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§8242

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wurde. Als der Anstallsleiter noch ein-
mal auf die im Osten des Gehöstes lie-
gende Wiese hinausging, um nach etwa
noch drautzen befindlichen Anstaltsinsassen
zu sehen, zog er das Feuer des ganzen
Zuges auf sich. Die Kugeln pfiffen um
ihn herum. Tie Ruffen drangen dann
in den Hof ein, zündeten die Scheune an
nnd schoffen blind in die Fenfter der
Häuser hinein. Mer Kranke wurden ver-
wundet, zwei fortgeschleppt, einer von
ihnen noch auf dem Felde erstochen. Das
nahe Rastenburg war inzwischen vom
Feinde besetzt. Am nächsten Tage begab
fich Pfarrer Dembowski dorthin, um
vom russischen Gouverneur die Freilaffung
des fortgeschleppten Kranken zu erbitten.
Mit ihm fuhren der Anstaltsarzt vr. Ehr-
hardt und ein Kranker, der aus Moskau
stammte und dolmetschen sollte. Mit
dem Kutscher waren es vier Männer, die
noch einigermaßen alle das Militäralter
hatten. Viele russische Soldaten lagerten
an der Chaussee und öster klang der Ruf:
„Soldat, Soldat!" an ihr Ohr. 2n
Raftenburg war der Gouverneur nicht auf
dem Rathause zu finden, aber der Bürger-
meister und eine ganze Reihe angesehener
Männer der Stadt wurden dort als Gei-
seln festgehalten. Der Gouverneur sollte
im Gestüt sein. Vor diesem hielten rus-
sische Soldaten und ein berittener russischer
Osfizier, die eine Anzahl Zivilaefangener
aus Rastenburg fortfükren sollten. Aus
Befragen sagte der Offizier, der Gouver-
neur wäre nicht zu sprechen, man solle

ja nicht denken, die Ruffen wären ge-
kommen, um hier zu helfen. Als der
Anstaltsleiter sich als Vorsteher einer
Krankenanstalt vorstellte, der gekommen
sei, um einen fortgeschleppten Kranken
loszubitten, befahl der Offizier, den An-
staltsleiter, weil er Dembowski heiße und
daher Pole sei, und den Kranken, da er
russtsch könne und somit Russe sei, ge-
fangen zu nehmen. Herrn Or. Ehrhardt
und Lehrerinnen der Anstalt für Schwach-
sinnige in Rastenburg gelang es jedoch,
beide wieder loszubitten.

Die von den Ruffen angezündete
Scheune mit der ganzen reichen Ernte ver-
brannte vollständig, obgleich alles, was
Hände hatte, stch rührte, um den Flammen
ihren Raub zu entreißen. Nachdem zwei
Tage und eine Nacht gelöscht war, gelang
es, die Umfassunasniauern des ebenfalls
vom Feuer crgriffenen danebenstehenden
Stalles zu retten und das Fcuerzu dämpfen.
Verschiedene Male hatte die Änstalt nun
Besuch vom Feinde, der immer vermutete,
daß in den großen Häusern Soldaten ver-
fteckt sein könnten. Der Befehl, auch den
Speicher noch anzuzünden, wurde auf in-
ständiges Bitten eines Pflegers, der stets
den Ruffen entgegenging, mit ihnen ver-
handelte und manchen Schaden verhütete,
wieder zurückgenommen.

Am 1. September zeigten sich nach noch
mehreren Einfällen und viel heißer Sorge
endlich die ersten deutschen Patrouillen und
deutsche Autos Am 2. September machten
russische Dragoner der Anstalt noch einen

letzten schrecklichen Besuch. Mit Jubel
wurden die ersten deutschen Truppen be-
grüßt.

Beim zweiten Einfall wurden die
Ruffen vor der Feste Lötzen und vor
Angerburg aufgehalten. Fast ununter-
brochen dröhnte viele Monate der Kano-
nendonner herüber. Der große Sieg tzin-
denburgs in der Winterschlacht ließ ihn
verstummen.

Unendliche Werte sind in der Provinz
Ostpreußen zugrunde gegangen. Das von
jedem Deutschen so heißgeliebte Vater-
land wird nach Kräften die geschlagenen
Wunden heilen. Viele Städte Deutsch-
lands haben sich bereit erklärt, Patenschaft
über verwüstete Ortschaften Ostpreußens
zu Lbernehmen und deren Wiederaufbau
zu fördern — Karlshof hat durch den Ein-
fall der Russen einen Schaden von reich-
lich 1iX> 001./« gehabt. Die Anstalten sind
auf Wohltätigkeit gegründet und auf Kol-
lekten in den Provinzen Ost- und West-
preußen angewiesen. Die Bewohner der
verwüsteten Landstrecken wcrden aber
Jahre hindurch an ihrer eigenen Not
schwer zu tragen haben. Darum W die
Anstalt für einige Zeit auf edle Wohl-
tätigkeit außerhalb der Heimatprovinz
angewiesen.

Herr Generalsuperintendent Schött-
ler in Königsberg i. P. und der An-
staltsleiter Pfarrer und Geheimer Rat
DembowskiinKarlshofbei Rasten-
burg (Ostpreußen) nehmen dnnkbar Gaben
an und geken gern Äuskunft.

Von «1er koekrelr «1er k.cickskr»nrlerrsckt«r von vrtkmann ?ioUn7eF rnit cteni Legationsfekretar Grafen von Surkersrocl»,

Der Bater führt die Braut nach der Dorftirche zur Trauung. Phot. R. Sennecke.

Unberechtigter Nachdruck aus dem Jnhalt dieser Zeitschrift untersagt. — Ubersetzungsrecht vorbehalten. — Für die Rücksendung unverlangt
eingesandter Beiträge steht die Echriftleitung des Taheim nur ein, wenn die für eingeschriebene Briefe erforderlichen deutschen Freimarken
beigelegt sind.—Herausgeber: Hanns v. Zobeltitz, Paul Oskar Höcker und I. Höffner. — Für die Schriftleitung veranttoortlich (i. V.i:
Hanns v. Zobeltitz in Berltn. — Briefe nur: Än die Schriftleitung des Daheim in Berlin >V. A), Tauentzienstratze 7b, ohne Hinzn-
fugung eines Ramens. — Anzeigen: An die Daheim-Erpedition (Velhagen LKlastng) in Leipzig, Hospitalstratze27. — Verlag der Daheim-
Erpedltion (Velhagen L Klasing) in Leipzig. — Druck von Fischer K Wittig in Leipzig.
 
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