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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Edschmid, Kasimir: Profile, 4, Leonhard Frank
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0673

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PROFILE
IV.
LEONHARD FRANK
KASIMIR EDSGHMID

Nun wird die Welt sehr fest und hart. Granit und Basalt werden ausgespien
von dem Geist. Aus den dicksten und schwersten Kristallen wird die Form
gebrochen. Die Situation liegt so, dah hier das Deutsche sich mit den Reali-
täten auseinanderseht. Zwischen zwei Polen wird hier geschafft: Dosfojewsky plus
Boche. LeonhardFrankist ein Bauernformat, ein Schlosser, ein Fußballspieler, au^en
rechts, den beim Goalsprung die ekstatische russische Seelenhölle überfällt. Sie hat
ihren Zug durch Deutschland schon vor Lunatscharsky und Lenin begonnen. Eigent-
lich werden Tolstoi undDostojewskyjeht erst aktuell. Ganz vom (gewöhnlich jüdischen)
Geist her, auf gefaxt und weitergegeben, hat sie mancherlei Gefolgschaft. Kornfeldhat
sie in Arien und dramatischen Monologen oft bezaubernder Art gefangen. Mondän
und elegant verfuhr mit ihr schon Bruno Frank, doch ist er nicht hier einzuwechseln.
Sehr deutlich ward die Angelegenheit, als sie tatsächlich auf rein germanischen
Ambos geriet. Die wurde mit furioser Wucht aufgelegt und mit dem Schreien
eines Stieres geschichtet. Die Musik der ganz reinen Wolkengeister ist immer
für den Zenakel, den ergriffenen Schwärmer unter der Abendlampe und für ab-
strakte Kaffern. Geschmetter und Zulauf und Wirkung, Tat, vor allem kommt nur,
wenn ihr unterwegs ein gesunder Naturalismus begegnet und sie rasend in ihn
fährt. Aus der Reibung, dem bis an alle Himmeldecken dampfenden Beischlaf
fährt erst das elektrische Gewitter der aufziehenden Idee. Zuerst stief^ Frank noch
grob und derb gegen die Erziehung, denn was er seither schrieb, ist filtriert aus
seinen schlechten Erfahrungen, und seine Wunden bluten sich ins Buch. Da war
noch Jugendliches manchmal, aber es drängte schon Bitternis nach. Dann griff
er entschlossen ins Dostojewskyhafte und stellte es auf massive deutsche Beine,
das heilst, er ahmte es nicht nach, sondern infizierte sich damit. Aus der Okulierung
kam seine Sprache, zuerst noch schleichend wie ein verstörter, im Leben unsicherer
riesiger Proletarier, dem aber Ziel und Gewißheit unfehlbar sicher sind. Im Krieg
gab es Novellen, die Predigten sind. Man wird einmal finden, sie seien das
einzige Dokument der deutschen Dichter gegen den Krieg. Ein paar Exemplare,


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