UBER DEN STIL.
Aus einer Rede von Buff oh.
„Le style c’est l'homme meine.“
Buffon.
. . . . Der Stil ist nichts anderes als die Ordnung und das Tempo, die man seinen
Gedanken gibt. Wenn man sie eng aneinander. schließt, miteinander verknüpft, wird der Stil
straff, knapp und lebendig; labt man sie langsam folgen und nur zufällig durdi Worte verbunden
— sie mögen so großartig sein, wie sie wollen — dann wird der Stil weitsdrweifig, matt und
sdrleppend.
Bevor man aber nadr der Ordnung sucht, in der man seine Gedanken darstellen will, muß erst
eine allgemeinere, festere gewonnen sein, die sidr nur auf die Hauptgesichfspunkte und die widitigsten
Gedanken bezieht: durch deren Anordnung in diesem Urschema wird ein Problem ums dir i eben und
seine Tragweite erkennbar; hält man sich diesen ersten Entwurf dauernd gegenwärtig, dann kann
man die Abstände zwisdren den Hauptgedanken richtig bestimmen und daraus ergeben sidr dann audr
die überleitenden und ergänzenden Nebengedanken. Ein genialer Instinkt enthüllt einem die allge-
meineren und besonderen Gedanken in ihren ridrtigen Beziehungen; ein sehr feines Unterscheidungs-
Vermögen läßt einen unfruchtbare Denkungen von fruchtbaren Ideen untersdreiden; eine durch häufige
sdrriftstellerisdre Übung erworbene Sdiarfsichtigkeit seht einen instand, das Ergebnis all dieser
Geistesarbeit im voraus zu überschauen. Der Stoff mag noch so beschränkt und einfadi sein, es
ist dennodi selten, daß man ihn mit einem Blick völlig übersieht oder mit einer einzigen und ersten
genialen Anstrengung ganz durchdringt, und selten genug erkennt man auch nadr vielem Nadr-
denken sämtliche Beziehungen richtig. Man kann also gar nicht fleißig genug dabei sein; das
ist sogar das einzige Mittel, seinen Gedanken Halt, Tiefe und Schwung zu geben: je mehr man
ihren Inhalt, ihre Intensität durch Machdenken zu steigern versteht, desto leichter ist es dann,
ihnen den riditigen Ausdruck zu verleihen.
Dieses Sdiema ist noch nicht der Stil, aber es ist seine Grundlage; es gibt ihm Halt und Ridrfung,
es bestimmt sein Tempo, gibt ihm sein Geseh: ohne das gerät der beste Schriftsteller auf Abwege,
denn seine führerlose Feder wirft auf gut Glück regellose Einzelheiten und zusammenhanglose Bilder
aufs Papier. Er mag sich der glänzendsten Farben bedienen, in Einzelheiten die größten Schönheiten
legen — sowie das Ganze ansfößf oder als soldies nidit genügend zur Geltung kommt, fehlt dem
Werk die richtige Anordnung; und bei aller Bewunderung für den Geist des Verfassers wird man
annehmen dürfen, daß es ihm an Genialität fehlt. Das ist audi der Grund, weshalb Leute, die
so schreiben, wie sie sprechen, sdiledit schreiben, selbst wenn sie noch so gut sprechen; weshalb
die vom ersten Feuer ihrer Eingebung Ubermannten eine Tonart anschlagen, die sie nicht durch-
halten können; weshalb jene, die, aus Angst ihre zusammenhanglosen und zerstreuten Gedanken
zu verlieren, gelegentlidre Bruchstücke sdireiben, diese niemals ohne gewaltsame Übergänge zu
einem Ganzen bringen können; kurz, weshalb es so viel Stückwerk und so wenig Werke aus einem
Guß gibt. Sdrließlidr ist dodr jeder Stoff eine Einheit; und wenn er audr nodr so umfänglidr
ist, so kann er dodr einheitlich behandelt werden. Von Unterbredrungen, Pausen, Teilungen sollte
nur bei Behandlung verschiedener Gegenstände Gebrauch gemacht werden oder wenn bei Darstellung
großer, sdrwieriger und uneinheitlicher Dinge der Geist seinen Weg durch die Vielfältigkeit der
Hindernisse unterbrochen oder sich durdr die Umstände dazu genötigt sieht: sonst verhindert
die grolle Anzahl von Einteilungen den Zusammenschluß des Werks zu einem Ganzen, statt es
in sich zu festigen; das Budr scheint zwar den Augen klarer, doch der Plan des Autors bleibt
dunkel; es kann keinen Eindrude auf den Leser madien; einzig und allein durdr die Stetig-
keit der Darstellung kann etwas zur Geltung kommen, durdr die harmonisdre Abfolge
501
Aus einer Rede von Buff oh.
