Koblenz stammenden Max Klinger-Schülers Ewald
Müller: am besten, weil am ungesuchtesten, fand ich
seine Architekturen. Endlich ist die Neueröffnung eines
„Kunstsalons Stella“, Kaisersfraße 73, zu melden, der
neben Frankfurter Malern den sonnig frischen Karl
Friedrich Lippmann aus Offenbach ausfiihrlkh zu
Wort kommen läßt: seine »Oberräder Eisenbahn-
brücke«, seine bunt leudifenden Blumensfücke, sein
in dekorativer Pastelltempera groß gemaltes Figuren-
bild »Mutter und Kind« sind Mittelpunkte dieser an sidi
viel versprechenden Eröffnungsschau.
FRITZ HOEBER.
BERLINER KUNSTBERICHT. Diesmal heißt es
beginnen mit einer historischen Ausstellung, da
sie einige Dinge von allerhöchstem Wert enthält:
es ist die Ausstellung zur Geschichte des Holz-
schnitts gemeint, die das Kupferstichkabinett
im März eröffnet hat. Ihre aufklärend-belehrenden
und sonstigen nützlichen Zwecke können uns hier
nicht weiter interessieren, — das, was sie unvergeßlich
madit und köstlich, ist in allererster Hinsicht etwa
ein Dußend Blätter ganz am Anfang der ge-
samten Reihe: erste deutsche Holzschnitte (meist
aus der 1. Hälfte) des 15. Jahrhunderts, und einige
früheste Buchveröffentlichungen aus dem gleichen
Zeitraum. Hat man Verhältnis zu solchen reinen,
unverfälschten, ganz auf graphisch-flächenhaften Aus-
druck gestellten, mit wenigen leidiien Wasserfarben
illuminierten Blättern gewonnen, so sinkt das Folgende,
je weiter man schreitet, immer mehr zusammen, wird
leer und fahl neben solchem herrlichen, geistig-herz-
lichen Leben, und man weiß, daß es sidr um keinerlei
„Entwicklung“ handelt, sondern um progressive Ver-
flachung und „Dekadenz“! Erst am Ende der
ganzen geschichtlichen Folge trifft man wieder auf
Schnitte, die, obwohl ganz anderer Wurzel, dodr
infolge ihrer Sfilgewalf den ersten verwandt erscheinen,
mag man hier an Mundr denken, oder, um Deutsche
zu nennen, an Hecke! und Barlach; von Jüngeren,
die noch zu wenig kunsihistorisdi faßbar, ist hier
abgesehen worden, was sidr verstehen läßt, — wenn
man ihnen als Verwirklichtem einer neuen starken
Holzschnitt-Ausdruckskunst auch wahrlidi den Plaß
gegönnt hätte, der so manchen Belanglosigkeiten
aus der leßtvergangenen Periode eingeräumt worden
ist.
Von allem übrigen steht eine Ausstellung von Werken
W. Kohlhoffs bei Gurlitt unbedingt an der Spiße.
Man kennt ihn von versdiiedcnen Gelegenheiten her
(z. B. aus der leßten Sezessionsausstellung), in soldrer
Breite aber sah man ihn noch nidit. Hier ist man
in der Lage, seine Möglichkeiten besser zu über-
blicken, und man hätte bei längerem Verweilen
mandies anerkennend festzustellen. Andrerseits darf
nicht versdiwiegen werden, (und das ist ungleich
wichtiger zur Bezekhnung der ganzen Künsfler-
ersdieinung), daß man angesidits einer solchen um-
fangreichen Bildersammlung weif besser in der
Lage ist, dem Maler hinter die Maske zu blicken,
als es bisher möglich war. Vielleidrf sagt man das
Entscheidende über ihn in solcher Formulierung:
Kohlhoff will Mystiker sein, bringt es aber nur bis
zum Spiritisten. Das Visionäre, also geistiges Er-
eignis, geistige Anlage, sucht er stets, — ob auf-
ridrfig oder unaufrichtig, wage idr nidrt zu entsdreiden,
— Tatsache ist jedenfalls, daß seine Kräfte ver-
sagen, daß er nichts weiter erreidrf, als eine
geisterhafte Atmosphäre um seine Figuren herum-
zuweben. Es hilft ihm nidifs, daß er auf den
Spuren Grecos das Visionäre, das dieser wirklidi
hafte, zu erjagen sucht, daß er seine F arben magisch
phosphoreszieren läßt, — es wird nie mehr als Ge-
spenstisches gewonnen; aber audr aus dem Gespensfisdien
sind nicht alle Bilder gewadisen, manche verraten
unzweideutig eine sfimmungsmäßige Drapiertheit, sie
beweisen eine fechnisdie Malgewohnheif und damit
endgültige Entfremdung von seelischem Erlebnis.
