Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur (1.1919/1920)

MIA KUCKHOFF
STROM

I.
Zieht noch immer der Strom
breit unter verschleierter Luft
langsam zum Meer?
Ich bin nicht mehr bei ihm, ruhe nicht mehr
beseligt in Schleiern der Luft neben dem ziehenden Strom —
Aber ich weih, und lächle, er strömt noch immer zum Meer,
unter verschleierter Luft, der Geliebte, breit durch das Land!
IL

Am Frühlingsregentag
die schweren grauen Wolken gingen
stromabwärts mit —
Wie Mutter Kindes Weg, das ihr entwuchs,
in mutterzarter Sorge geht und halb
sich selbst in seinen Zügen kennend, scheuer Freude —
so gehn und schaun in Stromes Fläche
die schweren grauen Wolken mit,
stromabwärts mit dem Strom — —
Ihr Bild bewahrend aber zieht
der grobe Strom
gewaltig alten Weg zum Meer gezogen,
und erdgehalten ziehen seine Wogen,
drin Himmel hängt, die erdenstarke Bahn.
III,
Die schweren grauen Wolken ziehn
— und sind ein Strom am Himmel — mit
dem Strome abwärts.
Und sind ein Strom und ziehn, und ziehn: zu münden
wie Strom ins Meer.

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