Romantik einfügen, so wenig wie einer rheini*
sehen Restauration. Was aber soll dann die ganze
KoloniaLTheorie, wenn schon Andeutungen
aus einem andern, für die Geistesgeschichte nicht
auszuschließenden Kunstgebiet ihre Willkür*
liehe Selbstbeschränkung deutlich machen?
Romantik ist gewiß ein gefährlich vieldeutiger
und deshalb oft irreführender Begriff — aber er
ist zur Zeit der einzige Gegenbegriff gegen die
Renaissance, den wir haben, und er ist auch vom
Ausland, das noch heute viel härter unter dem
Gesetz der Renaissance steht, so gefühlt und an*
genommen worden. Romantik ist auch nicht
durch den älteren Begriff der Gotik zu ersetzen:
sie ist wiederentdeckte, bewußtgewordene und
zugleich weiterschreitende Gotik, weshalb Bach
nicht Romantiker sein kann, da er in einer nach*
wirkenden gotischen Tradition als glaubens*
gebundener Gotiker selbst noch mitten inne
steht; sie ist Wiedergeburt des germanischen
Geist* und Stilprinzips, Entdeckung des eigenen
Reichs der Seele — aber sie schlechthin deutsche
Wiedergeburt zu nennen, als Gegenstück zu der
fremden Wiedergeburt der Antike, geht auch
nicht an: wir müssen uns also einstweilen mit
dem bisherigen Begriff Romantik begnügen,
dürfen ihn aber, der für ein großes Phänomen
gedacht ist, nicht willkürlich, aus bloß lokal*
historischen Perspektiven, beschneiden und ver*
kleinern, wenn er selbst nur die vorläufige
Kampfesbezeichnung für unser Eigenstes sein
soll, welches eines besonderen Schlagworts,
wenn es erst selbstverständlich und unan*
gefochten wieder dasteht, nicht mehr bedürfen
wird. Richard Benz
Dürerschüler; auch die schwäbische wie die
niederrheinisch * westfälische Schule ist nicht
vertreten. Seltsamerweise fungiert Urs Graf mit
2 Blättern, während Manuel Teutsch fehlt. Der
jüngere Holbein hat keine einzige Handzeich*
nung beisteuern dürfen. Hier kann es doch
zweifellos nicht ein Qualitätsgesichtpunkt gewe*
sen sein, der ihn ausschloß, auch kein systema*
tischer mit Hinblick auf Urs Graf. Albrecht
Dürer selbst ist etwas reichhaltig gegeben, sind
doch heute seine Handzeichnungen in mehreren,
sogar wohlfeilen Publikationen jedem erreich*
bar. Von ganz bekannten Blättern, wie etwa dem
Bildnis der Mutter, hätte vielleicht abgesehen
werden können. Die Erläuterungen zu den Ab*
bildungen enttäuschen leider etwas. Hält man
es überhaupt für nötig, solche zu geben, so
käme meines Erachtens nur eine Art der Be*
Schreibung in Frage,die dasKompositionsschema
bloßlegend die Dynamik des Striches in Worte
zu übersetzen sich bemühte. Bei Koch ist der
Sinn der Abbildungserläuterungen unklar. Fort*
laufende Erzählung der Stilentwicklung ver*
mischt mit allgemeinen ästhetischen Bemerkun*
gen, bei denen die allzuhäufigen epiteta ornantia
auffallen, thematische Inhaltsangaben verbun*
den mit Ansätzen von Stilanalyse. Bei all*
dem ist die gute Materialkenntnis Kochs offen*
sichtlich und die liebevolle Vertiefung in sein
Thema.
Im Rikola*Verlag in Wien hat Max Eisler
eine kleine Monographie über den österreichi*
sehen Plastiker Anton Hanak erscheinen
lassen. Sie mag als Musterbeispiel angeführt
werden, wie eine solche nicht gemacht werden
darf. Der Autor steht seinem Helden ohne die
BUCHBESPRECHUNGEN
BÜCHERSCHAU. In der ausgezeichneten
Reihe graphischer Bücher, die der Verlag Ernst
Arnold, Dresden, veranstaltet, ist ein Band
»Zeichnungen altdeutscher Meister zur
Zeit Dürers« erschienen, zu dem Carl Koch
die einzelnen Blätter ausgewählt, und den er
eingeleitet hat. Die 99 Handzeichnungen haben
sämtlich eine sehr hohe Qualität und gereichen
nach dieser Richtung dem Auswählenden nur
zur Ehre. Der Verlag hat sie in schlechterdings
vollendeten, zum Teil farbigen, Netzätzungen
gegeben, Die Auswahl der Meister selbst scheint
nicht völlig klar. Es fehlen nicht unwesentliche
geringste Distanz gegenüber. Da er anscheinend
die außerösterreichische neuerePlastik überhaupt
nicht kennt, so geschieht es ihm, daß er Hanak
maßlos überschätzt, ja daß er ihn zu den Groß*
ten rechnet. »Niemals hat Österreich einen
echteren, eigeneren und größeren Bildhauer
gehabt, und auch das Ausland kann ihm gegen*
wärtig nicht seinesgleichen entgegensetzen.« —
Über Hanak selbst, der mit 17 Abbildungen
vertreten ist, ist wenig zu sagen. Er besitzt Zweifel*
los eine gute Kenntnis der menschlichen Figur,
und so gelingen ihm auch wohl schöne Akte.
