Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0105
DOI Heft:
Oktober-Heft
DOI Artikel:Corwegh, Robert: Darmstädter Ausstellungen
DOI Artikel:Loerke, Oskar: Der Graphiker Emil Orlik
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0105
wir tiefere Empfindung, die überzeugende male-
risdre Werfe auslösf.
Sonst seien die Darmsfädter Gertrud Uli-
mann, Philipp Volodi und Otto Wachs-
muth erwähnt, während die anderen als Mit-
läufer die Plätze füllen.
Unter den Bildhauern gibt Arnold He ns ler-
Wiesbaden das Beste neben Antes in zwei
Bildnisbiisfen. Ein wenig nadi der Seite der
Karikatur liegt seine Charakterisierung. Der
Darmsfädter Willi, Habidit wäre ein liebens-
würdiger Klassiker, wenn er nidif modern sein
wollte. So prefd er die Formen anders, als
er sie sieht. Der Plastiker Bernhard Hoetger
stellt sich mit farbigen Zeichnungen vor, zu
denen mir jede Verbindung fehlt. Aber Lichten-
berg tröstet mich: „Wenn ein Buch und ein
Kopf zusammensdilagen und es klingt hohl,
mu| es dann immer am Kopf liegen?“ Viel-
leichf habe idi diesmal Recht, wenn idi diese
subjektivistische Art ablehne, besonders bei
einem Manne, der kommunistisch denkt. Irgend-
wo fehlt da die Ehrlidikeif, als Künstler oder
als Mensch.
Und frot>dem erfreut diese Ausstellung, in
ihr liegt Bewegung und die Forderung an jeden,
sidi mit ihr auseinanderzusehen. Wir glauben
in dieser Kunst den Übergang sehen zu dürfen
zu einem Neuen, das das gewollte Unmittelbare
dieser Künstler leicht verständlich umprägt und
mit einem romantisdizn Sehnen verbindet, so
dah soziales Fühlen und individuelles
Leben im Kunstwerk eine Verschmelzung und
Lösung findet, die das Leben an sidr nie bieten
kann.
Robert Corvvcgh.
Der Graphiker Emil Orlik*
Oskar Loerke.
OR kurzem sah man in Berlin eine
Ausstellung graphisdier Arbeiten von
Emil Orlik. Der erste Eindruck des
Besuchers war ein Staunen über
ihre Reichhaltigkeit: Künsflerporträte, Maler,
Musiker, Didrfer, Köpfe, Gestalten, Serien —
viele Reihen, ganze Wände entlang; Theater —
fast ein Raum voll; die Teilnehmer an der
Brest -Litowsker Friedenskonferenz, — ein an-
derer Raum'; fast sysfemafisdr ersdiöpfende
Abteilungen, Wer nicht verbissen kampflustig,
mit einer Elle als Degen und mit ehernem
Brusfpanzer, gekommen war, verlief die Aus-
stellung dankbar und heiter, weil er im Form-
genuh an dem Gefühl warmen Lebens feil-
genommen hafte, das aus all den Blättern strömte.
Die Übertragung dieses Gefühles war so un-
mittelbar, dah die Frage nadi der Grölje oder
Eigentümlichkeit ihrer Mittel nichts Gerechtes
mehr zu entsdieiden hatte. Die Beherrschung
von Nadel, Feder, Stift war au her Zweifel, und
so gab man sidr der heute seltenen Freude
hin, dalj hier über den Künsten die Kunst ver-
ehrt würde. Das stoffliche Interesse hafte ein
gutes Gewissen, — und dies ist ein Zeidren
für -die übersfoffliche Verfassung des Darge-
sfellfen.
Dessen wird man besonders deutlich inne,
wenn man sich vergegenwärtigt, da^ wohl fünf
Ausstellungen von dem Umfange der eben
erwähnten das graphisdre Werk Orliks nidit
fassen würden. (Skizzen, Studien und Kritze-
leien ohne eine selbständige Kraft sich zu er-
klären und vor dem Befrachter durchzusehen
blieben dabei aufser Befracht, ebenso die nur
für die Entwicklung des Künstlers dokumen-
tarischen Werke.) Eine ersfaunlidre Weite und
Mannigfaltigkeit tut sich auf: Landschaften und
figürliche Kompositionen aus Japan und Ceylon,
die Sahara, arabische Mensdien, Märkte, Häuser,
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risdre Werfe auslösf.
