FUN
KEN
Jünger des Kubismus. Bei M. Gold-
schmidf & Cie. zu Frankfurt a. M. stellte die sehr
radikale Karlsruher „Ma 1er gruppe Ri h“, deren Haupt
Georg iS cholz, Gröffingen, ist, aus. Scholz selbst weih
aus dem Kubismus sidr ein treffsidreres Kunsfgewerbe
herzuleifen, mit dem er schlagende Karikaturen biblischer
Heldenszenen fertigbringt. Tiefere Bedeutung hat seine
smarte Art nicht. Ein anderer Rudolf Sdrliditer
erscheint als deutscher grobsdrlächtiger Imitator von
Picasso: Zerlegung des Bildganzen in bunt geometri-
siertc Einzelflächen, zwischen die naiv realistisdre, kleine
Gegenstände eingestreut sind. Audi hier fehlt noch jede
innere Notwendigkeit. Der beste dieser Alalergruppe
wird wohl der Kandinsky-Jünger Wladimir Zabofin
sein, dessen anmutig verfeinertes Formen- und Farben-
gefühl auf Pariser Schulung zurückgeht. Wie in den
Zeichnungen der älteren Steinzeit erscheinen als klare
Silhouetten zierlidre Figuren, paarweise Pferde, graziöse
Frauen auf einheitlich gefärbtem Grund, sodaff man
wünscht, derlei Kompositionen als Teppichgewebe aus-
geführf zu sehen.
Als wesensverwandt schliefst sidr der „Gruppe Rih“
der Münchener Aloys Wach (Wachenmeyer, zur
Zeit Oberösterreidr) an, unter der Räterepublik
Kultusminister, dessen erste Amtshandlung die
Entthronung der Akademiehäupter Stuck und
Zügel war. Wach ist reiner Kubist von jener
prismatischen Richtung, welche die Sichtbarkeit von bunten
Lichtkegeln kreuzweise durchstrahlen läfft. Alles Gegen-
ständliche formt sich zu vielfarbigen Kristallen, die
sidr dann ihrerseits wieder in Kreisen, elliptischen Linsen
zusammenordnen. Die Farben stehen bald komple-
mentär zueinander wie etwa Rot und Grün, bald
herrscht ein sonorer Grundton, Tiefgrün, Tiefblau,
als stimmunggebend vor. Für diese Art Kubis-
mus ist es stets drarakferisfisdr, wie sich die Farben
von größter Intensität zur hellsten Verblasenheit ab-
wandeln. Man denkt unwillkürlich an hell beleuchtete
Seidenstoffe, und Aloys Wadr zieht fafsächlidr diese
Konsequenz, indem er einige seiner Kompositionen,
»Weiblicher Akt«, »Frauenkopf«, in Plaftstidr mit
bunten Seidenfäden ausführen läljf. Das könnte wieder
auf Kunstgewerbliches führen, wie man denn auch bei
dem an sich für die Zukunft viel versprechenden Wadr
nie des Gefühls sich erwehren kann, daff sich hier
eine künstliche Sprache fremder Formulierungen be-
dient, die mehr einem Stil- als persönlichen Organis-
mus erwachsen sind. Das Redrt zur Hoffnung geben da-
gegen seine kubisfischen Bildvisionen »Träumender«,
»Mondgänger«, »Hoffender«, die in ihrer Art eine
eigentümliche Lyrik verkünden, oder seine auf ein reales
Leben eingestellte Kompositionen: »Zirkus«, »Unter-
grundbahn«, »Nordring«, wo das aufs engste durch-
einander gewirbelte Gedränge von Figuren, Prismen,
Inschriftfragmenten um ein Zentrum geordnet erscheint.
Hier mag sidr die vom Künstler beabsiditigfe Identität
von Form und Inhalt allnrählidr vorbereiten.
Dr. FriE Hoeber.