„Le style c’est l'homme meine.“
Buffon.
. . . . Der Stil ist nichts anderes als die Ordnung und das Tempo, die man seinen
Gedanken gibt. Wenn man sie eng aneinander. schließt, miteinander verknüpft, wird der Stil
straff, knapp und lebendig; labt man sie langsam folgen und nur zufällig durdi Worte verbunden
— sie mögen so großartig sein, wie sie wollen — dann wird der Stil weitsdrweifig, matt und
sdrleppend.
Bevor man aber nadr der Ordnung sucht, in der man seine Gedanken darstellen will, muß erst
eine allgemeinere, festere gewonnen sein, die sidr nur auf die Hauptgesichfspunkte und die widitigsten
Gedanken bezieht: durch deren Anordnung in diesem Urschema wird ein Problem ums dir i eben und
seine Tragweite erkennbar; hält man sich diesen ersten Entwurf dauernd gegenwärtig, dann kann
man die Abstände zwisdren den Hauptgedanken richtig bestimmen und daraus ergeben sidr dann audr
die überleitenden und ergänzenden Nebengedanken. Ein genialer Instinkt enthüllt einem die allge-
meineren und besonderen Gedanken in ihren ridrtigen Beziehungen; ein sehr feines Unterscheidungs-
Vermögen läßt einen unfruchtbare Denkungen von fruchtbaren Ideen untersdreiden; eine durch häufige
sdrriftstellerisdre Übung erworbene Sdiarfsichtigkeit seht einen instand, das Ergebnis all dieser
Geistesarbeit im voraus zu überschauen. Der Stoff mag noch so beschränkt und einfadi sein, es
ist dennodi selten, daß man ihn mit einem Blick völlig übersieht oder mit einer einzigen und ersten
genialen Anstrengung ganz durchdringt, und selten genug erkennt man auch nadr vielem Nadr-
denken sämtliche Beziehungen richtig. Man kann also gar nicht fleißig genug dabei sein; das
ist sogar das einzige Mittel, seinen Gedanken Halt, Tiefe und Schwung zu geben: je mehr man
ihren Inhalt, ihre Intensität durch Machdenken zu steigern versteht, desto leichter ist es dann,
ihnen den riditigen Ausdruck zu verleihen.
Dieses Sdiema ist noch nicht der Stil, aber es ist seine Grundlage; es gibt ihm Halt und Ridrfung,
es bestimmt sein Tempo, gibt ihm sein Geseh: ohne das gerät der beste Schriftsteller auf Abwege,
denn seine führerlose Feder wirft auf gut Glück regellose Einzelheiten und zusammenhanglose Bilder
aufs Papier. Er mag sich der glänzendsten Farben bedienen, in Einzelheiten die größten Schönheiten
legen — sowie das Ganze ansfößf oder als soldies nidit genügend zur Geltung kommt, fehlt dem
Werk die richtige Anordnung; und bei aller Bewunderung für den Geist des Verfassers wird man
annehmen dürfen, daß es ihm an Genialität fehlt. Das ist audi der Grund, weshalb Leute, die
so schreiben, wie sie sprechen, sdiledit schreiben, selbst wenn sie noch so gut sprechen; weshalb
die vom ersten Feuer ihrer Eingebung Ubermannten eine Tonart anschlagen, die sie nicht durch-
halten können; weshalb jene, die, aus Angst ihre zusammenhanglosen und zerstreuten Gedanken
zu verlieren, gelegentlidre Bruchstücke sdireiben, diese niemals ohne gewaltsame Übergänge zu
einem Ganzen bringen können; kurz, weshalb es so viel Stückwerk und so wenig Werke aus einem
Guß gibt. Sdrließlidr ist dodr jeder Stoff eine Einheit; und wenn er audr nodr so umfänglidr
ist, so kann er dodr einheitlich behandelt werden. Von Unterbredrungen, Pausen, Teilungen sollte
nur bei Behandlung verschiedener Gegenstände Gebrauch gemacht werden oder wenn bei Darstellung
großer, sdrwieriger und uneinheitlicher Dinge der Geist seinen Weg durch die Vielfältigkeit der
Hindernisse unterbrochen oder sich durdr die Umstände dazu genötigt sieht: sonst verhindert
die grolle Anzahl von Einteilungen den Zusammenschluß des Werks zu einem Ganzen, statt es
in sich zu festigen; das Budr scheint zwar den Augen klarer, doch der Plan des Autors bleibt
dunkel; es kann keinen Eindrude auf den Leser madien; einzig und allein durdr die Stetig-
keit der Darstellung kann etwas zur Geltung kommen, durdr die harmonisdre Abfolge
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