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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0118

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Collier Kunstfrayen. Dr. Eugen Lüthyen
(Göln). Neben Düsseldorf sollte, so könnte man
annehmen, die rheinische Kunst in Cöln eine bevor-
zugte Stätte der Pflege finden. Die Anstrengungen
Cölns in allen Ehren; die Leistungen oder die Ziel-
sicherheit des Woltens sind jedenfalls nicht 'darnach
angetan, irgend einem diesen Gedanken nahezulegen.
Vor einem Jahre schrieb die Stadt Cöln die beiden
seil langen Jahren verwaisten Direktorstellen des
Wallraf-Ridrarb-Museums und des Kunstgewerbe-
Museums aus. Die Beseijung solle „baldigst“ er-
folgen, hieb es in dem amtlichen Schriftstück. Nun
' kann in den politischen Köpfen Cölns „baldigst“ bald
ein paar Tage, bald ein oder mehrere Jahre bedeuten.
Diesmal sdreinl die lebte Deutung bevorzugt zu sein.
Die Gründe mögen für alle Kreise, die an rheinischer
Kunst Anteil nehmen, bedeutsam sein. Deshalb mu|
das seltsame Schweigen endlidi einmal gebrochen werden.
In Cöln redet man sich ein, es sei so schwer, geeignete
Bewerber zu finden. Das ist nidrt der Fall. Es ist
nur schwer, wenn weder die Fähigkeit noch der Wille
besteht, sich ein klares Programm zu schaffen, ziel-
los auf die Suche zu gehen. Die Verantwortung für
diese Verfahrenheif trägt einzig und allein der jebige
Dezernent für Kunst, Al b er m ann. In den Kommissionen
wurde wohl bis in den lebten Wochen nie darüber
geredet, was als Ziel einer cölnischen Kunstpolitik
aufgestellt werden könnte. So groteske und komisdie
Situationen wurden von dem verantwortlichen Leiter
getroffen, tlab versdriedentlich an ein und demselben
Tage drei, vier und fünf Bewerber nach Cöln zitiert
wurden, von denen jeder einzelne im Grunde genommen
jeden andern hätte au ssdi lieben müssen, nach Charakter,
(ieistcsanlage und Fähigkeit. Und diesen Bewerbern
stellt man die Frage nach ihrem Programm.
In keiner andern Stadt von einer gewissen geistigen
und künstlcrisdren Regsamkeit wären soldrc Dinge
dauernd möglidr gewesen. Ein Dezernent, der ein
ganzes Jahr hingehn labt, um in dilettantischer Un-
wissenheit die lächerlidrsten Experimente anzustellen,
wäre eben dort, wo ein Boden für geistiges Wadrs-
tum vorhanden wäre, unerbittlich kalt gestellt worden.
Den Cölncrn genügen diese Beweise eines verant-
wortungslosen, jede kiinstlerisdie Entwickelung unter-
bindenden Tuns immer noch nidrt. Man „amüsiert“
sidr darüber und läbt alles beim alten.
In dieses Chaos trug ein „kluger“ Kopf im lebten
Augenblick den zündenden Gedanken eines Programms.
Eines Programms, das nidrt mehr noch weniger will,
als etwa im Sinne Valentiners die Bestände aller
Museen auseinanderreiben, um ziemlich geordnete und
harmonisch wirkende Sammlungen zu erhoffen. Ein

Gedanke, der bei richtiger Ausführung Erfolg ver-
sprechen könnte. Die jebt beabsidrtigte Ausführung
läbt nur das Schlimmste befürchten, da die Trennung
der Museumsbestände und ihre Neuordnung durdr
einen Museumsleiter vorgenommen werden soll, der
mit der rheinischen Kunst niemals die geringste Fühlung
hatte. Was sagen die Erben Andreae oder die geistigen
Erben Sdmütgens dazu, dab die Schöpfgngen Andreaes
und Schnütgens, fast darf man sagen, um einer Laune
willen, vernidrfef werden sollen. Das Historisch-Ge-
wordene hat lebten Endes audi eine Daseinsberechtigung.
Dieses Gewordene darf nur vernidifef werden, wenn
die Gewähr dafür besteht, dab das Neue, das-an die
Stelle des alten tritt, in der Tat besser ist.
Diese Frage darf nicht von der städtischen Ver-
waltung entschieden werden, die in Kunstfragen ihre
endgültige Unfähigkeit erwiesen hat; sie darf nidrt
von Männern entschieden werden, die kaum eine
Vorstellung von dem komplizierten Organismus der
rheinischen Kunst haben. Sie ist allein zu entscheiden
von den eigentlidren Kennern rheinischer Kunst, die
in besonderen Fragen, den Fragen der Denkmalpflege
und der rheinischen Kunstgeschichte, die Führung
haben. Es mub endlich einmal aufhören, dab der
Dilettant, weil er nun einmal aus politischen Rücksichten
ein Amt erhalten hat, in allen ernsthaften Angelegen-
heiten seinem verwerflichen Dilettantismus Anerkennung
erzwingt. Jedem, der weib, was die lebten Jahre
einer menschlichen und launenhaften Willkür den
cölnischen Museumsbeständen gekostet haben, drängt
sich immer wieder die Frage auf, wer denn in Cöln
überhaupt in der Lage sei, dafür die Verantwortung
zu übernehmen. Wer die Verantwortung übernehmen
mub, wird zweifellos an der Tatsache schwer genug zu
tragen haben, dab ein Wiederaufbau des Verlorenen
und Zerstörten für Jahre hinaus mit Hemmungen
belastet ist, die kaum zu überwinden sein dürften.
Vergleicht man mit diesen Zuständen in Cöln das
Düsseldorfer Kunsfleben, so kann man nur ein Wort
der Bewunderung für die Zielsicherheit haben, mit
der die wesentlichsten Aufgaben gelöst werden. Die
Art und Weise, wie die Düsseldorfer Kunsfgowerbe-
schule mit der Akademie zu einem einheitlichen
Organismus einer neuen Kunstakademie verschmolzen
wurde, läbt die Cölner Versuche der Umgestaltung
der Kunstgewerbe-Schule oder der Begründung einer
Hochschule für bildende Kunst um so trostloser
erscheinen. Wenn nicht endlich Sachlichkeit, Wahr-
haftigkeit und Kenntnis der Behandlung aller künst-
lerischen Fragen zu Grunde gelegt wird, kann eine
Gesundung des völlig zerrütteten Kunstlebens nicht
gelingen. Dafür aber, so sollte man glauben, mühten
alle Kunstfreunde am Rhein eintrefen.

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