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Nr. «I. Seite 13

öffentliche Meinung Englands dahin, daß man nicht mit dem
deutschen Bolke Krieg führe, sondern seine Wiffenschaft und
Kunft, seine tüchtigen Kaufleute und Techniker sehr wohl zu
schätzen wiffe. Der Kampf gelte nur dem preußischen Mili»
tarismus, von dem man das deutsche Volk befreien müffe.

Heute ist man offenherziger; in der Erregung plaudert
man aus, was man, als die uberlegenheit des Gegners noch
nicht so fühlbar hervorgetreten war, mit allgemeinen Redens-
arten zu bemänteln suchte. Der Kampf gilt dem deutschen
Handel, seiner Jndustrie, der gesamten deutschen Volkswrrt-
schaft; man war von vornherern darauf aus, dem deutschen
Volke die Quellen seines Wohlstandes zu verschütten.

All diese blindwütigen Drohungen, Gelöbnisse, Verein-
barungen der Feinde sind ohne jede Bedeutung, nur aus deren
niederdrückender Lage, aus der Stimmung des Augenblicks
geboren und verrauschen wie alle Stimmungen vor der Macht
der lebendigen Tatsachen.

Wenn die Vierverbandsmächte, unsere heutigen verschwo-
renen Gegner,
mit uns und un-
seren Verbünde-
ten keinen wirt-
schaftlichen Ver-
kehr fürderhin
mehr pslegen
wollten, müßten
sie notgedrun-
gen ihren Wirt-
schaftsbetrieb
auf einer sehr
geschmälerten
Erundlage ein-
richten.

Werfen wir
einen kurzen
Blick auf oie
bisherigen Han-
delsbeziehungen
zwischen uns
und denEntente-
staaten, so sto-
ßen wir auf sehr
rnteressanteZif-
fernreihen. Wir
wollen unserer
Betrachtung
einmal die
durchschnittli-
chen Ein- und
Ausfuhrziffern
des Wirtschafts-
jahres 1910 11
zugrundelegen,
womit das erfte
Jahrzehnt des
neuenJahrhun»
derts abschließt
und das zweite
eingeleitet wird.

Unsere Ein-
und Ausfuhr
nach Frankreich
hielt sich mit 817
bzw.571 Millio-
nen Mark unge-
fähr die Wage,
der Gesamtum»
satz von 1088
Millionen belief sich auf 7 Prozent des französischen Gesamt-
eiaenhandels. Wir erhielten aus Frankrcich vornehmlich
Wein, Seide, Seidenwaren, Wolle, Gemüse, Blumen, Obst,
Häute, Felle, Leder-, Glas-, Goldwaren usw. und schickten dahin
vornehmlich Steinkohlen, Koks, Eisen, Eisenwaren, Chemikalien,
Farbwaren, Maschinen, darunter auch elektrische, Kinderspiel-
zeug usw. Neben den Erzeugniffen seiner Toiletten- und
Lurusindustrie, seinen articles äe Luris, stnd es hauptsächlich
Weine, Blumen, Gemüse, Obst und ähnliche Waren, womit
Frankreich den Austausch bestreitet. All diese Warengattungen
können wir auch aus anderen Ländern beziehen, während es
für die französtsche Volkswirtschast sehr fraglich ist, ob ste für
rhren großen Absatz an Weinen, Seidenwaren u. a. m. nach
Deutschland irgerrd anderswo einen entsprechenden Markt
findet. Natürlrch würde stch auch unsere Ausfuhr an Kohlen,
Eisenwaren, Maschinen, Chemikalien, die bisher der franzö-
sische Markt aufnahm, etwas verringern, da aber unsere Aus-
fuhrerzeugnisse einen viel höheren Gebrauchswert haben als
die französischen Lurusartikel, so werden wir sie leichter unter-
bringen, besonders wenn die wirtschaftlichen Beziehungerr mit
unseren Verbündeten des Ostens besser ausgebildet sein werden.

L2. Jahr,. Mr. 41.

