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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Däubler, Theodor: Wilhelm Morgner
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0645

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WILHELM MORGNER

THEODOR DÄUBLER

Die Abbildungen mit Genehmigung der Galerie Fledrtheim und der neuen Photographischen Gesellschaft Berlin.

Wilhelm Morgner: off sind Namen eine Verheißung, ein ganzes
Schicksal! So auch in diesem Fall: der Maler Morgner hat nur kurz unter
uns gelebt* Als sein Morgen um war, ist er in Flandern, imKampf gegen
die Engländer, gefallen. Man dachte zuerst, er sei in Gefangenschaft geraten,
bald stellte sichs jedoch heraus, daß er im Krieg sein Ende gefunden haben muß!
Was er uns hinferläßt, ist ein wundervoller Morgen. Aufgehende Sonne über
Bergen oder frischem Gewässer! Aufgehende Sonne, wie ein großes Ordenszeichen,
noch riesenhaft rubinrot, sich jedoch bereits goldig versfrahlend, grünlich durch
Nebel hindurch blühend! Oder aber Morgensonne im Herzen: im eigenen oder
in dem vieler beherzter Menschenkinder! Immer ist Morgner ein Künder; der
unvorhergesehene Schöpfer durchaus jugendlich einfacher Werke. Niemals
äußert er sich roh; in keinem Fall jedoch kompliziert, literarisch-dekadent. Sein
Morgen sollte bald vorübergehen, daher folgten sidr die Morgnerperioden äußerst
rasch. Seif van Gogh haben wir bei keinem bildenden Künstler eine solche Folge
von Überraschungen erlebt. Läßt sich übrigens wirkliche Verwandtschaft zwischen
dem tragischen Niederländer und diesem jungen Deutschen aus Westfalen fest-
steilen? Weder in den ersten, noch in seinen leßfen Fassungen malerischer Ge-
sichte gleicht Wilhelm Morgner Vincent van Gogh: wohl aber gibt es wichtige
Zwischenstufen in Morgners kurzem Schaffen, wo man an den großen Rausch
des nordischen Malers in Arles gemahnt wird. Van Gogh war ungleich vergrübelter,
durchaus genial-problematisch, ein Nervös-Verzückter von ungeahnter Eindring-
lichkeit; Wilhelm Morgner hingegen steht uns in seinem Werk ganz robust, mit
einem Einsdrlag ins Dekorative (so oft eine deutsche Gefahr) gegenüber. Seine
Primitivität ist bereits ganz selbstverständlich. Bauern, ohne monumenfalisierende
Gesten wie bei Francois Mi lief, füllen schlicht und selbstverständlich häufig ein
ungemein großes Format aus. Oft sind Miniaturen monumental, manches sehr
ausgedehnte Werk Morgners hingegen kann man nicht eigentlich monumen-
tal nennen. Er vermeidet nämlich zumeist jedes Pathos, somit fheatralisch-
rhefhorische Vorfragskunst: folglich ist in seinem Fall „keine Monumentalität“
eigentlich ein Lob. Wenn man also von einem Parallelismus zwisdren Morgner und
van Gogh oder Millef spricht, so bedeutet das keineswegs, daß eine Abhängigkeit

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