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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Funken
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FUNKEN

F RA N KFU R T ER KUNSTAUSSTELLUNGEN.
Durch die im lebten Augenblick der Kunstmesse im
„Römer“ angegliederte Abteilung moderner Monu-
mentalkunst wurde die in der ersten Maihälfte sicht-
bare „Jahres-Ausstellung des Frankfurter
Künstlerbundes“ im Kunstverein ihrem Erfolg
nadr entschieden beeinträchtigt.
Lind doch erschien ihre Haltung vielseitiger als jene
ihrer Vorgängerin vom Herbst 1919, vielseitiger und,
was dabei unvermeidlich ist, direktionsloser im Hinblidc
auf das moderne Ziel. Grau in grau blickte einem
das etwas müde, wenig lebensfreudige Porträt Dr.
Luppes von Jakob Nußbäum an, einem Maler,
der immer noch bei dem farbenscheuen Berliner
Impressionismus der 90er Jahre verharrt, ohne etwas
von den jüngeren Ideen in sein malerisches Schaffen
aufnehmen zu wollen, das darum eigentlich nur nodr
in der Graphik, in seinen Bleistiftskizzen, spontan
lebendig wirkt. Daß es aber durdiaus möglich ist,
auch auf dem Boden impressionistischer Natur-
auffassung einen Stil blühendster Farbigkeit und
gleidrzeitig gedämpften Schmelzes zu erreichen,
zeigten die so stimmungsvollen Bildnisse Gustav
Schraegles, »Blondine mit Zigarette«, »Mäddren
in Rot« usw. Audr die mehr zeichnerisdie Mathilde
Battenberg versteht es, ihren Bildern bei aller
Orientierung an der Wirklichkeit eine eigenartige Note
dekorativer Buntheit zu verleihen. — Den Übergang
von impressionistischer zu expressionistischer Kunst
stellte Alexander Soldenhoffs gewaltig großartige
»Kreuzigung« dar, wie eine moderne Synthese aller
historischen Barockmeister von Grünewald über den
Greco bis zu Tiepolo wirkend in der farbig durdrglühten
Exstase seiner tiefempfundenen Gestalten, die sidi von
einem unheilkündenden Gewitterhimmel abheben.
Aus seiner zur Zeit bei Schames stattfindenden
Kollektivausstellung seien vor allem die stillebenhaften
Blumenstücke und die entzückend bunten Tinten-
zeichnungen hervorgehoben.
Von den eigentlidren Expressionisten waren auf der
Jahresaussfellung Gottfried Diehl (»Artisten«),
Reinhold Ewald (eine Krankensdrwester in zartem
Silberton), Babberger wieder mit interessant kompo-
nierten Figurenstücken, einer Alpenlandschaft und mit


Blumen, vor allem aber Hermann Lismann mit
seinem »Orgelspieler« gut vertreten, leßteres ein
Bild von reinster Musik in dem wohl abgewogenen
Lineament seines kompositionellen Aufbaus und den
fast aquarellhaft zarten Tönen: man darf gespannt
sein auf die äsfhetisdre Formulierung der persönlidren
Kunsfprinzipien, die dieser feinsinnige Maler in
allernächster Zeit als Budr zu veröffentlidren denkt.
Audi diesmal begleiteten Plastik und Ardritektur in
besdreidenerem Maß die Malerei der Jahresausstellung:
von Benno Elkan realistisch durdrmodellierte Porträt-
köpfe, ebenso eine gute Bildnisbiisfe des Prof. Dr.
Rehn von Emil Hub, von Wilhelm Ohly leidrt an
mittelalterlidre Reliefgebundenheit anklingende Leidens-
sfationen für den F'rankfurter Dom, von Paul Seiler
und von Carl Wagner ins Geistige gesteigerte
Frauengestalten, deren Komposition einen vorzüglichen
Zusammenfluß der Linien aufwies. — Von Architekturen
waren sdrließlidr nodr die merkwürdig guten,
expressionistischen Siedelungs-Entwürfe — aber leider
nur „Entwürfe“ — von Otto Fucker zu nennen,
der neuerdings auch hödist amüsantes Kunstgewerbe
anfertigt, und das Teilmodell zu Paul Paravicinis
Haus Autenrieth auf dem Mühlberg in Sadrsenhausen,
an dem man so redif die Strenge des vertikalen
Rhythmus, die klare Flächenmäßigkeit des Reliefs
bewundern konnte, Eigensdiaften, durdr die dieser
Baukünstler, der jeßt wieder im Wettbewerb zur
Ausgestaltung der Nordwand der Braubachstraße
siegte, sidr zum Führer der Frankfurter Moderne
gemadrt hat.
Der geschilderten Jahresausstellung folgt nun zur
Zeit im Kunstvercin eine umfangreidie Gedäditnis-
ausstellung von Ölbildern, Aquarellen, bunten und
sdrwarzen Zeidrnungen für den mit 27 Jahren am
26. September 1914 in der Champagne gefallenen
Kölner August Macke. Mit einem ausgesprochen
bejahenden, musikalisch heiteren Temperament be-
gnadet, beherrsdite dieser jugendlidie Geist die
ganze bildendkünsflerische Entwicklungsfolge von dem
nodr streng gegenständlidr gefesselten Impressionismus
— Macke nradite eine kurze Akademielehre in
Düsseldorf durch — bis zu dem lediglidi in Farben
und stereometrisdren Formen sich ausbalancierenden

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