Wir erhielten aus Jtalien 280 Millionen und schickten
nach dort 336 Millionen, Gesamtumsatz 616 Millionen Mark,
ungefähr 13 Prozent des ttalienischen Gesamteigenhandels;
Italien lieferte uns vornehmlich Wein, Seide, Seidenwaren,
Gemüse, Blumen, Obst, Südfrüchte wie Apfelsinen, Mandeln,
Zitronen, ferner Eier, Hanf, Äsphalt, Schwefel, Marmor usw.
und führte aus Deutschland ein: Steinkohlen, Koks, Eisen,
Eisenwaren, Chemikalien, Farbwaren, Maschinen, Kupfer-
waren und Erzeugniffe aus anderen unedlen Metallen,Kin-
derspielzeug usw. Jtaliens Ausfuhr besteht überwiegend aus
Landeserzeugniffen, die wir auch aus anderen klimatisch ähn-
lich gelegenen Ländern jederzeit erhalten können. Gerade die
wichtigsten Artikel wie Weine, Seide, Blumen, Gemüse liefert
Jtalien im Wettbewerb mit Frankreich; beide Länder würden
das deutsche Absatzgebiet schmerzlich vermiffen und stcher manche
deutsche Jndustrieerzeugnisse schwer entbehren oder nur durch
Zwischenhand verteuert erhalten können.

Bei unsern Beziehungen mit Rußland handelt es sich um

cinen großen
Marktmiteinem
Umsatzvon 2121
MillionenMark,
Lber 30 Pro-
zent des russi-
schen Gesamt-
eigenhandels.
Wir bezogen
aus Rußland
für 1473Millio-
nen und liefer-
ten ihm für
619 Millionen
Mark. Hier re-
den die Ziffern
eine eindring-
lichere Sprache.
Die Ausfuhr
aus Rußland
umfaßte allein
an Getreide und
Hülsenfrüchten
über 700 Mil-
lionen Mark, an
Geflügel, Eiern,
Butter, Fischcn
über 180 Mil-
lionen, an le-
benden Tieren
wre Pferden,
Schwernen,
Gänsen, Hüh-
nern, Enten,
über 60 Mil»
lionen, an Holz,
Saatgut, Pel-
zen, HSuten,
Fcllen, Borsten
440 Millionen
nnd an Petro-
leum, Llkuchen,
Erzen, auch fer-
tigen Waren,
wre z. B. Gum-
mischuhen, noch
gegen 130 Mil-
lionen. Ruß-
landlieferteuns
im Austausch
mehr als das Doppelte unserer Ausfuhr dahin.

Wir schickten nach Rußland zumeist halbfertige und fertige
Waren, Earne, Maschinen allerart, Eisen-, Tertil-, Leder-
waren, Motorwagen usw., stcherlich zu sehr vorteilhaften Prei-
sen. Jn den vorangegangenen Jahren hatten die russtschen
Geschästsleute verschiedene Male versucht, von ihren stanzö-
stschen Freunden und aus England die Jndustrieerzeugnrffe
zu beziehen, die wir ihnen lieferten. Sie fanden dabei so
wenig ihre Rechnung, daß sie rnrmer wieder zu ihren deut-
schen Lieferanten zurückkehrten, die dem russtschen Bedarf mit
weit befferem Verständnis entgegenkamen als der übrige aus-
ländische Wettbewerb.

Unser Umsatz mit England belief stch ebenfalls auf nahezu
2 Milliarden Mark, etwa 8 Prozent des englischen Gesamteigen-
handels, wovon gegen 800 Millionen auf unsere Einfuhr fallen
und annähernd 1200 Millionen auf die Ausfuhr. Wir be-
zogen aus England Nahrungs- und Genußmittel wre Fische,
Tran, Talg für 41 Millionen und lieferten nach England
Zucker, Hafer, Mehl, Wein, Hopfen, Margarine für 181 Mil-
Ironen. An Rohstoffen und halbfertigen Waren, Garnen,
Eisen, Kupfer, Steinkohlen, Wolle, Hauten, Fellen, Saaten,

is

Tommy Atkins. Schützenscheibe von Thomas Theodor Heine.
tNuf Vrranlassung eines Münchener Osfiziers wurden von namhaften KLnstlern Tcheiben geschaffen, dar-
unter auch diese, die von Soldaten einer bayrischen Ersatzkompagnie ausgeschossen und dann im Kastno
dieser Truppentcils als Bilderschmuck aufgehüngt wurden.)
 
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