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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0259
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Diese Verteilung von christlicher und jüdischer An-
wohnerschaft an der Jöddenstraße scheint mit zwei
Ausnahmen das gesamte 15. Jh. hindurch gegolten
zu haben: Im Jahr 1426 mietet, wie bereits einmal
erwähnt, ,,de Jacobessche... dat hus up de
Jodd(en)st(ra)te negest hinr(ick) memoringe“, noch im
gleichen Jahr erwirkt sie beim Neustädter Rat eine das-
selbe Haus ass. Nr. 137343 betreffende Vereinbarung
über die Höhe des Mietzinses45.
In der ersten Hälfte des 15. Jhs. finden wir also an der
Nordseite der Straße in der „Jacobeschen der Jodde-
schen“45 eine jüdische Bewohnerin.
Hingegen bringt das Jahr 1482 für das „hus by der
scherbonde“, das neben dem Marstall an der Südseite
der Jöddenstraße liegt46, einen christlichen Käufer:
Euert Kok übernimmt Haus und Hof vom Neustädter
Rat und scheint dort nach Ausweis des Schoßregisters
dieses Weichbildes noch 1492 zu leben47.
Sonst aber bewegen sich die für das 15. Jh. herangezo-
genen Quellen ausnahmslos im Rahmen jener Verhält-
nisse, die schon 1401 vorzufinden waren48.
Für das 14. Jh. läßt sich eine vergleichbare Angabe über
die Verteilung der jüdischen und christlichen Bevölke-
rung in der Jöddenstraße nicht vornehmen. Es kann
aber die Vermutung geäußert werden, daß die Verhält-
nisse des 14. Jhs. von denen des 15. Jhs. durchaus ver-
schieden waren. Die Zahl der in der Jöddenstraße an-
sässigen jüdischen Familien, die 1320 noch zweiund-
zwanzig betrug, lag zu Beginn des 15. Jhs. nur noch bei
etwa zehn, nachdem 1394 immerhin noch achtzehn und
1398 sechzehn Haushalte gezählt werden können49.
Denkbar ist, daß im Verlauf des 14. Jhs. mit der ab-
nehmenden Anzahl jüdischer Bewohner in der Jödden-
straße deren allmähliche Abdrängung von den Grund-
stücken an der Nordseite der Straße einherging.
Über die wirtschaftliche Tätigkeit der christlichen Be-
wohner, die für das 15. Jh. auf den drei Parzellen ass.
Nr. 1371-73 namhaft gemacht werden konnten, geben
die Schriftquellen keine weitere Auskunft. Es bleibt als
Hinweis auf die wirtschaftliche Nutzung dieser Parzel-
len daher nur die in den Quellen vorgenommene Unter-
scheidung zwischen (Wohn- oder Handwerker-) Häu-
sern und (Verkaufs-) Buden50:
Tabelle 2
Jahr/ 1401 1426 1477/97
ass. Nr.
1371 Haus - Haus/Bude
1372 Haus
1373 Bude Haus
Was das wirtschaftliche Leben in den drei Häusern ass.
Nr. 1362—64 sowohl im 14. als auch im 15. Jh. anbe-
trifft, lassen uns die Schriftquellen auch hierüber im

einzelnen im Unklaren. Vergleicht man jedoch die
Wirtschaftsverhältnisse, in denen sich die Juden ande-
rer niedersächsischer Städte des Spätmittelalters beweg-
ten, kann davon ausgegangen werden, daß sich auch die
jüdischen Bewohner der Neustadt in ihrer Mehrheit
dem Geldverleih und dem Pfandleihgeschäft gewidmet
haben51; mithin ist also recht wahrscheinlich, daß unter
den Bewohnern der drei angesprochenen Parzellen
Geldverleiher zu finden sind.
Der erste Hinweis auf Pfandleihgeschäfte, an denen mit
Sicherheit Juden aus der Neustädter Jöddenstraße be-
teiligt waren, fällt in das erste Viertel des 14. Jhs.52. Die
Lakenmacher der Neustadt, des Hagens und der
Altenwiek treffen eine Übereinkunft mit den Juden der
Stadt über die Inpfandnahme Braunschweigischer Tu-
che:
,,De mestere der inninghe der lakemekere ut deme
Haghen unde ut dere Nyenstad unde ut der Oldenwik
hebbet ghedeghedinghet mit den joden over alle de stad
also, dat se nicht scolen nemen to pande lakene, de to
Brunswic sin ghemaket, sunder allene stucke moghen
se wol nemen, noch nene lakenschere noch nene wulle
noch nen garn. Neme aver en jode garn, dat scal he to
losene don vor dat spinnelon unde nicht durere. Unde
swe aldusdan ding wel utsetten, dat scal he don mit wet-
tene sines neybures, unde de jode scal ok to sik nemen
enen anderen joden ut siner neyburscap, unde alsodan
ding scal me van eme losen“53.
Diese Übereinkunft nennt nun als Zeugen drei Juden,
von denen zwei 1320 im Rechtsbuch der Neustadt als
Anwohner der Jöddenstraße erscheinen:
„Disser dinghe sint tughe... Copsin unde Nathan van
Meghedeborch, Ysaac van Goslere, de joden“54.
Ysaac de Goslaria bewohnt 1320 ein Haus in der Jöd-
denstraße; Copsin, 1320 bereits verstorben, muß dort
ebenfalls ansässig gewesen sein, wie die Anwesenheit
seiner Witwe und seiner Tochter unter den Zinspflich-
tigen der Jöddenstraße zeigt55.
In diesen drei Juden, die möglicherweise lediglich eine
Vertretung für die gesamte Judengemeinde darstellten,
sehen wir Geldverleiher vor uns, die ihre Kredite gegen
Sicherheiten in Gestalt Braunschweiger und auswärti-
ger Tuche oder im Lakenmacherhandwerk verwandter
Rohstoffe (Wolle und Garn) ausgaben.
Leihgeschäfte dieser Art, die von Neustädter Juden ab-
gewickelt wurden, sind in den Quellen des 14. Jhs. ge-
legentlich und in denen des 15 Jhs. recht zahlreich zu
finden; nicht immer allerdings wird über versetztes
Pfandgut berichtet, so daß angenommen werden kann,
daß an die Stelle eines Pfandes als Sicherheit auch der
bloße Schuldbrief treten konnte.

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