monika aus der Tasche und blies sein wallendes Blut in
die Silberstimmen: Ach wie ist's möglich dann —
Und Hedken schauerte wieder zusammen und sagte an
seinem Ohr: „Mi grugelt so. Jck bün noch nie un nie wo
weest, wo ein afstorwen is."
Hinrik hörte nicht darauf, blies sein Liebeslied weiter
und machte die dicken Lippen weich und ließ die Melodie
so zart und schmachtend ausgehen, daß Hedken ihn in den
Arm kniff und schrie: „Minsch, lat dat Speel wesen. Jck
hull dat nich ut; dat geiht mi dörch as en Metz. Dat brekkt
mi dat Hart."
Aber schon machte Korthals, der Nachtwächter, dem
Geziehe ein Ende und riß das Liebesspiel kurz und klein.
Dann als er auf der Dorfstraße die alte Orgelpfeife schrillen
ließ wie ein Käuzchen um Mitternacht, riß sich Hedken von
Hinrichs Brust.
„O du min leiwe Tid. Nu möt ick binnen. Wenn ein
kümmt un findt mi nich to Bedd —"
Damit ließ sie Hinrich ohne Kuß und Abschied stehen
und lief, daß die Pantoffeln flogen.
Der Knecht dammelte verliebt aus dem Garten, dem
Hof und seinem Stall zu, liebkoste seine rote Deern noch in
Gedankenmit allerlei zärtlichen Worten, bis ihm die Flasche
ins Gedächtnis kam und er bei den Pferdeställen in eine
Nische trat, um zu probieren, ob es wieder die alteSorte wäre.
Der Pfropfen knallte. Ein paar Spatzen unter dem
Gesims wachten aus ihrem Schlummer auf, und Hinrik
Sewentritt setzte an. Als statt des süßen Mets herber Rot-
wein und nicht vom besten in die Gurgel lief, spuckte und
schimpfte er, aber verstummte plötzlich und riß die Augen
auf, denn Jnspektor Olböter, der die Ställe nachsah, stand
vor ihm und fragte: „Na, Sewentritt, wat kruppst du denn
hier herüm? Wat hestu hier to daun?"
Der Knecht hielt die Flasche auf den Rücken, aber in
der Verwirrung verkehrt, und während hinter ihm der Wein
zu Boden pladderte, stotterte er: „O, Herr Jnspektor, Vat
kann ick jo nich seggen."
Olböter drohte ihm mit dem Reitstock: „Du büst un du
bliwwst en Hans Lufft. Hürst du nich, wo din Ossen brüllen?
Scher dir man forts in den Stall."
Eine Weile danach saß Hinrik Sewentritt auf seinem
Bettrand im Ochsenstall, dicht unter der Balkendecke, ließ
die bloßen Füße baumeln und sagte in das Dunkel, aus
dem das Atmen und Wiederkäuen der Rinder kam: „Dat
ward doch nir bedüden? Jrst söt, denn suer?"
Ein Lichtschein fiel durch das Stallfenster und spielte
im Gebälk. Der kam aus der Jnspektorwohnung, wo Ol-
böter in ähnlichen Gedanken saß wie sein Ochsenknecht. Er
hatte die Ellenbogen auf den Knien und die Hände gefaltet,
die Reitstiefel standen vor ihm mit zusammengeknickten
Schäften wie zwei müde Ackergäule, und seine Verliebtheit
war um Schwester Mathilde wie ein Fisch bei der Angel.
