenen Ergebnissen (Willer-
ding 1978: 143; 1979c: 38). Offenbar war das Wildobst
darüberhinaus allenthalben noch im Spät-Mittelalter
eine erwünschte Ergänzung der Nahrung. Dies zeigen
u.a. die Funde aus Sittard/NL (Bakels 1980), Haus
Meer/Büderich/D (Knörzer 1971), Neuß/D (Knörzer
1975) , Burg Brüggen, Kr. Viersen/D (Knörzer 1979),
Wasserburg Eschelbronn/Heidelberg/D (Körber-
Grohne 1979), Budapest (Hartyänyi 1977), Opava/CS
(Opravil 1964), Olomouc/CS (Opravil 1965),
Plzen/CS (Opravil 1966), Uhersky Brod/CS (Opravil
1976) und Kraköw/PL (Wasylikowa 1979; Wieserowa
1979). Dabei scheint vielfach die Schlehe (Prunus spino-
sa) eine besonders wichtige Rolle gespielt zu haben. Ob
es zur Kultur in den Gärten gekommen ist, wie gele-

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