Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0899
DOI Heft:
August-Heft
DOI Artikel:Holl, Karl: Rudi Stephan, Teil 2
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RUDI STEPHAN
DR KARL HOLL
TEIL II
Mensch und Künstler sind bei Stephan in selten inniger Weise verbunden
und können nur als Einheit betraditet werden.
LVon der äußeren Erscheinung entwirft Edschmid in den bereits zitierten
Essays ein Bild, wie ich es so knapp und plastisch nicht zu geben vermöchte.
Folgende Hauptzüge seien hier wiedergegeben: „Dieser Komponist . . . hatte . . ,
etwas körperlich Athletisches. Aus platonischen Schultern wuchs ein wunderbar
kurzer und freier Hals und verband sie mit einem Kopf, der mächtig schien. Das
Gesicht mit breiten weichen Konturen hatte gewaltige Augenpartien, den braunen
Goldglanz südlichen Teints und dunkles, schweres Haar. Sein Nacken bog sidr
vor Stärke. Es war eine beherrschte Brutalität des Körperlichen an ihm. Dennoch
umrann ihn wiederum eine Luftschicht voll glasheller Distanz ♦
Der Grundzug seiner Psyche und seines Schaffens war ein tiefer innerer Ernst,
die als bessere Hälfte der deutschen Individualität viel berufene Treue, neben
starker und offener, allem Gewöhnlichen ferner, man möchte sagen: kindlicher
Sinnlichkeit; le^tere ein besonderes Erbteil der rheinfränkischen Stammesari, in
der sich Germanentum und Romanentum kräftig und harmonisdr gemischt haben.
Wir sehen in Stephan einen Menschen, weicher sich der Allen überkommenen
Last voll bewußt ist. Schwer trägt er daran, aber ohne Weitschmerzpose und ver-
folgt mit einem durchaus positiv gerichteten Humor seinen Weg, dessen allgemeines
Ziel etwa als Überwindung „des Tieres“ oder schiedrtweg der Triebhaftigkeit
gekennzeichnet werden mag. Entwicklung und Lösung dieses eigentlichen Mensch-
heitsproblemes machen die Axe seines Lebens und Wirkens aus. Dafür ist die
Wahl der „Ersten Menschen “-Dichtung zum Libretto der Oper symptomatisch.
Stephan hat die künstlerischen Schwächen dieses „erotischen Mysteriums“ wohl
erkannt; er hat wegen notwendig gewordener Streichungen und Änderungen mit
dem Autor hartnäckige Kämpfe geführt; und dennoch konnte er von der Dichtung
nicht lassen. Hier war ihm eben gegeben, von der Bühne als der seinem Genius
gewiesenen Stelle herab auszusprechen, was er der Welt zu sagen hatte:
„Mit der Schöpfung beginnt!
Lasset uns ringen, schwer ringen,
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DR KARL HOLL
TEIL II
Mensch und Künstler sind bei Stephan in selten inniger Weise verbunden
und können nur als Einheit betraditet werden.
LVon der äußeren Erscheinung entwirft Edschmid in den bereits zitierten
Essays ein Bild, wie ich es so knapp und plastisch nicht zu geben vermöchte.
Folgende Hauptzüge seien hier wiedergegeben: „Dieser Komponist . . . hatte . . ,
etwas körperlich Athletisches. Aus platonischen Schultern wuchs ein wunderbar
kurzer und freier Hals und verband sie mit einem Kopf, der mächtig schien. Das
Gesicht mit breiten weichen Konturen hatte gewaltige Augenpartien, den braunen
Goldglanz südlichen Teints und dunkles, schweres Haar. Sein Nacken bog sidr
vor Stärke. Es war eine beherrschte Brutalität des Körperlichen an ihm. Dennoch
umrann ihn wiederum eine Luftschicht voll glasheller Distanz ♦
Der Grundzug seiner Psyche und seines Schaffens war ein tiefer innerer Ernst,
die als bessere Hälfte der deutschen Individualität viel berufene Treue, neben
starker und offener, allem Gewöhnlichen ferner, man möchte sagen: kindlicher
Sinnlichkeit; le^tere ein besonderes Erbteil der rheinfränkischen Stammesari, in
der sich Germanentum und Romanentum kräftig und harmonisdr gemischt haben.
Wir sehen in Stephan einen Menschen, weicher sich der Allen überkommenen
Last voll bewußt ist. Schwer trägt er daran, aber ohne Weitschmerzpose und ver-
folgt mit einem durchaus positiv gerichteten Humor seinen Weg, dessen allgemeines
Ziel etwa als Überwindung „des Tieres“ oder schiedrtweg der Triebhaftigkeit
gekennzeichnet werden mag. Entwicklung und Lösung dieses eigentlichen Mensch-
heitsproblemes machen die Axe seines Lebens und Wirkens aus. Dafür ist die
Wahl der „Ersten Menschen “-Dichtung zum Libretto der Oper symptomatisch.
Stephan hat die künstlerischen Schwächen dieses „erotischen Mysteriums“ wohl
erkannt; er hat wegen notwendig gewordener Streichungen und Änderungen mit
dem Autor hartnäckige Kämpfe geführt; und dennoch konnte er von der Dichtung
nicht lassen. Hier war ihm eben gegeben, von der Bühne als der seinem Genius
gewiesenen Stelle herab auszusprechen, was er der Welt zu sagen hatte:
„Mit der Schöpfung beginnt!
Lasset uns ringen, schwer ringen,
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