Jrst söt, denn suer — Olböter, der Verliebte, hatte
einen schweren Stand gegen Olböter, den Junggesellen, der
ihm hart zusetzte und ihn anging mitHieb und Stich. „Manch
einer hat eine hornmäßige Dummheit gemacht und ist am
Sprenkel kleben geblieben und hat im Bauerchen gesessen
sein Leben lang. Ein Junggeselle ist sein eigener Herr,
und zwei brauchen mehr als einer. Und was drum und
dran hing und was nachkam. Ein Pferd hat seine Mucken,
aber eine Frau noch viel mehr. Und wenn du Vater wirst,
Olböter, und wenn was in der Wiege schreit die ganze Nacht,
und du mußt es gängeln mitten zwischen Wachen und Traum
und am Morgen in der Früh in die Wirtschast und aufs
Feld und wackelst beim Reiten als wärst du von Holz. Es
gibt auch Zwillinge und Drillinge in der Welt, und es gibt
Leute, auf die regnet es mit Scheffeln. Olböter, Freund
und Bruder, es gibt Wege, von denen weiß keiner, wo sie
enden; auf den Wiesen, zwischen den Blumen fangen sie an,
das ist immer so, und die Vögel singen und die Schmetter-
linge fliegen, aber da hinten, da liegt ein Dickicht und ein
Sumpf. Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang."
Der helle Schweiß stand ihm auf der Stirn; er hielt
sich die Ohren zu. Er rief in das Zimmer: „Äber im Alter,
wer ist im Alter gern allein?" Und der Junggeselle ant-
wortete, zuckte die Achseln und höhnte: „Wem nichtzu raten
ist, dem ist nicht zu helfen. Reisende Leute soll man nicht
aufhalten. Jch hätte einen andern Wechsel nehmen sollen,
sagte der Fuchs, da saß er im Tellereisen."
Olböter fuhr hoch und drohte in die Luft: „Dat is to
toll. Nu is dat naug. Meinst du, ick heww min Schick nich
mehr, du dammligen, iwerböstigen Kirl. Altoveel ward
för di nich mehr affallen, wenn ick irst friggt heww. Nu
scher di forts wech."
Er klapperte mit den ledernen Pantoffeln die Dielen
auf und nieder, die Waden strammten sich in jugendlicher
Kraft in den engen, über den Enkeln zugeknöpften Reit-
hosen, und sein Brustkasten arbeitete wie der seines Braunen,
wenn er ein oder zwei Kilometer im Galopp gegangenwar.
Festmachen, das ging wohl nicht. Sacht und sanft,
das war besser als Hals über Kopf. Der sanfte Regen der
ging am tiefsten; wenn er so von oben herunterpladderte.
die Silberstimmen: Ach wie ist's möglich dann —
Und Hedken schauerte wieder zusammen und sagte an
seinem Ohr: „Mi grugelt so. Jck bün noch nie un nie wo
weest, wo ein afstorwen is."
Hinrik hörte nicht darauf, blies sein Liebeslied weiter
und machte die dicken Lippen weich und ließ die Melodie
so zart und schmachtend ausgehen, daß Hedken ihn in den
Arm kniff und schrie: „Minsch, lat dat Speel wesen. Jck
hull dat nich ut; dat geiht mi dörch as en Metz. Dat brekkt
mi dat Hart."
Aber schon machte Korthals, der Nachtwächter, dem
Geziehe ein Ende und riß das Liebesspiel kurz und klein.
Dann als er auf der Dorfstraße die alte Orgelpfeife schrillen
ließ wie ein Käuzchen um Mitternacht, riß sich Hedken von
Hinrichs Brust.
„O du min leiwe Tid. Nu möt ick binnen. Wenn ein
kümmt un findt mi nich to Bedd —"
Damit ließ sie Hinrich ohne Kuß und Abschied stehen
und lief, daß die Pantoffeln flogen.
Der Knecht dammelte verliebt aus dem Garten, dem
Hof und seinem Stall zu, liebkoste seine rote Deern noch in
Gedankenmit allerlei zärtlichen Worten, bis ihm die Flasche
ins Gedächtnis kam und er bei den Pferdeställen in eine
Nische trat, um zu probieren, ob es wieder die alteSorte wäre.
Der Pfropfen knallte. Ein paar Spatzen unter dem
Gesims wachten aus ihrem Schlummer auf, und Hinrik
Sewentritt setzte an. Als statt des süßen Mets herber Rot-
wein und nicht vom besten in die Gurgel lief, spuckte und
schimpfte er, aber verstummte plötzlich und riß die Augen
auf, denn Jnspektor Olböter, der die Ställe nachsah, stand
vor ihm und fragte: „Na, Sewentritt, wat kruppst du denn
hier herüm? Wat hestu hier to daun?"
