STIL DER RUNDPLASTIK
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in ihnen, im Gegensatz zu den reicheren, aber weniger konzentrierten Stilen,
das Plastische in einem besonderen Sinne entwickelt wurde. Daß es sich hier
um prinzipielle Stilunterschiede, nicht um Entwicklungsstadien handelt, beweist
das Aufkommen und die Verbreitung eines solchen rigorosen Stils, des
romanischen, dicht hinter der bewegten spätantiken Plastik. Einen ähnlichen
Stilwandel erleben wir in der gegenwärtigen Kunst.
Die ägyptischen Künstler gingen von wesentlich plastischen Voraussetzungen
aus. Plastik ist reale Körpergestaltung; das ihr eigentümliche Material, in
dem sie schafft, sind Formvorstellungen, die sich, auf einen widerstandsfähigen
Stoff übertragen, an Menschen- und Tiergestali auswirken. Je eindringlicher
sich die plastische Kraft der Formen mitteilt, desto gültiger ist das Werk.
Wenn nun eine Figur ganz durch sich selbst und ohne andere Assoziationen
rein als plastisches Gebilde wirken soll, müssen in ihr all die Momente, die
dem Raumeindruck der Gestalt dienen, besonders ausgezeichnet sein. Sie
muß sich deutlich für das Auge von den umgebenden Formen scheiden. In
ihr muß sich die Grundeigenschaft aller Körper — die Undurchdringlichkeit
und der feste Zusammenhang der Masse — ebenso ungehemmt kundgeben,
wie die sinnvolle Differenzierung der Teile, die uns den lebendigen Körper
bezeichnet. So wird die reine — d. h. die wesentlich im Aufbau und in der
Verbindung von Formen gipfelnde Plastik — stets gewisse elementare Züge
aufweisen: eine bestimmt zusammenfassende Silhouette und ein gedrängtes
Volumen, das übersichtliche Teilungen und planmäßig eingeordnete Glieder
beleben. Diese plastischen Forderungen lassen sich vornehmlich an jenen
ruhigen Stellungen und Körpermotiven verwirklichen, auf die die ägyptischen
Künstler beständig zurückgreifen.
Gewiß sind unter solchen Kunstanschauungen die Grenzen der Rundplastik
eng gesteckt. So haben denn beweglichere Völker — zuerst die Griechen —,
bei denen auch die Tradition weniger geheiligt war als in Ägypten, der Kunst
neue Aufgaben zugeführt. Dabei mußten sie allerdings von der altägyptischen,
rein plastischen Begründung der Figuren abstehen und außerkünstlerisch,
nämlich psychologisch bestimmte, aus Affekten und Handlungen fließende
Figurenmotive zulassen. Solche Motive verwiesen die Ägypter mit ganz
seltenen Ausnahmen — wie einige dem Relief entlehnte Gruppen und die
anekdotischen, fast nur in kleinerem Maßstab gearbeiteten Dienerfiguren —
in die Reliefplastik. Hier finden sich athletische und Kampfdarstellungen und
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in ihnen, im Gegensatz zu den reicheren, aber weniger konzentrierten Stilen,
das Plastische in einem besonderen Sinne entwickelt wurde. Daß es sich hier
um prinzipielle Stilunterschiede, nicht um Entwicklungsstadien handelt, beweist
das Aufkommen und die Verbreitung eines solchen rigorosen Stils, des
romanischen, dicht hinter der bewegten spätantiken Plastik. Einen ähnlichen
Stilwandel erleben wir in der gegenwärtigen Kunst.
Die ägyptischen Künstler gingen von wesentlich plastischen Voraussetzungen
aus. Plastik ist reale Körpergestaltung; das ihr eigentümliche Material, in
dem sie schafft, sind Formvorstellungen, die sich, auf einen widerstandsfähigen
Stoff übertragen, an Menschen- und Tiergestali auswirken. Je eindringlicher
sich die plastische Kraft der Formen mitteilt, desto gültiger ist das Werk.
Wenn nun eine Figur ganz durch sich selbst und ohne andere Assoziationen
rein als plastisches Gebilde wirken soll, müssen in ihr all die Momente, die
dem Raumeindruck der Gestalt dienen, besonders ausgezeichnet sein. Sie
muß sich deutlich für das Auge von den umgebenden Formen scheiden. In
ihr muß sich die Grundeigenschaft aller Körper — die Undurchdringlichkeit
und der feste Zusammenhang der Masse — ebenso ungehemmt kundgeben,
wie die sinnvolle Differenzierung der Teile, die uns den lebendigen Körper
bezeichnet. So wird die reine — d. h. die wesentlich im Aufbau und in der
Verbindung von Formen gipfelnde Plastik — stets gewisse elementare Züge
aufweisen: eine bestimmt zusammenfassende Silhouette und ein gedrängtes
Volumen, das übersichtliche Teilungen und planmäßig eingeordnete Glieder
beleben. Diese plastischen Forderungen lassen sich vornehmlich an jenen
ruhigen Stellungen und Körpermotiven verwirklichen, auf die die ägyptischen
Künstler beständig zurückgreifen.
Gewiß sind unter solchen Kunstanschauungen die Grenzen der Rundplastik
eng gesteckt. So haben denn beweglichere Völker — zuerst die Griechen —,
bei denen auch die Tradition weniger geheiligt war als in Ägypten, der Kunst
neue Aufgaben zugeführt. Dabei mußten sie allerdings von der altägyptischen,
rein plastischen Begründung der Figuren abstehen und außerkünstlerisch,
nämlich psychologisch bestimmte, aus Affekten und Handlungen fließende
Figurenmotive zulassen. Solche Motive verwiesen die Ägypter mit ganz
seltenen Ausnahmen — wie einige dem Relief entlehnte Gruppen und die
anekdotischen, fast nur in kleinerem Maßstab gearbeiteten Dienerfiguren —
in die Reliefplastik. Hier finden sich athletische und Kampfdarstellungen und