Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lcite 2 NNSLiÄNdL-NN-Ä-DNSkrSANNSrNNNNrNN-TLLRrlLN

Nr. 1».

ständig war aber die allgemeine überraschung der ganzen
Welt, als am 19. Januar der Telegraph die Kunde brachte,
die Herrscher von Deutschland und Bulgarien hätten gemein-
schafllich eine Parade über bulgarische Truppen abgehalten.

Kaiser Wilhelm und Zar Ferdinand hatten stch aus dem
Bahnhof getroffen und waren dann bei strahlendem Sonnen-
schein mit großem Gefolge unter dem Jubel der spalierbildenden
Truppen und von den größtenteils aus Bulgaren und Türken
bestehendcn Einwohnern der Stadt tücherwinkend begrüßt, zum
Paradeplatz gefahren. Hier zeigte derKaiser ein ganz besonderes
Jnteresse für die mazedonischen Abteilungen von König Ferdi-
nands Armee. Er unterhielt sich mit jedem Osfizier und >edem
Soldaten und fragte sie, ob ste zufrieden seien, daß ihr Land
befreit sei. Zum Schluß Lberreichte er dem bulgarischen Zaren
den Feldmarschallstad, wobei er auf deutsch sagte, er sei be-
geistert von der Tapferkeit der bulgarischen Armee und ihrer
glänzenden Teilnahme an dem gemeinsamen Werk.

Auf dem ganzen Balkan war in diesen Januartagen von

auch im Besitz der tapferen Truppen des Generals Koeveß!
— Diese letzte Tatsache war für die Jtaliener ganz besonders
schmerzlich. Die Kriegshetzer in Jtalien hatten im Sommer
vorigen Jahres hauptsächlich dadurch die Leidenschaften ihrer
Volksgenossen aufgepeitscht, daß sie vom Adriatischen Meer
immer nur als dem ölare uostro („Unserm Meer") gesprochen
hatten: seine beiden Küsten gehörten von Rechts wegen zu
Jtalien; Dalmatien selbstverständlich, von Triest an bis zu den
Meerengen von Cattaro, aber auch ganz Albanien müsse dem
italienischen Reiche einverleibt werden! Ach, und wie ganz
anders ist alles gekommen, als man gehofst und geglaubt
hatte. Fast dreiviertel Jahre stnd vergangen, und noch rmmer
stürmen die italienischen Truppen vergeblich gegen den Brücken-
kopf von Goerz und die ganze Jsonzolinie. Und nun müffen
die Jtaliener erleben, daß nicht nur sie im Norden nicht vorwärts
kommen, sondern daß im Gegenteil weiter im Süden ihre Feinde
einen Borteil nach dem andern erringen! Erst den Lowtschen, der
für ein uneinnehmbares Bollwerk des Slawentums auf der

R

Parade bulgarischer Truppen vor Kalser Wilhelm II. Phot. A. Grohs.

88

nichts anderem die Rede als vom deutschen Kaiser: erst von
seinerParade in Nisch, dann von seiner Besichtigung Belgrads
und dessen altberühmter Burg und schließlich seiner Donaufahrt
stromabwärts durch den Kasanpaß bis nach Orsowa. Nun
wußte jedermann: der Vierverband hatte wieder einmal
jämmerliche Lügen in die Welt gesetzt; Kaiser Wilhelm war
nicht nur nicht lebensgefährlich krank, wie so geheimnisvoll
angedeutet worden war, sondern war gesund und frisch wie
nur je, und die Sache der Zentralmächte stand gut, sehr gut!
Die Parade in Nisch war tatsächlich das Siegel auf den Zu-
sammenbruch Serbiens!

Ganz besonders unterstrichen wurde der große Eindruck
des Tages von Nisch auf den nahen Orient noch dadurch,
daß unmittelbar danach das montenegrinische Heer kapitulierte.
König Nikita und ein Teil seiner Familie entflohen freilich
nach Frankreich, und zwei montenegrinische Generäle mit
einigen Tauscnd ihrer Soldaten schloffen sich der Kapitulation
nicht an, sondern wichen nach Albanien aus, um sich dort mit
serbischen und italienischen Truppen zu vereinigen. Ader
beides ist ohne jeden Belang, denn das montenegrmische Heer
hat tatsächlich ausgehört zu bestehen, und das ganze Ländchen
ist bereits in allen seinen wichtigen Punkten von den Truppen
Osterreich-Ungarns besetzt. Nachdem der Lowtschen erstürmt
war, dauerte es nur wenige Tage, bis Rijeka und das am
Skutarisee gelegene Virpazar besetzt wurden, und wieder nur
wenige Tage vergingen, bis auch über den Städten
Antivari und Dulcigno die österreichisch-ungarischen Fah-
nen wehten. Die beiden einzigen Häfen, die Monte-
negro am Adriatischen Meere beseffen hatte, waren also

Wacht gegen Osterreich-Ungarn angesehen wurde, dann Anti-
vari und Dulcigno, und wie lange wird es dauern, bis die
Heere des Generals Koeveß auf albanisches Gebiet über-
greifen und weitere Häfen besetzen, San Giovanni di Medua,
Durazzo, vielleicht gar Valona!

Zuvor handelt es stch freilich erst noch um Skutari, da
diese befestigte Stadt das Tor zu Albanien bildet. Schon
durch seine Lage am See, an der Bojana und am Alten Drin
ist Skutari sür die weitere Entwicklung der Kämpfe auf dem
Balkan von dem gleichen Wert, den diese Stadt im Balkan-
kriege von 1913 gehabt hat; wichtig aber ist es besonders,
weil es durch den Berg Tarabosch eine beherrschende Stellung
am Skutarisee einnimmt.

Der Taraboschberg, der ungesähr 970 Meter hoch ist und
westlich von Skutari liegt, ist für dlese Stadt eine Art natür-
liche Bergfestung und Verteidigungsstellung, deren großer
Wert im Jahre 1913 bei der Verteidigung durch die Türken
in vollem Umfange erkannt werden konnte. Der Tarabosch
hat für Skutari etwa dieselbe Wichtigkeit wie der Lowtschen
für Cattaro. Ohne den Besitz des Taraboschberges wäre der
Besttz von Skutari bedeutungslos, da der Tarabosch die ganze
Umgebung völlig beherrscht und durch weittragende Geschütze
zu einem gefährlichen Stützpunkt einer Heeresmacht ausge-
staltet werden könnte. Ob aber überhaupt beziehungsweise
wie weit Befestigungsmaßnahmen dieses auf albanischem
Boden befindlichen Berges während der Kriegszeit fortge-
schritten sind, ist nicht bekannt geworden. Nun, es wird wohl
nicht allzulange dauern, bis w>r auch hierüber genau unter-
richtet sind.
 
Annotationen