Der Knecht hielt die Flasche auf den Rücken, aber in
der Verwirrung verkehrt, und während hinter ihm der Wein
zu Boden pladderte, stotterte er: „O, Herr Jnspektor, Vat
kann ick jo nich seggen."
Olböter drohte ihm mit dem Reitstock: „Du büst un du
bliwwst en Hans Lufft. Hürst du nich, wo din Ossen brüllen?
Scher dir man forts in den Stall."
Eine Weile danach saß Hinrik Sewentritt auf seinem
Bettrand im Ochsenstall, dicht unter der Balkendecke, ließ
die bloßen Füße baumeln und sagte in das Dunkel, aus
dem das Atmen und Wiederkäuen der Rinder kam: „Dat
ward doch nir bedüden? Jrst söt, denn suer?"
Ein Lichtschein fiel durch das Stallfenster und spielte
im Gebälk. Der kam aus der Jnspektorwohnung, wo Ol-
böter in ähnlichen Gedanken saß wie sein Ochsenknecht. Er
hatte die Ellenbogen auf den Knien und die Hände gefaltet,
die Reitstiefel standen vor ihm mit zusammengeknickten
Schäften wie zwei müde Ackergäule, und seine Verliebtheit
war um Schwester Mathilde wie ein Fisch bei der Angel.
Jrst söt, denn suer — Olböter, der Verliebte, hatte
einen schweren Stand gegen Olböter, den Junggesellen, der
ihm hart zusetzte und ihn anging mitHieb und Stich. „Manch
einer hat eine hornmäßige Dummheit gemacht und ist am
Sprenkel kleben geblieben und hat im Bauerchen gesessen
sein Leben lang. Ein Junggeselle ist sein eigener Herr,
und zwei brauchen mehr als einer. Und was drum und
dran hing und was nachkam. Ein Pferd hat seine Mucken,
aber eine Frau noch viel mehr. Und wenn du Vater wirst,
Olböter, und wenn was in der Wiege schreit die ganze Nacht,
und du mußt es gängeln mitten zwischen Wachen und Traum
und am Morgen in der Früh in die Wirtschast und aufs
Feld und wackelst beim Reiten als wärst du von Holz. Es
gibt auch Zwillinge und Drillinge in der Welt, und es gibt
Leute, auf die regnet es mit Scheffeln. Olböter, Freund
und Bruder, es gibt Wege, von denen weiß keiner, wo sie
enden; auf den Wiesen, zwischen den Blumen fangen sie an,
das ist immer so, und die Vögel singen und die Schmetter-
linge fliegen, aber da hinten, da liegt ein Dickicht und ein
Sumpf. Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang."
Der helle Schweiß stand ihm auf der Stirn; er hielt
sich die Ohren zu. Er rief in das Zimmer: „Äber im Alter,
wer ist im Alter gern allein?" Und der Junggeselle ant-
wortete, zuckte die Achseln und höhnte: „Wem nichtzu raten
ist, dem ist nicht zu helfen. Reisende Leute soll man nicht
aufhalten. Jch hätte einen andern Wechsel nehmen sollen,
sagte der Fuchs, da saß er im Tellereisen."
Olböter fuhr hoch und drohte in die Luft: „Dat is to
toll. Nu is dat naug. Meinst du, ick heww min Schick nich
mehr, du dammligen, iwerböstigen Kirl. Altoveel ward
för di nich mehr affallen, wenn ick irst friggt heww. Nu
scher di forts wech."
Er klapperte mit den ledernen Pantoffeln die Dielen
auf und nieder, die Waden strammten sich in jugendlicher
Kraft in den engen, über den Enkeln zugeknöpften Reit-
hosen, und sein Brustkasten arbeitete wie der seines Braunen,
wenn er ein oder zwei Kilometer im Galopp gegangenwar.
Festmachen, das ging wohl nicht. Sacht und sanft,
das war besser als Hals über Kopf. Der sanfte Regen der
ging am tiefsten; wenn er so von oben herunterpladderte.