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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Scheffler, Karl: Das Rheinland und Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0073

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DAS RHEINLAND UND BERLIN.

N einer Unterhaltung mit Carl Ernst
Osthaus, dem ausgezeidineten Grün-
der und Leiter des Folkwang-Museums
in Hagen i. W., fragte idi einst, warum
er sein Museum in Hagen erriditet habe. Er
zögerte ein wenig mit der Antwort, wie um
unter mehreren Motiven das entsdieidende aus-
zusuchen, oder auch — er ist geistreidr genug es
zu tun — um das für midi passende auszusuchen,
und sagte dann, eigentlidi hätte er es getan,
um die Berliner zu ärgern. Das ist vielleicht
ein Sdierz gewesen, doch ist in diesem Sdierz
viel Ernst enthalten. Osthaus hat als rechter
Sohn des Rheinlandes geantwortet, er hat wie
im Namen vieler Museumskollegen, Künstler
und Kunstfreunde des Rheingebiefes gesprochen.
Denn in den westlidien Provinzen ist die Ab-
neigung gegen Berlin ebenso verbreitet, wie
in Süddeutschland. Es ist ja nidit zu leugnen,
da^ diese Abneigung auch ihr Gutes gehabt hat.
Denn einen Ärger, der ein Folkwang-Museum
ins Leben ruft und der noch vielen anderen
Unternehmungen zwischen Aadien und Hannover
Nadidruck gibt, kann man sich immerhin gefallen
1 assen. Die rechte motorische Energie ist Eifersucht,
aber wohl dodi nicht. Weil sie nämlich blind
madit für den Ma^stab der Dinge, weil sie nicht
sachlich und mit zielsicherer Vernunft vorgeht.
Im Rheinland hat der Tick gegen Berlin sidier
manches Unternehmen gefördert, er hat aber auch
eine höchst verderblidie, eine für das ganze Reidi
verderbliche Kunst- und Kulturpolitik gefördert,
deren Folgen noch lange nachwirken werden und
mit der notwendig gebrochen werden mu|.
Zwischen 1871 und 1914 sind die Städte
des Westens reich geworden. Es ist zwar ein
Reichtum, der gar sehr immer im Schaufenster
lag, wie Bernhard Shaw es hübsch ausgedrückt
hat, dodi war es immerhin Reichtum. Geld hat
das Bedürfnis, ausgegeben zu werden. Man
sah sich im Rheinland darum, auch jenseits des
Praktischen und Materiellen, nach Möglichkeiten
um, das Kapital in geistigen Werten anzulegen;
und da fiel der Blick wie von selbst auf die
Kunst. Wenn das sich bereichernde Deutschland

einer der besten Märkte sowohl für die ein-
heimisdie wie für die französisdie Kunst gewesen
ist, so war das Rheinland der Teil dieses Marktes,
wo am flottesten und unbedenklichsten gehandelt
wurde, über Nacht ist dort ein Gesdiledit von
Sammlern entstanden. Man begegnete freilich
selten dem Sammler aus Passion, dem sympathi-
schen Bildernarren, der sich einschränkt, um ein
bestimmtes Werk kaufen zu können, der in die
Ateliers rennt und den Künstler behandelt, wie
eine Geliebte. Der Sammler des Industriegebiets
geht im allgemeinen unternehmerhaft ins Grobe:
er will eine wertvolle Sammlung in wenigen
Monaten beisammen haben, er ahmt im kleinen
den amerikanischen Milliardär nach und verkehrt
lieber mit dem Kunsthändler, dessen Psyche
er versteht, als mit dem Künstler. Nach den
Sammlern haben sidi dann aber die Museums-
leiter, nach denPrivatsammfungen die öffentlidien
Galerien orientiert. Auch die Museen sind im
Westen nicht langsam und organisdi gewachsen,
sie alle gleichen mehr oder weniger Pflanzen,
die im Treibhaus und in fetter Mistbeeterdc
gezogen werden. Das hat insofern nidrf gesdiadet,
als zum Teil sehr wertvolle Bilder und Skulpturen
erworben worden sind, Kunstwerke, die die
Nationalgalerie schmerzlich entbehrt, ja die,
soweit sie französischen Ursprungs sind, im
Louvre gute Figur machen würden. Wer die
neuere deutsche und französische Kunst kennen
lernen will, kann eine Reise durch die Museen
und Privatsammlungen des Rheinlandes kaum
entbehren. Dennodi ist diese Art zu „organi-
sieren“ recht bedenklidr. Es sind, wie gesagt,
viele Privatsammlungen entstanden und viele
Museen gegründet oder entsprechend erweitert
worden; aber sic wirken im Rheinland nicht
eigentlich wie soziale Organe. Man sieht
nicht, für wen sie da sind, man erkennt nidit
das Bedürfnis. Sammlungen und Museen sind
nicht natürlich aus lokaler Kunstübung und
befestigter Tradition erwachsen, es sind Gebilde
der Absicht. Das Publikum, die öffentliche
Meinung ist stolz auf die Beweise wirtschaft-
licher Madit; zu einem geliebten Besitz aber


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