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ihm etwas zurufen, aber der Wind schneidet ihm die Laute
von den Lippen ab..

Jetzt wird's ernst. Kanonengebrumm. Lärm. Der Doppel-
decker tommt in die Nähe der beiden Fronten. Jetzt gilt es
aufzumerken. Jst es doch die Aufgabe des Beobachters, die
feindlichen Stellungen zu erkunden, um der deutschen schweren
Artillerie die richtigen Ziele zu weisen. Der kleine Ober-
leutnant denkt noch einige Augenblicke darüber nach, der wie-
vielste Flug es wohl ist, den er gerade erledigt. Der schwerste
ist es sicher nicht im Vergleich zu den schwierigen Karpathen-
flügen, die seinem Vogel manche Schrapnellwunde, ihm das
„Eiserne Erster" einbrachten.

„Achtung!"

Der Flugzeugführer hat schnell den Kopf herumgewendet.
Wie ein unverständlicher Laut springt das Wort an der Stirn
des Begleiters vorbei. Eine kleine Wolke steht dicht unter
dem Flugzeug im Blau.

„Schrapnells!"

Der Oberleutnant lacht grimmig.

„Höher!"

Seine Hände machen den photographischen Apparat auf-
nahmefähig.

Knall auf Knall.

Dort ist der schnell aufgeworsene deutsche Schützengraben.

3!ach einstündiger Fahrt landet der Doppeldecker hinter
der deutschen Front.

Der Oberleutnant beeilt sich, seine Meldungen zu machen.
Er sieht noch, wie sie seinen ausgestiegenen Führer auffangen.
Ein Schrapnell hat ihm die linke Lunge dicht über dem Herzen
durchbohrt. Und noch eine ganze, lange Stunde hindurch hat
er das Steuer nicht au; den Händen gegeben!

Zwölf Löcher neben dem Steuersitz weist die linke, untere
Tragfläche auf. Und der Benzinbehälter trägt eine feine,
blinkende Streifschußschramme. Das ist noch einmal wieder
gut gegangen! Die Löcher werden sorgfältig verklebt, das
Datum wird auf die Tragfläche geschrieben. Dann schieben
krästige Fäuste den unbeholfenen Vogel wieder in seinen
Schuppen hinein.

Meldung an die Division, Meldung an die Brigade.
Befehle werden durch die Feldfernsprecher weiter an die Re-
gimenter gegeben.

Nach gründlicher Artillerievorbereitung sollen am Abend
die „Russenterrassen" gestürmt werden. Jhre Lage ist jetzt dem
Kommandierenden genau bekannt, die schweren Mörser und
die Feldartillerie erhalten ihre Weisungen. Man weiß, daß
gegen die Überzahl der deutschen Kanonen der Feind wehrlos
sein muß. Und dann noch ems, was zu Gunsten der Ver-

Er vergleicht das Landschaftsbild mit der Zeichnung der
Generalstabskarte. Dort läuft die breite Straße von Norden
nach Süden bis Bursztyn. Flügelwellen schieben sich von
Osten her ins Gelände, grüne flache Kuppen, baum- und
laubwaldbestandene Erhebungen, niedere Berge. Und dort
liegt der Feind! Tadellos hat er sich an den Berglehnen
verschanzt und eingegraben. Prächtig und klar ist das Bild,
das man von der Höhe aus von seinen Schützengräben ge-
winnen kann. Drei- und vierfach hintereinander liegen wie
Terrassen die russischen Stellungen, die Artillerie selbst fteht,
gegen Fliegersicht gedeckt und nicht zu erspähen, hinter den
Höhen.

Schnell einige Striche in die Karte, so und so. Einige
Aufnahmen mit dem Apparat. Eile tut not; denn der russische
Beobachter lenkt das Geschützfeuer sicher, die letzten Schrapnells
prasseln bereits in verdächtiger Nähe um den schwirrenden
Vogel.

Das wird schwere Arbeit geben, die Russenterrassen heute
noch zu stürmen, denkt der Oberleutnant. Aber der Weg nach
Osten muß frei werden.

Fast reißt es ihn vom Sitze.

Es wird bunt.

Er greift nach seinem linken Arm, betastet ihn, hebt die
gefallene Kartenskizze wieder auf; schaut nach dem Benzin-
behälter, lauscht dem Gang des Motors.

Was war denn los?

Der Führer sitzt tief vornübergeneigt.

Um Gotteswillen, was ist?

Der wendet sich um, lächelt ihm zu. Sein Gesicht ist blaß
und starr wie nie. Er steuert weiter.

„Zurück!" ....

bündeten in die Wagschale fällt: nicht nur der Mangel an
Artillerie und Munition, vor allem die Entmutigung der
russischen Armee, die nun bereits acht Wochen immer wieder
dem siegreichen Gegner das Feld räumen muß. Das ist das
furchtbarfte für den slawischen Feind.

Starr in sengender Glut steht der Mittag über dem ernte-
reifen Lande. Wie eine schwere Mattigkeit hat es beide Truppen-
teile überfallen, eine Mattigkeit, gegen die sich keiner wehren
kann. Nur die aufgestellten Wachen an den Schießscharten der
Schützengräben halten scharfen Auslug gegen den Feind,
während die andern in der Tiefe der Eräben nach Schatten
suchen und alarmbereit hingekauert ausruhen. Jeder weiß,
welche Blutarbeit der Abend bringen wird und welchen Sieg
er wieder verheißt. Jede Stunde dor Ruhe ist kostbar.

Auch die Artillerie schweigt. Tiefste Ruhe ist über das
Land gebreitet, die zerschossenen Ortschaften, die das Auge
erblickt, träumen, menschenleer, mit verbrannten Dächern und
Giebeln, mit einsam ragenden Kaminen; zerspellt stößt ein
Kirchturm ins flimmernde Blau.

Ob der Russe den geplanten Sturm ahnt? Er glaubt
vielleicht den deutschen Doppeldecker mit seiner Artillorie ver-
trieben zu haben, schanzt stch noch tiefer ein in den ausge-
trockneten Boden und rüstet sich weiter zur Abwehr.

Die Unruhe und die Ungewißheit sind fürchterlich. Poinigend
das Warten bis zum hereinbrechenden Abend. Weiß man
doch nicht einmal, ob nicht der Feind selbst einen Sturm-
angriff unternehmen wird. Wie ein Aufatmen ist es darum,
als endlich am Spätnachmittag pünktlich zur bestimmten Zeit
dio ersten Geschütze mit ihren eisernen Gesängen einsetzen.
Truppen neueingesetztor Regimenter, die vor wenigen Tagen
erst nach mehrmonatlicher Ausbildung aus der Heimat kamen,
 
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