Das Medianisdre seiner Malgewohnheif (die garnkhf
so weif von Corinfh entfernt ist, wie man auf den
ersten Blick glauben mödrfe) ist frefflidr im Sinne
des Modemäßigen; eine sfafflkhe Anzahl verkaufter
Stücke beweist, daß es Menschen gibt, die etwas
davon halten.
Von anderen Künstlern sieht man an gleicher Stelle:
Otto Beyer, über den nidifs weiter anzumerken ist,
als daß er, obwohl im Besiß eines kräftig-derben
Pinsels, Bilder malt, wie man sie auf hundert Aus-
stellungen seit Beginn unseres Jahrhunderts bereits
gesehen, ein neues Beispiel jener soliden Salonkunsf,
die man bereits das leßfe Mal an gleichem Plaße
vor Augen hafte. — Die von Frankfurt hierher ge-
langte Sammlung von Bildern und Zeidmungen des
Westfalen Sdiulze-Soelde ist zu geringen Umfangs,
als daß man sich mit diesem Maler, über den im
»Feuer« sdion beriditef wurde, in würdiger Welse
auseinanderseßen könnte. Es bleibt der Plastiker
Garbe, den man bereits in der leßten Großen Berliner
Schau mit dem früheren Ardiipenko verwediseln
konnte. Troß soldier Selbsfenfäußerung zugunsten
einer absoluten Plastik, die aber eben nur den
Stempel „Archipenko“ trägt, bleibt die formale Ge-
schlossenheit seiner (meist zweifigurigen) Gruppen
567
Müller: am besten, weil am ungesuchtesten, fand ich
seine Architekturen. Endlich ist die Neueröffnung eines
„Kunstsalons Stella“, Kaisersfraße 73, zu melden, der
neben Frankfurter Malern den sonnig frischen Karl
Friedrich Lippmann aus Offenbach ausfiihrlkh zu
Wort kommen läßt: seine »Oberräder Eisenbahn-
brücke«, seine bunt leudifenden Blumensfücke, sein
in dekorativer Pastelltempera groß gemaltes Figuren-
bild »Mutter und Kind« sind Mittelpunkte dieser an sidi
viel versprechenden Eröffnungsschau.
FRITZ HOEBER.
BERLINER KUNSTBERICHT. Diesmal heißt es
beginnen mit einer historischen Ausstellung, da
sie einige Dinge von allerhöchstem Wert enthält:
es ist die Ausstellung zur Geschichte des Holz-
schnitts gemeint, die das Kupferstichkabinett
im März eröffnet hat. Ihre aufklärend-belehrenden
und sonstigen nützlichen Zwecke können uns hier
nicht weiter interessieren, — das, was sie unvergeßlich
madit und köstlich, ist in allererster Hinsicht etwa
ein Dußend Blätter ganz am Anfang der ge-
samten Reihe: erste deutsche Holzschnitte (meist
aus der 1. Hälfte) des 15. Jahrhunderts, und einige
früheste Buchveröffentlichungen aus dem gleichen
Zeitraum. Hat man Verhältnis zu solchen reinen,
unverfälschten, ganz auf graphisch-flächenhaften Aus-
druck gestellten, mit wenigen leidiien Wasserfarben
illuminierten Blättern gewonnen, so sinkt das Folgende,
je weiter man schreitet, immer mehr zusammen, wird
leer und fahl neben solchem herrlichen, geistig-herz-
lichen Leben, und man weiß, daß es sidr um keinerlei
„Entwicklung“ handelt, sondern um progressive Ver-
flachung und „Dekadenz“! Erst am Ende der
ganzen geschichtlichen Folge trifft man wieder auf
Schnitte, die, obwohl ganz anderer Wurzel, dodr
infolge ihrer Sfilgewalf den ersten verwandt erscheinen,
mag man hier an Mundr denken, oder, um Deutsche
zu nennen, an Hecke! und Barlach; von Jüngeren,
die noch zu wenig kunsihistorisdi faßbar, ist hier
abgesehen worden, was sidr verstehen läßt, — wenn
man ihnen als Verwirklichtem einer neuen starken
Holzschnitt-Ausdruckskunst auch wahrlidi den Plaß
gegönnt hätte, der so manchen Belanglosigkeiten
aus der leßtvergangenen Periode eingeräumt worden
ist.
