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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Holl, Karl: Rudi Stephan, 1: Studie zur Entwicklungsgeschichte der Musik am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0858

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1 In Berlin, Breslau,
Heidelberg, Königs-
berg, Graz und Wei-
mar.

2 Die Zusage erfolgte
durdi Kapellmeister Dr.
Ludwig Rottenberg
nach Vollendung des
ersten Aufzuges. Die
für den Winter 1914/15
vorgesehene Aufführung
wurde mit Rücksicht auf
die Eigenart des Wer-
kes bis zum Frieden ver-
tagt und auf Juli 1920
festgeseijt.

3 Ein Entwurf: »Prälu-
dium und (geharnisdite)
Fuge, gesdirieben an
der Wende der Jahre
1914,15« spridrt davon.

4 Der nach Stephans
Tod in der Presse zi-
tierte Entwurf zur Ver-
tonung des das Welt-
friedens - Problem be-
handelnden Dramas
»König Friedwahn« von
Borngräber steht, wie
hier ausdrücklich fest-
gestellt sei, mit dem
lebten Krieg in keinem
Zusammenhang, datiert
vielmehr aus dem Jahre
1911.

emgetrefen waren, wurde der Name Stephan weit über die Kreise der Fachleute
hinaus getragen. Die nach der Drucklegung der Partitur im Winter 1913/14
zahlreich folgenden Wiederholungen1 befestigten den Erfolg von Jena, nament-
lich bei denen, wcldie die Orchester-Musik schon von dorther kannten, Stephan
galt nun als eine unserer stärksten Hoffnungen in der Musik. Man las seinen
Namen immer häufiger denen eines Strauß, Debussy, Delius und Reger an-
gereihf. Als im Dezember 1914 die Kunde durch die Presse ging, er habe das
viel umstrittene erotische Mysterium »Die ersten Menschen« von Otto Born-
gräber für die Bühne vertont und das Werk sei bereits vom Frankfurter Opern-
haus zur Uraufführung angenommen,2 rief diese Nachricht das freudige Erstaunen
und die Genugtuung derer hervor, die auch ihre musikdramatischen Hoffnungen
auf Stephan gesellt hatten. Seit 1911 arbeitete der Künstler an der Oper; am
29. Juli 1914, seinem Geburtstag, am Vorabend des großen Krieges, hat er diese
reifste und vollendetste seiner Partituren abgeschlossen; im Februar 1915 erschien
der von Dr. Louis und Stephan selbst besorgte Klavierauszug. Das Geschenk
dieser Musik Üe^ einen auf Augenblicke das wahnsinnige kriegerisdie Geschehen
vergessen, das ja auch in die Reihen der musikalischen Jugend sdion damals
sdimerzliche Breschen gelegt hatte. Noch war Stephan am Leben; er werde
— so hofften viele — die Scharten auswehen. Die Hoffnung trog. Im März 1915
folgte er als ungedienter Landstürmer dem Ruf zur Fahne, rückte dann gegen
Mitte September als Infanterie-Unteroffizier nadi dem galizisdien Kriegssdiau-
plah ab und ist kaum 14 Tage später: am 29. September als Einziger seiner
Huppe im Schühengraben bei Tarnopol der feindlidien Kugel erlegen. Man kann
nicht im üblichen Sinn von seinem Heldentod reden. Er zählte nadi des Diditers
Wort zu „eines andern Krieges Kriegern, nicht todbringenden, sondern Leben
schaffenden'1. Wohl war Stephan zu Beginn des Ringens von der allgemeinen
Begeisterung ergriffen,3 aber er mufrie fast ein volles Jahr warfen, bis ihm das
Schicksal in dem gewaltigen Getriebe einen Plah zuwies. Der Rastlose, oft wochen-
lang durch Tag und Nadit Tätige war gefesselt. Als er endlich in Reih und
Glied stand, sah er sidi aus seiner Welf urplötdich in die des Tages gerissen, sah
sidr inmitten eines Geschlechtes, das blind für die allgemeine Not des Menschen-
daseins wieder zum Tier zu werden drohte. Möglich, da^ er später einen inneren
Ausgleich gefunden hätte, der ihn mit dem Erlebnis des Krieges versöhnt
hätte. So aber ist ihm, der Feigheit nicht kannte, der Weg ins Feld nicht leicht
geworden.4 Daf; er seine Pflidrf bis zuletd aufs äußerste erfüllt hat, das
wissen wir. (t«h ii folgt.)


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