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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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F U N K E N

Zwischen Volk und Menschheit. (Kriegs-
tagebuch von Rieh. Dehrnel.) LieberRichard D e h m e 1!
Ich sudre meine leiste Fcldpostkarte hervor, um Ihnen
auf ihr für den Genu| zu danken, den mir das Lesen
Ihres Werkes gebracht hat. Es gehört für midi zu den
wenigen angenehmen literarischen Erzeugnissen, die aus
dem schrecklichen Krieg übrig geblieben sind. Mit einem
heiteren, einem nassen Auge nimmt man diese tragi-
komischen Erlebnisse eines unserer stärksten Dichter
während der fürchterlichen vier Jahre in sidi auf: Eines
Dichters, der troh seiner einundfünfzig Jahre glühend
vor Begeisterung im August 1914 („Es kam eine
Hamme ins Haus geweht, heilige Flamme") zu den
Waffen stürmte, die er bisher nie getragen hatte,
und der im November 17 müde, verärgert, gebrochen
und enttäusdrt in sein Altonacr Ersab-Bafaillon zu-
zückkrodi, um alidorf Gefechts- und Frontberichte
für die spätere Kricgsgesdiiditsbesdireibung zu siditen.
Vor einer soldien bleiben wir hoffentlich möglichst
bewahrt. Unverfälschte Kriegserinnerungen wie die
Ihrigen sind besser als alle die zurechtgestuhten und
frisierten, die wir noch über uns ergehen lassen müssen.
Nur eines fehlt mir nodr bei Ihnen wie in Ihrem Buch:
Den lebten Schrift, den zur Menschheit, den Ihr
schöner Titel verheizt, tun Sie nodr nicht! Sie bleiben
im Vorhof zum Himmel stehen und zerbredren sich
noch den Kopf, ob er auf Erden möglich ist, wie der
ungläubige Thomas über die Auferstehung grübelte.
Bejahen Sie diesen sdrönsten Glauben! Gesellen Sic
sich zu unserer kleinsten Schar, zu der Sie innerlich
gehören!
Die Fcldpostkarte geht zu Ende. Aber nie meine
Hoffnung auf die höhere Menschheit, deren Herold
der Dichter sein soll.
Herbert Eulenberg.
Genius. Zeitschrift für alte und werdende Kunst.
l.Buch 1919. K. Wolff Verlag, Leipzig. 28 Mk.
Im Hinblick auf die Ausstattung des ersten Bandes
dieses neuen Unternehmens könnte man den Eindruck
gewinnen, es handle sidr um ein mit großen Mitteln
zutage gefördertes verlegerisches Produkt im Stil der
Luxusbücher früherer Jahre, als sei es infolgedessen
enfbehrlidr und ermangle eines eigentlichen Lebens-
rechfes. Sieht man näher zu, so entdeckt man mehr:
man sföljf auf eine Reihe von Aufsätzen, die einen
dokumentarischen Wert besitzen und sidr einer so
monumentalen Ausstattung (großes Format und grolje
klare Schrift auf schönem Papier) als durchaus würdig

erweisen. Man trifft Bilder (darunter auch ein paar
Originalblätter), deren Auswahl und Zusammenstellung
den ungeübten Betradrter vielleicht verblüffen oder
erschrecken wird, deren Wert jedodr, abzüglich gartz
weniger Ausnahmen, über allem Zweifel steht. Vor
allem wichtig ist aber fesfzustcllen, dah ein solches
Unternehmen zu einem früheren Zeitpunkte undenkbar,
ja sinnlos gewesen wäre, dalj es aber jehf, in einer
Zeit langsam beginnender Klärung und Konsolidierung
der künsflerisdren Formen, einem tatsädrlichen Be
dürfnis entspricht: es ist symptomatisch für eine
typisdie Einsfellungsart gegenüber der neuen Kunst.
Hier hat sidr eine kleine Gesellschaft von Beobachtern
und krifisdren Schriftstellern zusammengefunden, zu
derlen man unbedingt Vertrauen haben darf, -
sie suchen ihre Leser und Hörer nidrf zu überreden,
sondern es lebt in ihnen eine schöne,' objektive, philo
sophisdre Besonnenheit den Kunsfersdreinungen gegen
über. Und diese Objektivität und Besonnenheit ist
keine kühl-reservierte Teilnahmslosigkeit, sondern das
ist das Beglückende: Diese Männer haben Erfahrung
vom Geist der neuen Zeit (deren Anfang nebenbei
nidrf mit dem der „sozialistischen Republik" zusammen
fällt), ja sie leben innerlich von ihm, von diesem ge-
waltigen Wollen, das sich heute enrporringf, aber -
das ist das Entsdreidendc — sie glauben ihm besser
durch eine verstehende Kritik, als durch rückhaltlos-
enthusiastisches Bekenntnis dienen zu können. —
Die P'ornr der Halbjahrsbände wäre diskutabel; sic
hat für sich eine mehr gesdrlossene, dokunrentarisdre
Wirkung und hinterlähf leichter den Eindruck des
Bleibenden, Gesidrerfen, des allem Zufälligen, allen
Tagesnroden Entrückten; der Unrrilf wirkt vielleicht
reiner und eindeutiger, als der einer monatlichen Zeit-
schrift. Hingegen hat diese, falls sie ihre Aufgabe
vorbildlich erfüllt, den Vorzug einen breiteren, leben-
digeren, unmittelbareren Wirkung auf das Kunstgefiihl
ihres Leserkreises, sie bleibt mehr im Zusammenhang
mit den vielen Ereignissen und Erscheinungen, diesen
Farbenflecken, aus denen sidr das Gesamtbild und
das Antlih einer Kunstepoche in langsam-stetiger Be-
wegung bildet. Man könnte beide Arten von Publi-
kationsformen Geschwister nennen, von gleidrer Ab-
stammung und mit gleichem Lebensziel; beides Doku-
mente des Genius der Zeit, beide dienen dem Genius,
unter dessen Sonne wir leben und wirken, und des-
halb wollen wir ihn grüßen, den Bruder, und ihm
winken zu seiner stolzen Fahrt!
Beyer.

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