24
STIL DER RUNDPLASTIK
„Ich baute einen Palast und legte ihn mit Gold aus.
Seine Decken und Mauern waren aus Lapislazuli...
Seine Türen aus Kupfer
Seine Riegel aus Bronze
Sie schrecken die Ewigkeit!"
(Lehre des Amenemhef.)
Die Bauten und Bildwerke Ägyptens sind Schöpfungen eines Volkes, dessen
Leben durch eine grenzenlose Sehnsucht im Ewigen verankert war.
IV.
Der erste Beweggrund der Kunst muß notwendig ein außerkünstlerischer
gewesen sein. Erst die Tätigkeit des Bildens selbst kann die Produktivität
ausgelöst haben, die imstande war, irgend eine vorhandene Absicht künstlerisch
umzudenken. Auch in Ägypten ist „bilden" älter, als die bildende Kunst, und
die Forderung der Religion, Götierfiguren und kenntliche Abbilder von
Personen herzustellen, weckte in den dazu Geschickten die angeborene Fähig-
keit der Bildgestaltung. Sie überließen es der Schrift, den außerkünstlerischen
Anlaß der Figuren und ihre enge Verknüpfung mit dem Leben darzutun und
vertieften sich in den sachlichen Teil ihrer plastischen Aufgabe. Dabei erhielt
für sie, wie für jeden Künstler, das elementarste und allgemeinste Erlebnis
— das Erfassen des Raumes und der ihn erfüllenden Formen — einen neuen
und besonderen Sinn. Eine Kraft des Anschauens wurde in ihnen wach, die
sie zwang, den Körper bewußt als eine rhythmische Folge von Formen vor-
zustellen. Sie entdeckten die Beziehung und Wechselwirkung dieser Formen
und das plastische Leben der modellierten Flächen. Sie bauten Figuren auf,
die durch die innere Konsequenz ihrer räumlichen Ordnung, durch die Intensität
des erzielten Formeindruckes, durch die Kraft des inneren Lebens bezwingen,
das sich stärker in den gereinigten Formen ausspricht. So wurde die
Körperdarstellung zum künstlerischen Erlebnis.
Die ägyptischen Plastiken gehören zu den Werken, die man - unter dem
irreführenden Einfluß des Entwicklungsprinzips als „archaisch-gebundene" Kunst
zu bezeichnen pflegt, wie die babylonische, romanische, mexikanische. Es bleibt
aber ein immer wiederholter Irrtum, ein technisch bequemes Auskunftsmittel,
diese Kunstkreise als noch unentwickelte anzusehen, die sich nicht über eine
gewisse Stufe des Daseins erheben. Vielmehr verhält es sich so, daß gerade
STIL DER RUNDPLASTIK
„Ich baute einen Palast und legte ihn mit Gold aus.
Seine Decken und Mauern waren aus Lapislazuli...
Seine Türen aus Kupfer
Seine Riegel aus Bronze
Sie schrecken die Ewigkeit!"
(Lehre des Amenemhef.)
Die Bauten und Bildwerke Ägyptens sind Schöpfungen eines Volkes, dessen
Leben durch eine grenzenlose Sehnsucht im Ewigen verankert war.
IV.
Der erste Beweggrund der Kunst muß notwendig ein außerkünstlerischer
gewesen sein. Erst die Tätigkeit des Bildens selbst kann die Produktivität
ausgelöst haben, die imstande war, irgend eine vorhandene Absicht künstlerisch
umzudenken. Auch in Ägypten ist „bilden" älter, als die bildende Kunst, und
die Forderung der Religion, Götierfiguren und kenntliche Abbilder von
Personen herzustellen, weckte in den dazu Geschickten die angeborene Fähig-
keit der Bildgestaltung. Sie überließen es der Schrift, den außerkünstlerischen
Anlaß der Figuren und ihre enge Verknüpfung mit dem Leben darzutun und
vertieften sich in den sachlichen Teil ihrer plastischen Aufgabe. Dabei erhielt
für sie, wie für jeden Künstler, das elementarste und allgemeinste Erlebnis
— das Erfassen des Raumes und der ihn erfüllenden Formen — einen neuen
und besonderen Sinn. Eine Kraft des Anschauens wurde in ihnen wach, die
sie zwang, den Körper bewußt als eine rhythmische Folge von Formen vor-
zustellen. Sie entdeckten die Beziehung und Wechselwirkung dieser Formen
und das plastische Leben der modellierten Flächen. Sie bauten Figuren auf,
die durch die innere Konsequenz ihrer räumlichen Ordnung, durch die Intensität
des erzielten Formeindruckes, durch die Kraft des inneren Lebens bezwingen,
das sich stärker in den gereinigten Formen ausspricht. So wurde die
Körperdarstellung zum künstlerischen Erlebnis.
Die ägyptischen Plastiken gehören zu den Werken, die man - unter dem
irreführenden Einfluß des Entwicklungsprinzips als „archaisch-gebundene" Kunst
zu bezeichnen pflegt, wie die babylonische, romanische, mexikanische. Es bleibt
aber ein immer wiederholter Irrtum, ein technisch bequemes Auskunftsmittel,
diese Kunstkreise als noch unentwickelte anzusehen, die sich nicht über eine
gewisse Stufe des Daseins erheben. Vielmehr verhält es sich so, daß gerade