Ernst Michel, Der Weg zum Mythos
(Jena, E. Diederichs). Die kleine Schrift des noch
Unbekannten ist eins von jenen eigenwilligen Büchern,
die ein zwiespältiges Gesamtgefühl in uns zurücklassen:
es erregt manchmal Unwillen durch seinen ungeklärten
Stil, durch den man sich oft wie durch Gestrüpp
hindurchschlägt, er ist nicht gerade geeignet, dem
Verständnis der hier in Frage stehenden besonders
schwierigen Probleme förderlidr zu sein; es wirkt hin
und wieder anstößig durch die recht gewaltsam-neuartigen
Geschidrtskonstruktionen, die mir allzuleicht als starre
Schematik erscheinen; auch möchte man einen weniger
einseitig spekulativ und metaphysisch unterstrichenen
Standpunkt der Gesamtauffassung wünschen; und
sdrliefflidr wird sich der Sdrreiber durch seine leiden-
schaftlidi zur Geltung gebradrte Zu- oder Abneigung
gegenüber historischen (oder noch unter uns weilenden)
Erscheinungen der Geistesgeschidrte nidrt immer Freunde
erwerben. Troff derartiger Vorwürfe und Einwände
ist es ein Buch, das es lohnt, gelesen zu haben, das
man vielleidit mehrere male hintereinander lesen müffte,
um ihm geredrt zu werden, das ein ganzes Füllhorn
von Anregungen und scharf und glücklidi formulierten
Fragestellungen, von Erkenntnissen, die entweder auf
ersten Antrieb, oder nach und nach als fruchtbar und
bedeutsam empfunden werden, vor seinen Lesern hin-
schüttet. Das Buch läfft nidrt gleidr wieder los, und
es ist auf dem rechten Wege, wenn man ihm auch
mit voller Entschiedenheit den Anspruch wehren muff,
mehr zu sein als eben nur ein Wegweiser im allge-
meinsten Sinne.
Die Grunderkenntnis des Verfassers ist die schon
oft und schnrerzlidr von ersten Geistern empfundene
Gewiffheif, daff wir keinen Mythos mehr besiffen, und
daff allein aus einem Mythos das geistige, sdröpfe-
rische Leben eines Zeitalters in wirklicher Kraft und
ewiger Jugend erwachsen kann. Die mythischen Elemente,
die bisher in der christlich-abendländisdren Mensdiheifs-
gesdridite sidi als wirksam erwiesen haben, könnten viel-
leicht audr heute weiterhelfen, — ihre Vergegenwärtigung
216
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Jünger des Kubismus. Bei M. Gold-
schmidf & Cie. zu Frankfurt a. M. stellte die sehr
radikale Karlsruher „Ma 1er gruppe Ri h“, deren Haupt
Georg iS cholz, Gröffingen, ist, aus. Scholz selbst weih
aus dem Kubismus sidr ein treffsidreres Kunsfgewerbe
herzuleifen, mit dem er schlagende Karikaturen biblischer
Heldenszenen fertigbringt. Tiefere Bedeutung hat seine
smarte Art nicht. Ein anderer Rudolf Sdrliditer
erscheint als deutscher grobsdrlächtiger Imitator von
Picasso: Zerlegung des Bildganzen in bunt geometri-
siertc Einzelflächen, zwischen die naiv realistisdre, kleine
Gegenstände eingestreut sind. Audi hier fehlt noch jede
innere Notwendigkeit. Der beste dieser Alalergruppe
wird wohl der Kandinsky-Jünger Wladimir Zabofin
sein, dessen anmutig verfeinertes Formen- und Farben-
gefühl auf Pariser Schulung zurückgeht. Wie in den
Zeichnungen der älteren Steinzeit erscheinen als klare
Silhouetten zierlidre Figuren, paarweise Pferde, graziöse
Frauen auf einheitlich gefärbtem Grund, sodaff man
wünscht, derlei Kompositionen als Teppichgewebe aus-
geführf zu sehen.
