KUNST UND RELIGION 13
Diese wenigen Beispiele mögen außerdem zeigen, daß die religiösen Dich-
tungen der Ägypter in der sinnlichen Kraft ihrer Sprache und der Größe des
Schauens sich der ägyptischen Bildkunst an die Seite stellen.
Wir lernten die besondere, dem ägyptischen Geist gemäße Fassung des
Unsterblichkeitsglaubens kennen. Der Glaube an die lebenwirkende Kraft
der „Form", der sich darin ausprägt, hat einst den Prozeß des Sprachbildens
selbst geleitet: ein Bildwerk „schaffen" heißt nämlich im Ägyptischen „zum
Leben bringen", die Tätigkeit des Plastikers wird durch die Kausativform des
Wortes „leben" bezeichnet. Daß hier keine Lautähnlichkeit, sondern ein innerer
Grund waltete, wird durch das Vorkommen von Eigennamen für Statuen
bestätigt, was diese zu Individuen erhebt. So hieß ein Standbild Thutmoses III:
„Millionen von Jahren im Hause des Vaters Osiris." Das ägyptische Wort
für bilden und andere Wörter, die es zuweilen ersetzen, stellt demnach
unzweideutig den schöpferischenVorgang über das Handwerk (Skulptur,
Plastik, Rundfigur) und den Zweck (Statue, Standbild). Der Mythus gestaltete
das Motiv in seiner Weise aus: der Urgott Ptah, der einst sich selbst, die
Götter und alle Dinge schuf, ist zugleich der Schöpfer der Kunst und der
Werkstätten. Sein Hoherpriester führt den Titel „Oberster aller Kunstwerke";
sein Name scheint mit einem seltenen Wort für „bilden" eng zusammen-
zuhängen. Die Texte nennen ihn:
„Ptah, schön von Angesicht, Erhabener, Bildner der Erde,
Laß mich vor dir stehen, deinen Ka vor mir,
Laß mein Auge deine Schönheit sehen." Statue, Berlin.
„O Ptah, ich habe dich in mein Herz geschlossen,
Mein Herz ist gefüllt mit Liebe zu dir,
Wie eine Wiese mit Knospen!
Ich habe mein Haus neben deinen Tempel gesetzt,
Wie ein Diener, der seinen Herrn verehrt." stolk.
Renoir und mit ihm andere Moderne haben das Fehlen des religiösen
Impulses für das zeitgenössische Kunstschaffen tief beklagt. Wirklich liegt
heute durch diesen Umstand eine fast zu große Belastung der Kunst vor.
Der Künstler von heute, der Antrieb und Fähigkeit zum Endgültigen in sich
fühlt, hat nicht nur wie früher das mühevolle Durchdenken und Lösen der
überlieferten, rein sachlichen Probleme zu leisten, sondern ist genötigt, auch
Diese wenigen Beispiele mögen außerdem zeigen, daß die religiösen Dich-
tungen der Ägypter in der sinnlichen Kraft ihrer Sprache und der Größe des
Schauens sich der ägyptischen Bildkunst an die Seite stellen.
Wir lernten die besondere, dem ägyptischen Geist gemäße Fassung des
Unsterblichkeitsglaubens kennen. Der Glaube an die lebenwirkende Kraft
der „Form", der sich darin ausprägt, hat einst den Prozeß des Sprachbildens
selbst geleitet: ein Bildwerk „schaffen" heißt nämlich im Ägyptischen „zum
Leben bringen", die Tätigkeit des Plastikers wird durch die Kausativform des
Wortes „leben" bezeichnet. Daß hier keine Lautähnlichkeit, sondern ein innerer
Grund waltete, wird durch das Vorkommen von Eigennamen für Statuen
bestätigt, was diese zu Individuen erhebt. So hieß ein Standbild Thutmoses III:
„Millionen von Jahren im Hause des Vaters Osiris." Das ägyptische Wort
für bilden und andere Wörter, die es zuweilen ersetzen, stellt demnach
unzweideutig den schöpferischenVorgang über das Handwerk (Skulptur,
Plastik, Rundfigur) und den Zweck (Statue, Standbild). Der Mythus gestaltete
das Motiv in seiner Weise aus: der Urgott Ptah, der einst sich selbst, die
Götter und alle Dinge schuf, ist zugleich der Schöpfer der Kunst und der
Werkstätten. Sein Hoherpriester führt den Titel „Oberster aller Kunstwerke";
sein Name scheint mit einem seltenen Wort für „bilden" eng zusammen-
zuhängen. Die Texte nennen ihn:
„Ptah, schön von Angesicht, Erhabener, Bildner der Erde,
Laß mich vor dir stehen, deinen Ka vor mir,
Laß mein Auge deine Schönheit sehen." Statue, Berlin.
„O Ptah, ich habe dich in mein Herz geschlossen,
Mein Herz ist gefüllt mit Liebe zu dir,
Wie eine Wiese mit Knospen!
Ich habe mein Haus neben deinen Tempel gesetzt,
Wie ein Diener, der seinen Herrn verehrt." stolk.
Renoir und mit ihm andere Moderne haben das Fehlen des religiösen
Impulses für das zeitgenössische Kunstschaffen tief beklagt. Wirklich liegt
heute durch diesen Umstand eine fast zu große Belastung der Kunst vor.
Der Künstler von heute, der Antrieb und Fähigkeit zum Endgültigen in sich
fühlt, hat nicht nur wie früher das mühevolle Durchdenken und Lösen der
überlieferten, rein sachlichen Probleme zu leisten, sondern ist genötigt, auch