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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0185
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Reiner Cunz

Die Fundmünzen aus der Branntweinstube

Die Untersuchung des Zahlungsverkehrs älterer
Zeiten ist einer der Arbeitsschwerpunkte der Nu-
mismatik, die sich nicht nur als Münzgeschichte,
sondern auch als Geldgeschichte versteht. Der For-
schung stehen als zentrale Quellengruppe die
Münzfunde, insbesondere die Münzschatzfunde,
zur Verfügung. Zu den neueren Tendenzen der
Fundnumismatik gehört in zunehmendem Maße
die Auseinandersetzung mit Einzelfunden und Ein-
zelfundkomplexen, d. h. Ansammlungen von Ein-
zelfunden in einem größeren Areal. Die ältere For-
schung interessierte sich kaum für diesen Fundtyp.
Man verfaßte allenfalls kurze Fundnotizen über
Goldmünzen, Taler und außergewöhnliche Funde
bzw. Fundstücke. Der wissenschaftliche Wert
wurde gering geschätzt. In unbekannten, seltenen
oder wertvollen Geprägen sah man einen Gewinn
für die deskriptive Numismatik und für Münz-
sammlungen. Die neuere Forschung betont zusätz-
lich die Eigenständigkeit dieser lange verkannten
Quellengruppe und ihre Bedeutung für die Korrek-
tur und Ergänzung unseres Bildes vom Geldumlauf
der Vergangenheit. Die erste Bearbeitung eines nie-
dersächsischen Fundkomplexes, die diese Aspekte
berücksichtigt, ist 1973 erschienen1’.
Im November 1984 wurden im Duderstädter Rat-
haus 30 Kleinmünzen entdeckt2’. Sie kamen zutage
bei baubegleitenden bauarchäologischen Unter-
suchungen des Instituts für Denkmalpflege im
Rahmen der Restaurierung des Rathauses. Aus-
schlaggebend für die Sicherung dieser Kleinfunde
war das umsichtige Vorgehen der Ausgräber und,
nachdem man zufällig auf einige Münzen gestoßen
war, insbesondere die Entscheidung, den Aushub
der Fundstelle zu sieben. Die Münzen wurden
Mitte 1985 der Urgeschichts-Abteilung des Nie-
dersächsischen Landesmuseums Hannover zur Be-
stimmung vorgelegt. Direkt im Anschluß daran
wurden sie in der Ausstellung „Ausgrabungen in
Niedersachsen, Archäologische Denkmalpflege
1979—1984“, einer Wanderausstellung des Instituts

für Denkmalpflege, gezeigt3’. Inzwischen sind die
Fundmünzen an die Stadt Duderstadt weitergege-
ben worden.
Die genaue Fundstelle im Rathaus befand sich im
Untergeschoß des Treppenhauses im östlichen Teil
der Nordlaube und dort eine Auffüllung, begin-
nend etwa 10 cm unter dem letzten Fußboden4'.
Über der Auffüllung lag der Holzfußboden der
ehemaligen Branntweinstube im geschlossenen Teil
des Erdgeschosses der Rathauslaube. Neben Klein-
münzen aus dem 15. und 16. Jahrhundert wurden
dort weitere Kleinfunde entdeckt, z.B. zwei Kno-
chenwürfel und Murmeln. Diese Gegenstände er-
lauben uns interessante Einblicke in das Alltagsle-
ben und das Leben in der Gemeinschaft im 16. Jahr-
hundert und illustrieren anschaulich die Funktion
dieses abgetrennten Raumes als Gaststube.
Baugeschichtlich gesehen gehört diese Auffül-
lung zu dem Bauabschnitt der Jahre 1532 — 1534.
Überraschende neue Erkenntnisse zur Bauge-
schichte der Laube erbrachten die jüngst durchge-
führten bauhistorischen und bauarchäologischen
Untersuchungen des Instituts für Denkmalpflege.
1531 wurde mit dem Bau einer Laube an der Ost-
seite des Rathauses begonnen. Dieser Plan wurde
aber bald aufgegeben, und noch im gleichen Jahr
entstand eine Laube an der Nordseite. Wegen Bau-
schäden mußten 1532 — 1534 große Teile dieses Baus
wieder abgetragen und mit einem zusätzlichen tie-
fer gehenden Kellermauerwerk neu errichtet wer-
den. Der Keller kam aber nicht zur Ausführung. Er
wurde nicht mehr ausgehoben, und die randliche
Arbeitsgrube für das Mauerwerk wurde wieder zu-
geschüttet. Einrichtungsarbeiten für die Brannt-
weinstube wurden 1538 zusammen mit anderen,
einige Jahre zurückliegenden Arbeiten für die Ab-
stützung der Fachwerkaufbauten abgerechnet. Hi-
storisch gesehen gehören die Fußbodenauffüllung
und die bis etwa zwei Meter tief reichende Auf-
füllung der Arbeitsgrube zusammen, wenngleich
sich nach dem verwendeten Material verschiedene

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