Als wesensverwandt schliefst sidr der „Gruppe Rih“
der Münchener Aloys Wach (Wachenmeyer, zur
Zeit Oberösterreidr) an, unter der Räterepublik
Kultusminister, dessen erste Amtshandlung die
Entthronung der Akademiehäupter Stuck und
Zügel war. Wach ist reiner Kubist von jener
prismatischen Richtung, welche die Sichtbarkeit von bunten
Lichtkegeln kreuzweise durchstrahlen läfft. Alles Gegen-
ständliche formt sich zu vielfarbigen Kristallen, die
sidr dann ihrerseits wieder in Kreisen, elliptischen Linsen
zusammenordnen. Die Farben stehen bald komple-
mentär zueinander wie etwa Rot und Grün, bald
herrscht ein sonorer Grundton, Tiefgrün, Tiefblau,
als stimmunggebend vor. Für diese Art Kubis-
mus ist es stets drarakferisfisdr, wie sich die Farben
von größter Intensität zur hellsten Verblasenheit ab-
wandeln. Man denkt unwillkürlich an hell beleuchtete
Seidenstoffe, und Aloys Wadr zieht fafsächlidr diese
Konsequenz, indem er einige seiner Kompositionen,
»Weiblicher Akt«, »Frauenkopf«, in Plaftstidr mit
bunten Seidenfäden ausführen läljf. Das könnte wieder
auf Kunstgewerbliches führen, wie man denn auch bei
dem an sich für die Zukunft viel versprechenden Wadr
nie des Gefühls sich erwehren kann, daff sich hier
eine künstliche Sprache fremder Formulierungen be-
dient, die mehr einem Stil- als persönlichen Organis-
mus erwachsen sind. Das Redrt zur Hoffnung geben da-
gegen seine kubisfischen Bildvisionen »Träumender«,
»Mondgänger«, »Hoffender«, die in ihrer Art eine
eigentümliche Lyrik verkünden, oder seine auf ein reales
Leben eingestellte Kompositionen: »Zirkus«, »Unter-
grundbahn«, »Nordring«, wo das aufs engste durch-
einander gewirbelte Gedränge von Figuren, Prismen,
Inschriftfragmenten um ein Zentrum geordnet erscheint.
Hier mag sidr die vom Künstler beabsiditigfe Identität
von Form und Inhalt allnrählidr vorbereiten.
Dr. FriE Hoeber.
Ernst Michel, Der Weg zum Mythos
(Jena, E. Diederichs). Die kleine Schrift des noch
Unbekannten ist eins von jenen eigenwilligen Büchern,
die ein zwiespältiges Gesamtgefühl in uns zurücklassen:
es erregt manchmal Unwillen durch seinen ungeklärten
Stil, durch den man sich oft wie durch Gestrüpp
hindurchschlägt, er ist nicht gerade geeignet, dem
Verständnis der hier in Frage stehenden besonders
schwierigen Probleme förderlidr zu sein; es wirkt hin
und wieder anstößig durch die recht gewaltsam-neuartigen
Geschidrtskonstruktionen, die mir allzuleicht als starre
Schematik erscheinen; auch möchte man einen weniger
einseitig spekulativ und metaphysisch unterstrichenen
Standpunkt der Gesamtauffassung wünschen; und
sdrliefflidr wird sich der Sdrreiber durch seine leiden-
schaftlidi zur Geltung gebradrte Zu- oder Abneigung
gegenüber historischen (oder noch unter uns weilenden)
Erscheinungen der Geistesgeschidrte nidrt immer Freunde
erwerben. Troff derartiger Vorwürfe und Einwände
ist es ein Buch, das es lohnt, gelesen zu haben, das
man vielleidit mehrere male hintereinander lesen müffte,
um ihm geredrt zu werden, das ein ganzes Füllhorn
von Anregungen und scharf und glücklidi formulierten
Fragestellungen, von Erkenntnissen, die entweder auf
ersten Antrieb, oder nach und nach als fruchtbar und
bedeutsam empfunden werden, vor seinen Lesern hin-
schüttet. Das Buch läfft nidrt gleidr wieder los, und
es ist auf dem rechten Wege, wenn man ihm auch
mit voller Entschiedenheit den Anspruch wehren muff,
mehr zu sein als eben nur ein Wegweiser im allge-
meinsten Sinne.
Die Grunderkenntnis des Verfassers ist die schon
oft und schnrerzlidr von ersten Geistern empfundene
Gewiffheif, daff wir keinen Mythos mehr besiffen, und
daff allein aus einem Mythos das geistige, sdröpfe-
rische Leben eines Zeitalters in wirklicher Kraft und
ewiger Jugend erwachsen kann. Die mythischen Elemente,
die bisher in der christlich-abendländisdren Mensdiheifs-
gesdridite sidi als wirksam erwiesen haben, könnten viel-
leicht audr heute weiterhelfen, — ihre Vergegenwärtigung
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