Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

DOI Heft:
Februar-Heft
DOI Artikel:
Frieg, Will: Junge westfälische Künstler
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0409

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
JUNGE WESTFÄLISCHE KÜNSTLER
Will Frieg

AUFTAKT
Es ist zu natürlich, dah nadi vier- bis fünfhundertjähriger Ruhe ein neues Aufblühen der alten
westfälisdien, im besonderen der Soester Malersdiule sich ereignet. Der Boden hat während
dieser Zeit zur Brache gelegen und läbt nun die gesammelten Kräfte aufsdüeijen in kräftigen hohen
Bäumen, in üppigen Halmen, aber auch in kleinen Zierblumen. Weldie Bilder taudren nidit auf
beim Nennen der Namen Konrad von Soest, Johann von Körbecke, Gert von Lon, Liesborner Meister,
Sdiöppinger Meister, Heinridr Aldegrever! Gro^e Altartafeln mit roten, reidiverzierten Einfassungen
stehen vor uns im Geist. Auf sonnigem Goldgrund die Leidensgesdiichfe Jesu, deren einzelne
Szenen durch rofgriine Stäbe getrennt sind. Und immer besonders sdiön die Kreuzigung! Ein reidier
Aufzug ums Kreuz: Ritter auf weihen, roten und grauen Pferden, geharnisdife Knedife mit Lanzen,
Bauern, Frauen mit weihen Kopfhauben. Uber allen Gemälden breitet sich ein griinrötlidier Sdiein, wie
er über Soest liegt, besonders an den aus Grünsandstein erbauten Kirchen, wie er lagert über
der reichgesegneten Börde mit den grünroten Dörfern. Es seien von diesen Tafeln nur genannt:
der Niederwildunger Altar, Christus am Kreuz im Patroclidom zu Soest, die Warendorfer Tafel,
der Altar des Schöppinger Meisters aus der Wiesenkirche in Soest (jetjt im Kaiser-Friedridi-
Museum), und all die vielen Altäre im Landesmuseum zu Münster. Der Name Aldegrever
zaubert uns ein reidies Sdiwarzweih-Werk vor Augen: in Kupfer gestochene Bildnisse von
sidi selbst, von den Wiedertäufern Johann von Leiden und Knipperdolling, von Albert von der
Helle, vom Herzog Wilhelm von Jülich; herrlidie Ornamente mit üppigem Blattrankenwerk (im
Kunstgewerbe als Aldegreverornanrent bekannt); Entwürfe zu Dolchscheiden, Alphabete, Putten-
tänze, Illustrationen zur Herkulessage, der Gesdrichte Lots: vieles bizarr, kraus, spukhaft, bis ins
Frauenhafte gehend. Der Einfluh dieser alten Soester Malerschule erstreckte sidi weit über Nieder-
deutschland, erstreckte sich über alle Länder um die Ostsee herum. Wisby auf Gotland hat das
Eigentümlidre von Soest. Wer heute nadr Lübeck kommt, dem wird nidit nur das grünrote
Gesamtstadtbild auffallen, der wird auch in den Stadtteilen, in den Strahen stark an Soest
erinnert; unzähligemal wird er auf den Firmenschildern den Namen Westfalen lesen. Die Bilder
der Lübecker Malersdiule weisen Ähnlichkeiten mit den Gemälden der westfälischen Schule auf.
Die Meister Hermann Rode und Bernt Notkes, sowie auch die Hamburger Francke und Bertram
stammen aus Westfalen oder haben starke Beziehungen dahin. Sogar der Stein der Plastiken
in der Marienkirdie zu Lübeck ist aus dem Münsterlande von westfälischen Künstlern mitgenommen
worden. ÄhnÜdi wie in Lübeck war es in Wismar, in Rostock, im ganzen Baltikum. Im Sdiweriner
Museum stehen drei westfälische Altäre, und der Name Hermann Rode wandert über Riga, Reval,
Stockholm um die Ostsee herum. Die starke Ausstrahlung der alten Hansasfadt Soest mag
nur angedeutet werden durdi die Tatsachen, dah das Soester Stadtredit dem von Lübeck und
vielen andern norddeutschen Städten zugrunde gelegt wurde, dah Soester Kaufherrn den Sdiliissel
zum Hansakasten in Nowgorod hatten, Soester Patrizier in den Ratssesseln von Reval sahen
und es auf dem Rathause in Riga noch heute eine Soestisdie Stube gibt. — — — Der Gesamt-
Farbendiarakter der oben angedeuteten Malereien ist grünrot. Nur am obern Rand der Bilder,
im Bereidie des Himmels, ist ein Streben aus dem Grün ins Blaue bemerkbar. Von allen ger-
manisdien Stämmen haben die Sadisen, die Westfalen diesen Akkord am stärksten bewahrt,
weil ihnen der alte heidnische Glaube, die Liebe zu Baum und W ald am stärksten verblieb.
Unser gröhfer deutsdier Maler heihi Griinewald; genannt seien nur nodi die Namen: Hans Baidung,
genannt de Grien, Lohengrin, Tannhäuser, von Esdienbadi, von der Aue, Eidiendorff, Grün und

351
 
Annotationen