Sonst seien die Darmsfädter Gertrud Uli-
mann, Philipp Volodi und Otto Wachs-
muth erwähnt, während die anderen als Mit-
läufer die Plätze füllen.
Unter den Bildhauern gibt Arnold He ns ler-
Wiesbaden das Beste neben Antes in zwei
Bildnisbiisfen. Ein wenig nadi der Seite der
Karikatur liegt seine Charakterisierung. Der
Darmsfädter Willi, Habidit wäre ein liebens-
würdiger Klassiker, wenn er nidif modern sein
wollte. So prefd er die Formen anders, als
er sie sieht. Der Plastiker Bernhard Hoetger
stellt sich mit farbigen Zeichnungen vor, zu
denen mir jede Verbindung fehlt. Aber Lichten-
berg tröstet mich: „Wenn ein Buch und ein
Kopf zusammensdilagen und es klingt hohl,
mu| es dann immer am Kopf liegen?“ Viel-
leichf habe idi diesmal Recht, wenn idi diese
subjektivistische Art ablehne, besonders bei
einem Manne, der kommunistisch denkt. Irgend-
wo fehlt da die Ehrlidikeif, als Künstler oder
als Mensch.
Und frot>dem erfreut diese Ausstellung, in
ihr liegt Bewegung und die Forderung an jeden,
sidi mit ihr auseinanderzusehen. Wir glauben
in dieser Kunst den Übergang sehen zu dürfen
zu einem Neuen, das das gewollte Unmittelbare
dieser Künstler leicht verständlich umprägt und
mit einem romantisdizn Sehnen verbindet, so
dah soziales Fühlen und individuelles
Leben im Kunstwerk eine Verschmelzung und
Lösung findet, die das Leben an sidr nie bieten
kann.
Robert Corvvcgh.
Der Graphiker Emil Orlik*
Oskar Loerke.
OR kurzem sah man in Berlin eine
Ausstellung graphisdier Arbeiten von
Emil Orlik. Der erste Eindruck des
Besuchers war ein Staunen über
ihre Reichhaltigkeit: Künsflerporträte, Maler,
Musiker, Didrfer, Köpfe, Gestalten, Serien —
viele Reihen, ganze Wände entlang; Theater —
fast ein Raum voll; die Teilnehmer an der
Brest -Litowsker Friedenskonferenz, — ein an-
derer Raum'; fast sysfemafisdr ersdiöpfende
Abteilungen, Wer nicht verbissen kampflustig,
mit einer Elle als Degen und mit ehernem
Brusfpanzer, gekommen war, verlief die Aus-
stellung dankbar und heiter, weil er im Form-
genuh an dem Gefühl warmen Lebens feil-
genommen hafte, das aus all den Blättern strömte.
Die Übertragung dieses Gefühles war so un-
mittelbar, dah die Frage nadi der Grölje oder
Eigentümlichkeit ihrer Mittel nichts Gerechtes
mehr zu entsdieiden hatte. Die Beherrschung
von Nadel, Feder, Stift war au her Zweifel, und
so gab man sidr der heute seltenen Freude
hin, dalj hier über den Künsten die Kunst ver-
ehrt würde. Das stoffliche Interesse hafte ein
gutes Gewissen, — und dies ist ein Zeidren
für -die übersfoffliche Verfassung des Darge-
sfellfen.
Dessen wird man besonders deutlich inne,
wenn man sich vergegenwärtigt, da^ wohl fünf
Ausstellungen von dem Umfange der eben
erwähnten das graphisdre Werk Orliks nidit
fassen würden. (Skizzen, Studien und Kritze-
leien ohne eine selbständige Kraft sich zu er-
klären und vor dem Befrachter durchzusehen
blieben dabei aufser Befracht, ebenso die nur
für die Entwicklung des Künstlers dokumen-
tarischen Werke.) Eine ersfaunlidre Weite und
Mannigfaltigkeit tut sich auf: Landschaften und
figürliche Kompositionen aus Japan und Ceylon,
die Sahara, arabische Mensdien, Märkte, Häuser,
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