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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Beyer, Oskar: Die neue Abteilung der Expressionisten in der National-Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0177

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DIE NEUE ABTEILUNG DER EXPRESSIONISTEN
IN DER NATIONAL-GALERIE.

Dt. Oskar Beyer.
ER in den Revolutionsmonaten energisdi erhobenen h orderung einer staatlichen
Sammlung neuester radikaler Werke hat man nun in einer Form entsprochen,
die zugleidi — wenigstens in diesem einen P all — eine glücklidic Lösung des
sehr schwierigen Problems der öffentlidren Verwendung der königlidien Schlösser
bedeutet: das Kronprinzenpalais ist in ein Museum verwandelt und zwar in eine
Filiale der National-Galerie. Das von Nehring im Jahre 1687 erbaute Haus ist zwar nicht sehr
geräumig, eignet sich aber infolge seiner günstigen zentralen Lage recht gut für einen solchen
allgemein nützlichen Zweck, und auch die seitlichen Lichtquellen helfen nicht wenig dazu, den intimen
Gesamteindruck dieser Sammlung zu erhöhen, ohne daß die Bildwirkung wesentlich beeinträchtigt
würde. So ist die Aufgabe, die den groben, infolge des Krieges steckengebliebenen Erweiterungs-
bauten zugedacht war, nun einem gar nicht für museale Zwecke bestimmten Gebäude übertragen,
das dem seit lange sdion Erforderlidien, ja zu einer unbedingten Notwendigkeit Gewordenen hin-
reichend zu entsprechen vermag, wenn dieser Notbehelf und Ausweg natürlich audi weit hinter
jenen stolzen Plänen Zurückbleiben muh. Das Erforderliche war, was die Nationalgalerie betrifft:
eine große, einheitliche, repräsentative Sammlung deutscher Kunst des 19. Jahrhunderts zu ge-
stalten, dann: das Problem der Unterbringung aller ausländischen Bilder auf eine anständige und
kluge Art zu lösen, und sdnlie^lich: der neuesten Kunst der lebenden jungen Meister eine offiziell
gesicherte Heimatstätte zu schaffen.
Wenn man mit den Voraussehungen, die diesen dringenden Aufgaben angemessen sind,
das neueröffnete Museum betritt, so dürfen dodi einige erhebliche Bedenken nicht verschwiegen
werden. Die Anlage ist derart, daß man unten im Erdgeschoß und im Treppenhaus Bilder
sieht, die die Gemüter nicht erregen, — es wäre denn zum Zorn, daß man Dinge von großen-
teils so niederer Qualität (es sind die leersten Repräsentationsstücke darunter) immer noch weiter
mit fortzuschleppen sich nicht geniert; außerdem bringt die Einfügung der Sammlung Koenigs,
die sich aus deutschen und außerdeutschen Bildern rekrutiert, eine unruhige und verstimmende
Note in diese wohl irgendwie als Einheit gedachte Fludit von Räumen. Der erste Stock ist dem
Impressionismus eingeräumt, — die großen Franzosen hängen in einem kleinen Raume, klassisdi
geworden und in glücklich-warmer Harmonie beisammen; ein ernstes Triibnerzimmer, ein kalter
Saal voll Liebermann, ein kleiner Eckraum mit einigen wenigen und nicht besonders guten Sachen
von Gorinth und Slevogt schließen sich an. Oben im hellen Dadigeschoß (jeßf und für lange
natürlich die weitaus belebtesten Räume) hausen die neuesten deutschen Expressionisten, —
zwischendurch taucht aber auch wieder van Gogh auf und Gauguin, kommt ein Zimmer mit Signac,
Seurat, Maillol und andere, sowie zwei Hinferräume und ein Korridor mit dem um ein nodr
nicht gezeigtes großes, kräftiges Musikantenstück vermehrten alten Bestände von Thomabildern,
die begreiflicherweise in solcher Umgebung siditlidi leiden und alt geworden sind. Der Ein-
druck, den man bereits aus einer solchen knappen Situationsskizze gewinnt, ist der des Mangels
einer genügenden Deponierung, einer einheitlichen Gestaltung in diesem neuen Kunsthause, man
vermißt ein überlegenes Schalten mit dem vorhandenen Material, man vermißt einen ausge-
sprochenen, zielbewußten, schöpferisdien Komposifionswillen, — man kann sich nämlich kaum
eine sdiönere Hauptaufgabe eines Museumsleiters denken, als daß er seine Sammlung nadi
großgedaditem und gründlichst durchdachtem Plane zu komponieren bemüht sei! Die Ein-
richtung einer selbständigen Zweigabteilung würde nun allerdings den gliicklidistcn Anlaß und


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