Von allem übrigen steht eine Ausstellung von Werken
W. Kohlhoffs bei Gurlitt unbedingt an der Spiße.
Man kennt ihn von versdiiedcnen Gelegenheiten her
(z. B. aus der leßten Sezessionsausstellung), in soldrer
Breite aber sah man ihn noch nidit. Hier ist man
in der Lage, seine Möglichkeiten besser zu über-
blicken, und man hätte bei längerem Verweilen
mandies anerkennend festzustellen. Andrerseits darf
nicht versdiwiegen werden, (und das ist ungleich
wichtiger zur Bezekhnung der ganzen Künsfler-
ersdieinung), daß man angesidits einer solchen um-
fangreichen Bildersammlung weif besser in der
Lage ist, dem Maler hinter die Maske zu blicken,
als es bisher möglich war. Vielleidrf sagt man das
Entscheidende über ihn in solcher Formulierung:
Kohlhoff will Mystiker sein, bringt es aber nur bis
zum Spiritisten. Das Visionäre, also geistiges Er-
eignis, geistige Anlage, sucht er stets, — ob auf-
ridrfig oder unaufrichtig, wage idr nidrt zu entsdreiden,
— Tatsache ist jedenfalls, daß seine Kräfte ver-
sagen, daß er nichts weiter erreidrf, als eine
geisterhafte Atmosphäre um seine Figuren herum-
zuweben. Es hilft ihm nidifs, daß er auf den
Spuren Grecos das Visionäre, das dieser wirklidi
hafte, zu erjagen sucht, daß er seine F arben magisch
phosphoreszieren läßt, — es wird nie mehr als Ge-
spenstisches gewonnen; aber audr aus dem Gespensfisdien
sind nicht alle Bilder gewadisen, manche verraten
unzweideutig eine sfimmungsmäßige Drapiertheit, sie
beweisen eine fechnisdie Malgewohnheif und damit
endgültige Entfremdung von seelischem Erlebnis.
Das Medianisdre seiner Malgewohnheif (die garnkhf
so weif von Corinfh entfernt ist, wie man auf den
ersten Blick glauben mödrfe) ist frefflidr im Sinne
des Modemäßigen; eine sfafflkhe Anzahl verkaufter
Stücke beweist, daß es Menschen gibt, die etwas
davon halten.
Von anderen Künstlern sieht man an gleicher Stelle:
Otto Beyer, über den nidifs weiter anzumerken ist,
als daß er, obwohl im Besiß eines kräftig-derben
Pinsels, Bilder malt, wie man sie auf hundert Aus-
stellungen seit Beginn unseres Jahrhunderts bereits
gesehen, ein neues Beispiel jener soliden Salonkunsf,
die man bereits das leßfe Mal an gleichem Plaße
vor Augen hafte. — Die von Frankfurt hierher ge-
langte Sammlung von Bildern und Zeidmungen des
Westfalen Sdiulze-Soelde ist zu geringen Umfangs,
als daß man sich mit diesem Maler, über den im
»Feuer« sdion beriditef wurde, in würdiger Welse
auseinanderseßen könnte. Es bleibt der Plastiker
Garbe, den man bereits in der leßten Großen Berliner
Schau mit dem früheren Ardiipenko verwediseln
konnte. Troß soldier Selbsfenfäußerung zugunsten
einer absoluten Plastik, die aber eben nur den
Stempel „Archipenko“ trägt, bleibt die formale Ge-
schlossenheit seiner (meist zweifigurigen) Gruppen
567