jebt darum — man beachte wohl —, ob diese
Ausstellung zu einem Kunstereignis in grobem
Stile werden oder lieber auf dem traurigen
Niveau der Verkaufsausstellungen (Markt-
hallen) verharren will. Der historisdie Moment
ist eigentlidi sdion versehen, aber im Anfang
kommen Fehler vor. Hier wäre wirklidr eine
Gelegenheit, mit vielen, hellen, sdrönen Räumen
etwas Gutes zustande zu bringen. Natürlich
mühte eine rigorose Sonderung der Alten von
den Neuen vorausgehen, — von sehr verständiger
Seite ist der Vorschlag gemacht worden, jede
der beiden Riditungen in zwei selbständigen
Jahresausstellungen zu Worte kommen zu lassen.
Das Entscheidende wäre aber das Prinzip:
möglidist wenige, aber einwandfreie, doku-
menfarische Werke der neuen Kunst; und: jedem
einzelnen Werke so viel wie irgend möglidi Luft
und Raum! Audi so viel wie möglidi Liebe
und seine Wirkung steigerndes Milieu! Denn
die Zeit der seelisdi teilnahmslosen Kunst -
paraden mit ihren grotesken Eröffnungsreden
gehört zu den Kuriositäten der mensdilidien
Geschichte!
Georg Simmel.
Der Kulfurphilosoph unserer Zeit.
(Geboren in Berlin 1. März 1858; gestorben in Strasburg 26. September 1918.)
Dr. Fritz Hoeber.
das klassische Dreigestirn am
Himmel der deutschen Philosophie,
Kant, Fichte, Hegel, das gleichzeitig
die absoluten Probleme der Philo-
sophie systematisch erörtert und dem deutschen
Geist eine Vormachtstellung in der denkenden
Welt gesichert hatte, sdiien im Laufe des
19. Jahrhunderts eine Reaktion zu erfolgen:
nach der philosophisch unendlichen Fruditbarkeif
eine beträchtliche Dürre in der geistigen Sdiöpfer-
kraft. Das allumfassende Gebiet der Philosophie
wurde aufgeteilt unter fachwisseöschaflliche Erben,
unter die materialistisdie Naturwissenschaft hier,
die etwa in Form der experimentierenden Psydio-
logie den begrifflich-kausalen Teil übernahm,
und die erzählende Kulturgesdiidite da, welche die
Entwicklung des menschlichen Geistes nadi der
Methode jeder andern historischen Wissenschaft
darstellen sollte.
Damit war die Philosophie eigentlich über-
flüssig, und Philosophieren oder sogar Metaphysik
wurden dem herrschenden Positivismus gernäb
zu einem Gebiet des jedermann offenstehenden
Dilettantismus erklärt. An den deutschen Uni-
versitäten erschien die Philosophie denn auch
meist nur noch unter zwei b ormen: als Philosophie-
geschidite, die möglidist neutral die Folge der
verschiedenen Denksysteme der Vergangenheit
wieder gab, und als empirische Psychologie
mit der mechanisdien Methode des Einzel-
experimentes. Diesem neuen „Psydiologismus“
wurden die andern systematischen Fächer wie
Erkenntnistheorie, Logik, Ästhetik mehr oder
minder unterworfen. Kein Wunder, wenn bei
diesem teils materialistischen, teils blob rück-
schauenden Betrieb die wesentliche Aufgabe der
Philosophie verkümmerte: Das Ganze des
Daseins in seinen Ursadien und seinen Zielen
zu ergründen, die Sadie durch den Geist aus
ihrer materiellen und zeitlichen Vereinzelung zu
befreien und sie in schöpferische Zusammen -
, hänge zu stellen, die jenseits der Erkenntnis
aller Fadiwissensdiaft liegen, und damit unserer
eigenen Kultur erst ihre tiefste, innerlidiste
Begründung zu geben.
