Abb. 1: Rekonstruktion der Mitra mit Borten A-C aus Grab
5 (Arbeitsstand Oktober 1979) M. 1:25
sich nicht wie in Florenz und Anagni um eine schlichte
mitra simplex aus Leinen handelt16), sondern nur die
Mitte eines Seiden- oder Leinenstreifens ist mit einem
Goldbörtchen besetzt - wie bei der Braunschweiger
Mitra aus Grab 5 von St. Aegidien.
Um uns auf die frühe Zeit der Abtsmitren zu beschrän-
ken, möchten wir nur die drei aus St. Peter in Salz-
burg17 nennen, möglicherweise auch die sogenannte
Wolfgangsmitra in St. Emmeram in Regensburg, die
wir allerdings erst in das frühe 14. Jh. datiert haben18;
schließlich die, deren Goldbortenfragmente in einem
Steinsarkophag im Westchorumgang der Ratgarbasi-
lika in Fulda gefunden worden sind19.
Nachdem unsere Kenntnisse von Halbseidengeweben -
trotz verschiedener ermutigender Ansätze - einstwei-
len recht bruchstückhaft sind20, kann hier einstweilen
nur festgehalten werden, daß der Trägerstoff der Infein
der Braunschweiger Mitra eine Halbseide ist, und zwar
der Technik nach ein Samittum.
Da für die erste Veröffentlichung der textilen Funde21
nur ein kleiner Teil des vorhandenen Materials hatte
untersucht werden können, nahmen wir zunächst als
Obergewand des Toten eine Leinenkasel an. Inzwi-
schen steht aber einwandfrei fest, daß die Kasel aus ei-
nem Wollköper mit vermutlich rotbrauner Kette und
grau-blauem Schuß bestand (vgl. Beitrag Streiter-
Wirth, Abb. 9, in diesem Band).
Obwohl offenbar mit der seit dem 13./14. Jh. wach-
senden europäischen Seidenproduktion seidene Kasein
an Zahl die leinenen und wollenen im späten Mittelalter
zu überragen scheinen und von den letzteren als den
einfacheren wohl noch weniger erhalten sind, besaßen
doch - wenigstens bis zum 16. Jh. - auch die größeren
und reicher ausgestatteten Kirchen überall, vor allem
für die täglichen Meßfeiern, wollene (und leinene) Ka-
sein.
Aus der Braunschweiger Martinikirche bewahrt das
Herzog Anton Ulrich-Museum noch mehrere des 15.
Jhs. auf22. Das Inventarkonzept der Nürnberger Lo-
renzkirche von 1466 führt 24 ganze Ornate auf, außer-
dem 73 einzelne Kasein und 56 Chormäntel. Von den
73 Kasein waren vier aus schwarzem Bursat, je eine aus
rotem bzw. blauem Bursat (gröberes Wollgewebe),
eine aus rotem Schamlot (feineres Wollgewebe). Neben
vier roten, wollenen Chormänteln gab es neun mit auf-
gedruckten Mustern, die wahrscheinlich aus Leinen
oder Barchent waren23.
Der Wollköper der Abtskasel aus Grab 5 von St. Aegi-
dien in Braunschweig dürfte am ehesten ein einheimi-
sches Produkt gewesen sein. Sein rückwärtiges Gabel-
kreuz setzt sich bemerkenswerterweise aus zwei unter-
schiedlichen Seidengeweben mit Metallmusterschuß
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