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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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FUNKEN

Deutsche untereinander. In eigener Sache
zu reden wurde von uns vermieden; wir glaubten, die
Tat sei immer noch wirksamer, als das leidrtgefügte
Wort. Eine Verleumdung zwingt uns, von diesem
Grundsah abzuweidien: die geflissentlich ausgestreute
Meinung, die Zeitschrift »Feuer« werde mit nidrt-
deutschen Mitteln unterhalten. Begründet wird diese
lockere Vermutung mit dem Hinweis, es sei dem
Deutschen nidit möglich, aus eigener Kraft ein soldies
Blatt herauszugeben, soldres Papier zu liefern, soldre
Ausstattung zu bringen. Ist dieses Mißtrauen nicht
beschämend einem Unternehmen gegenüber, das deutsdr
ist vom ersten Mitarbeiter bis zum leiden Seher, das
deutsche Kunst zu pflegen sidr als vornehmstes Ziel
sehte? Ist der Glaube an unsere Kraft so gering, daf
nur mehr das Nein, nie mehr das Ja gesucht wird?
Es sei ausdrücklich erklärt: nicht ein Pfennig fremden
Geldes wurde zur Begründung und zum weiteren Aus-
bau des »Feuer« in Anspruch genommen oder ge-
geben! Der deutsche Verlag Gebr. Hofer bestreifet
dieses Unternehmen aus eigenen Mitteln. Befremdend
ist es und beschämend, daf niemals eine grofe An-
gelegenheit vom Deutschen an sidr gewertet werden
kann, daf kleinliche Eifersudit und Eigenbrödelei auch
in Sadien der Kunst im eigenen Lande wütet, anstatt
den Kreis nach! laufen zu sdrliefen.
Berliner Kunstnotizen. Bei Gurliff sind
zwei Sammlungen zu sehn: die eine, von W. Röhricht,
hat anspruchsvoll die Haupfräume mit Besdilag belegt»
während die andere, von Paul Klee, sidr mit einem
winzigen Entreegelaf begnügen muf. Aus der an sidr
absurden Gegenüberstellung von Leuten, wie es diese
beiden sind, wird uns deutlich, daf das Arfisfisdre uns
heute garnichf weiter interessiert: ist es da, gut; ist es
nicht da, auch gut, vielleidrf sogar nodr besser; das Ein-
zige, was uns widrtig sein kann und darf, ist seelische
oder geistige Bedeutung. Der Maler Röhridrf hat alles
Artistisdre, aber nichts von dem, was entscheidend ist
(man vergleiche das Wort des Paulus: ...„und hätte
der Liebe nicht“ !); derselbe Geist ist auch in ihm, dei-
nem schon seif 30 Jahren in Interieurs, in Landschaften,
in Sfilleben sidr beweist, die alle für die Ausstellung
gemalt scheinen; — man mache das Experiment, und
betrachte diese Bilder aus 5 m Entfernung und man wird
mir rechfgeben, es sind genau die gleidren Wirkungen.
Es soll nichts verkannt werden von dem, was Bezug
hat auf die manuelle Geschicklichkeit, die dekorative
Begabung dieses Malers. Seine Bilder werden (und
zwar nrif Redrt) manche gute Stube zieren, manches Auge

wird sich ihrer Farben, ihrer handwerklichen Sicherheit
erfreuen, aber man soll sie nidrf als schöpferische
Leistungen, also als Kunst im eigentlichen Sinne
ansprechen, übrigens weif jeder, .dem diese Kunst-
unterscheidungsgabc verliehen ist, daf das Meiste,
was Kunst genannt wird, in Wahrheit Artistik ist.
Bei Klee ist nidrfs von Artistik, garnidrfs, aber
wohl ein ganz bedeutendes Quantum Kunst. Diesen
Menschen stellt man sidr vor als ein Kind nrif blauen
Augen und blonden Haaren, so kindhaff von innen
her sind seine Bläftdren und Kinderzeichnungen, oft
so befreit und lidrfvoll, zum Schweben und Schwärmen
die Seele lockend, so losgelöst im Blauen schaukelnd,
voll sanfter, warmer Träume. Versfandesnräfig sidr
Redrensdraft zu geben von diesen kindlichen Stridr-
gebilden, die wie absichtslos mit heller Wasserfarbe
ausgefuschf sind, wird kaum oder nur seifen möglich
sein; Erinnerungen an Erdendinge geben gleichsam
nur die Ridrfung an, in der sidr zarte seelische Stim-
mungen entwickeln können; und diese Stimmungen
werden eigentlich immer deutlich, und zwar deutlich
beim erstmaligen Sehen, so wie Töne gehört und
spontan erfahren werden. Dabei hat die Anspruchs-
losigkeit dieser Bläffer etwas Rührendes, sie wollen
gar nidrfs sein oder repräsentieren, sie scheinen gerade
aus dem Fenster eines 5. Stocks herausgeworfen oder
auch vom Wind entführt (der Maler freute sidr lädrelnd
an den sonderbaren Kurven ihres Zur-Erde-Schwebens),
es sind an sidr unwichtige Zeugnisse eines bestimmten
Lebens, eines bestimmten Seelenzusfands, einer licht-
vollen Befreitheit der Seele von dem Staub und Lärnr
der irdischen Begebenheiten.
Den beiden verstorbenen Berliner Landschafts-
malern Th. v. Brockhusen und W. Rösler eine
(vorwiegend graphisdre) Gedächtnisausstellung zu wid-
men, wie sie in der Galerie Möller zu sehen war,
das war insofern ein guter Gedanke, als es sidr um
Naturen von ähnlichem Begabungsniveau handelt, die
einander ergänzen, obwohl jeder scheinbar einen ent-
gegengesetzten Weg beschriften hat. Die Zeichnungen
Brockhusens, den man bisher nur als Farbendyna-
nriker gekannt hat, ermöglichen ganz neue Aufschlüsse
über seine Art: man bemerkt, daf nur statische Elemente
den Zeichner interessieren, also Bäunre, Stämme, klares
Geäst, in den entscheidenden Linien erfaft. Die Laub-
nrassen sieht man zu wesenlosen Nebelmassen ver-
flüchfigf, die Landshaff (meist ist es die dörfliche
Strafe der Mark) ist nur inr Interesse der Bäunre
da. Es handelt sidr hier unr grofe Kohlezeichnungen

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