Gegenüber jener allgemein an der Universität
herrschenden „Professorenphilosophie der Philo-
Sophieprofessoren“ nahm Georg Simmel eine
einzigartige, durchaus persönlidie Stellung ein:
Simmel trug nur seine Philosophie vor. Er
65
Ausstellung zu einem Kunstereignis in grobem
Stile werden oder lieber auf dem traurigen
Niveau der Verkaufsausstellungen (Markt-
hallen) verharren will. Der historisdie Moment
ist eigentlidi sdion versehen, aber im Anfang
kommen Fehler vor. Hier wäre wirklidr eine
Gelegenheit, mit vielen, hellen, sdrönen Räumen
etwas Gutes zustande zu bringen. Natürlich
mühte eine rigorose Sonderung der Alten von
den Neuen vorausgehen, — von sehr verständiger
Seite ist der Vorschlag gemacht worden, jede
der beiden Riditungen in zwei selbständigen
Jahresausstellungen zu Worte kommen zu lassen.
Das Entscheidende wäre aber das Prinzip:
möglidist wenige, aber einwandfreie, doku-
menfarische Werke der neuen Kunst; und: jedem
einzelnen Werke so viel wie irgend möglidi Luft
und Raum! Audi so viel wie möglidi Liebe
und seine Wirkung steigerndes Milieu! Denn
die Zeit der seelisdi teilnahmslosen Kunst -
paraden mit ihren grotesken Eröffnungsreden
gehört zu den Kuriositäten der mensdilidien
Geschichte!
Georg Simmel.
Der Kulfurphilosoph unserer Zeit.
(Geboren in Berlin 1. März 1858; gestorben in Strasburg 26. September 1918.)
Dr. Fritz Hoeber.
das klassische Dreigestirn am
Himmel der deutschen Philosophie,
Kant, Fichte, Hegel, das gleichzeitig
die absoluten Probleme der Philo-
sophie systematisch erörtert und dem deutschen
Geist eine Vormachtstellung in der denkenden
Welt gesichert hatte, sdiien im Laufe des
19. Jahrhunderts eine Reaktion zu erfolgen:
nach der philosophisch unendlichen Fruditbarkeif
eine beträchtliche Dürre in der geistigen Sdiöpfer-
kraft. Das allumfassende Gebiet der Philosophie
wurde aufgeteilt unter fachwisseöschaflliche Erben,
unter die materialistisdie Naturwissenschaft hier,
die etwa in Form der experimentierenden Psydio-
logie den begrifflich-kausalen Teil übernahm,
und die erzählende Kulturgesdiidite da, welche die
Entwicklung des menschlichen Geistes nadi der
Methode jeder andern historischen Wissenschaft
darstellen sollte.
Damit war die Philosophie eigentlich über-
flüssig, und Philosophieren oder sogar Metaphysik
wurden dem herrschenden Positivismus gernäb
zu einem Gebiet des jedermann offenstehenden
Dilettantismus erklärt. An den deutschen Uni-
versitäten erschien die Philosophie denn auch
meist nur noch unter zwei b ormen: als Philosophie-
geschidite, die möglidist neutral die Folge der
verschiedenen Denksysteme der Vergangenheit
wieder gab, und als empirische Psychologie
mit der mechanisdien Methode des Einzel-
experimentes. Diesem neuen „Psydiologismus“
wurden die andern systematischen Fächer wie
Erkenntnistheorie, Logik, Ästhetik mehr oder
minder unterworfen. Kein Wunder, wenn bei
diesem teils materialistischen, teils blob rück-
schauenden Betrieb die wesentliche Aufgabe der
Philosophie verkümmerte: Das Ganze des
Daseins in seinen Ursadien und seinen Zielen
zu ergründen, die Sadie durch den Geist aus
ihrer materiellen und zeitlichen Vereinzelung zu
befreien und sie in schöpferische Zusammen -
, hänge zu stellen, die jenseits der Erkenntnis
aller Fadiwissensdiaft liegen, und damit unserer
eigenen Kultur erst ihre tiefste, innerlidiste
Begründung zu geben.
Gegenüber jener allgemein an der Universität
herrschenden „Professorenphilosophie der Philo-
Sophieprofessoren“ nahm Georg Simmel eine
einzigartige, durchaus persönlidie Stellung ein:
Simmel trug nur seine Philosophie vor. Er
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