FUNKEN
FRANKFURTER KUNSTAUSSTELLUNGEN.
Heinrich Campendonk stellt zur Zeit eine reiche
Schau märchenhaft farbiger Ölgemälde und kraftvoll
gezeichneter Holzschnitte in Zinglers graphischem
Kabinett aus. Hierzu hat Dr. Walter Schürmeyer,
ein junger Gelehrter, der sich im Frankfurter Kunstleben,
in Vereinen wie in der Kritik, mit schönster Begeisterung
und Charakter für die junge Kunst einseht, eine treffliche
Einführung geschrieben, die unter dem Motto des
Lao-Tse: „Das Stoffliche birgt Nutzbarkeit, das Un-
stofflidre wirkt Wesenheit“ eine gröbere Anzahl von
Abbildungen nach Arbeiten Campendonks bringt.
Die in irisierenden Farben leuchtenden Bilder des jeht
in Sindelsdorf, südlich des Starnberger Sees hausenden
Künstlers übersteigen alle Hohe Wirklidrkeit in die
Sdiönheit traumhafter Gesichte: ob es Landschaften,
Figurenbilder oder Porträts sind — der äußere Vor-
wurf dient Campendonk stets nur zum Ausdruck
seiner inneren Phantasien, die in ihrem naiven Durch-
einanderwirbel von allen möglichen realen Gegenständen
oft an einen noch Gröberen erinnern: an den Polen
Chagall.
Vergleiche freilidr können in ihrer angeborenen Dürftig-
keit hier kaum andeuten, mag man etwa auch von
farbigen Batiks vor den Bildern, von javanischer oder
indischer Ornamentik vor den sicher in Hell und
Dunkel gefügten Holzschnitten reden. Der Weg, den
Heinridr Campendonk aus Crefeld über die Lehre der
Düsseldorfer Kunsfgewerbeschule, der rheinischen Son-
derbundaussfellung in Düsseldorf 1910, über die sdröp-
ferisdre Auseinandersetzung mit dem Kreise des »Blauen
Reiters«, mit Kandinsky und Franz Marc und wieder
Chagall zu sich selber gefunden hat, dieser Weg führt in
Zukunft auf ähnlich visionäre Ziele hin, wie sie sidr
in aller Monumentalität die tief religiöse Natur Mat-
thias Grünewalds gestellt hat, — nur dalj wir heute nicht
mehr in der Zeit des monumentalen Formats der
Renaissance, in einer Zeit geringerer Langatmigkeit,
aber dafür auch eines stärker wirbelnden Lebens stehen
und schaffen.
Dieses wirbelnde Leben kann eine Gefahr für alle
die bedeuten, die mit ihrer künstlerischen Entwicklung
noch nicht fertig sind und nun durch augenblickliche Aus-
stellungsverpflichtungen genötigt werden, ihre Ateliers
auszuräumen, um mit vielen heterogenen Bildern vor
dem Publikum aufzutreten. Hans Brasdr hatte auf
der im vergangenen Spätherbst im Kunstverein zu
sehenden Kollektivausstellung junger Frankfurter
Künstler mit fünf ausgesuchten Stücken eine zukunfts-
starke Persönlichkeit dargestellt. Was Brasch heute
im Kunstverein zeigt, gibt in einigen Teilen die
Fortführung jener energischen Linienkompositionen,
die wir damals bewunderten: Kriegerleidren interessant
verkrampft, gut in zarten Farben zu einander ab-
getönt. Daneben aber Stücke, die einen zu unver-
arbeiteten Einfluß Hodlers — oder seines Frank-
furter Nadrfolgers und Ateliernachbars von Hans
Brasch, August Babbergers, verraten; ferner
streng naturalistische Porträts in der Art der Karls-
ruher oder Stuttgarter vorimpressionistischen Schule,
und anderes. Hoffen wir, dalj Braschs Entwicklung sich
von allen Natur- und fremden Künsflervorbildern frei
macht und bald ihre eigene, dem rein Geistigen zu-
gewandte Seele finde!
Die sonstigen Frankfurter Kunstdarbietungen des
Augenblicks: Bei M. Goldschmidt & Co. zeigt ein
typisches Mitglied der neuen Berliner Sezession,
Irma Stern, ihre in seidigen Farben sdrwimmen-
den Landschaften und Figurenbilder, tüdrtiger Nadr-
impressionismus in der Art der Pedrstein, Waske,
Kohlhoff. Bei Herbert Cramer, dessen Salon ein
südlicher Vorposten der guten niederrheinischen Mo-
derne ist, sieht man Ölbilder, Pastelle, Steindrucke
von Werner Heuser, Düsseldorf, die, vor allem
in den Figurenbildern, einen nodr etwas klassizistischen
Aufbau zeigen bei einer bewußt dumpfen, trüben
Tonalität, etwa ähnlich der von Otto Gleichmann in
Hannover. Bei Sdrames stellt die in Technik und
Geschmack feine Frankfurter Malerin und Graphikerin
Frieda von J o n d e n ihre mannigfaltigen Land-
sdrafts- und Stillebenstücke aus. In dem sidr eine neue
künstlerische Position erobernden graphisdren Kabinett
von H. Trittler sieht man eine Reihe versdrieden-
artiger Radierungen und Sdrabkunstblätter des aus