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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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Mitteilungen 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.41962#0423

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lerisch geleiteten Bühnen. Die Kunsterziehungsbewegung hat einen solchen Einfluß auf die
Theater meines Wissens noch nicht erstrebt —ihr lagen bislang andere Dinge näher und sie
hat starke Erfolge gezeitigt darin, den Kindern gute Literatur und Dichtung (Volks* und
Kinderlieder, alte Sagen, Legenden, Märchen, Schwänke, Auswahlen aus klassischen Werken
in den Schulbibliotheken und an anderen Orten zugänglich zu machen. Auch die Lesebücher
sind stellenweise unter solchem Einfluß etwas besser geworden; daneben war Hauptergebnis
der Kunsterziehungsbewegung die in manchen Städten, besonders in Hamburg, versuchten
»Kinderkonzerte« und die Versuche, Kindern bildende Kunst zugänglich zu machen und
sie ihnen eventuell zu erklären.
Wenn an den Theatern den Schülern höherer Lehranstalten — den Volksschülern meist nicht —
hin und wieder ein klassisches Stück zugänglich gemacht wurde — durch Schülerkarten, weniger
durch Sondervorstellungen — so war das auch meist dem Zufall überlassen; wenn im Abend*
spielplan der Theater gerade ein klassisches Stück auftauchte, das dem Inhalt nach für Schüler
geeignet war, wurden Schülerkarten ausgegeben. Das Gefühl, daß mehr für die Kinder mit
einem so wichtigen Institut, wie es das Theater ist, geschehen müsse, war wohl schon in
manchen Köpfen rege geworden, und ein Anfang ist, wie schon gesagt, von einer Reihe
künstlerischer Bühnen gemacht worden —: wertvolle Märchenstücke in künstlerischer Dar*
Stellung zu bieten. Es genügt das aber noch nicht, es kommt darauf an, zu sehen, daß, wenn
man mit dem Theater für Kinderwirken will, man möglichst alle Kinder jährlich einige
Male — etwa drei* bis viermal — ins Theater führen muß, und daß diese Arbeit
unter eine leitende Idee gestellt werden muß. Die leitenden Gesichtspunkte wären
etwa: für das Kind nur wertvolle, dichterisch*dramatisch wertvolle Bühnenwerke,
die im Inhalt und in der Sprache von Kindern verstanden werden können (Märchenspiele,
Sagen* und Legendenspiele, auch leichte Klassik), daß ferner die Darstellungen selber, die
Arbeit des Theaters auf hohem künstlerischem Niveau stehen muß — und daß man diese
Arbeit überhaupt als eine ernste, kunsterzieherische Arbeit (eine der wichtigsten) betrachten
muß, daß ferner auf solche Weise ganz organisch und ganz stufenmäßig im Aufbau des
Spielplans eine Hinführung der Kinder zu dem stattfinden kann, was wir »deutsche Dich*
tung«, »deutsche Kunst« nennen; daß des weiteren auf diese Weise die Menschen langsam
dem Kino entwöhnt werden können und so von innen heraus, das heißt durch Heran*
bildung (in jahrelanger Arbeit) eines besseren Theaterpublikums eine »Reorgani*
sation« des Theaters erreicht werden kann; so daß vielleicht einmal wieder, wie bei alten
Völkern, wie im Mittelalter, Theaterspielen eine Kulturangelegenheit sei.
Dies ist ein Ziel. Es kann erreicht werden, wenn man in entschlossener Arbeit ans Werk
geht, unbekümmert darum, ob man »Utopist« genannt wird. Denn darüber sind sich Ein*
geweihte klar, nicht nur Künstler, sondern auch Kunstverständige, — daß nur nach*
haltige Beschäftigung mit der Kunst die Wirkungsmöglichkeiten zeitigt, die in
ihr liegen.
Was also mit dem Kindertheater, d. h. regelmäßigen Vorstellungen für Kinder (Vorstellungen
unter leitenden künstlerischen und erzieherischen Gesichtspunkten) gemeint ist, das ist
ernsteste Arbeit, steht nicht abseits von der sonstigen Schularbeit und Pädagogik,
sondern ist notwendige Ergänzung der bisherigen Schularbeit. Nicht ist gemeint, das
Kind an Vergnügen und »Genuß« zu gewöhnen, wie mißverständlich einmal gemeint wurde
— sondern: das Kind durch ein Aufnehmen reiner Kunst von den niederen Vergnügen zu
entwöhnen.
In solchen Vorstellungen, welche Dramen von Dichtern in wertvollster Darstellung bieten,
werden dem Kinde zugänglich gemacht:

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