Von überprovinzieller Bedeutung ist er nicht;
im Gegenteil, Statuen etwa wie »Der Traum«
oder wie »Das große Leid« machen es sehr frag*
75
sehen Restauration. Was aber soll dann die ganze
KoloniaLTheorie, wenn schon Andeutungen
aus einem andern, für die Geistesgeschichte nicht
auszuschließenden Kunstgebiet ihre Willkür*
liehe Selbstbeschränkung deutlich machen?
Romantik ist gewiß ein gefährlich vieldeutiger
und deshalb oft irreführender Begriff — aber er
ist zur Zeit der einzige Gegenbegriff gegen die
Renaissance, den wir haben, und er ist auch vom
Ausland, das noch heute viel härter unter dem
Gesetz der Renaissance steht, so gefühlt und an*
genommen worden. Romantik ist auch nicht
durch den älteren Begriff der Gotik zu ersetzen:
sie ist wiederentdeckte, bewußtgewordene und
zugleich weiterschreitende Gotik, weshalb Bach
nicht Romantiker sein kann, da er in einer nach*
wirkenden gotischen Tradition als glaubens*
gebundener Gotiker selbst noch mitten inne
steht; sie ist Wiedergeburt des germanischen
Geist* und Stilprinzips, Entdeckung des eigenen
Reichs der Seele — aber sie schlechthin deutsche
Wiedergeburt zu nennen, als Gegenstück zu der
fremden Wiedergeburt der Antike, geht auch
nicht an: wir müssen uns also einstweilen mit
dem bisherigen Begriff Romantik begnügen,
dürfen ihn aber, der für ein großes Phänomen
gedacht ist, nicht willkürlich, aus bloß lokal*
historischen Perspektiven, beschneiden und ver*
kleinern, wenn er selbst nur die vorläufige
Kampfesbezeichnung für unser Eigenstes sein
soll, welches eines besonderen Schlagworts,
wenn es erst selbstverständlich und unan*
gefochten wieder dasteht, nicht mehr bedürfen
wird. Richard Benz
Dürerschüler; auch die schwäbische wie die
niederrheinisch * westfälische Schule ist nicht
vertreten. Seltsamerweise fungiert Urs Graf mit
2 Blättern, während Manuel Teutsch fehlt. Der
jüngere Holbein hat keine einzige Handzeich*
nung beisteuern dürfen. Hier kann es doch
zweifellos nicht ein Qualitätsgesichtpunkt gewe*
sen sein, der ihn ausschloß, auch kein systema*
tischer mit Hinblick auf Urs Graf. Albrecht
Dürer selbst ist etwas reichhaltig gegeben, sind
doch heute seine Handzeichnungen in mehreren,
sogar wohlfeilen Publikationen jedem erreich*
bar. Von ganz bekannten Blättern, wie etwa dem
Bildnis der Mutter, hätte vielleicht abgesehen
werden können. Die Erläuterungen zu den Ab*
bildungen enttäuschen leider etwas. Hält man
es überhaupt für nötig, solche zu geben, so
käme meines Erachtens nur eine Art der Be*
Schreibung in Frage,die dasKompositionsschema
bloßlegend die Dynamik des Striches in Worte
zu übersetzen sich bemühte. Bei Koch ist der
Sinn der Abbildungserläuterungen unklar. Fort*
laufende Erzählung der Stilentwicklung ver*
mischt mit allgemeinen ästhetischen Bemerkun*
gen, bei denen die allzuhäufigen epiteta ornantia
auffallen, thematische Inhaltsangaben verbun*
den mit Ansätzen von Stilanalyse. Bei all*
dem ist die gute Materialkenntnis Kochs offen*
sichtlich und die liebevolle Vertiefung in sein
Thema.
Im Rikola*Verlag in Wien hat Max Eisler
eine kleine Monographie über den österreichi*
sehen Plastiker Anton Hanak erscheinen
lassen. Sie mag als Musterbeispiel angeführt
werden, wie eine solche nicht gemacht werden
darf. Der Autor steht seinem Helden ohne die
BUCHBESPRECHUNGEN
BÜCHERSCHAU. In der ausgezeichneten
Reihe graphischer Bücher, die der Verlag Ernst
Arnold, Dresden, veranstaltet, ist ein Band
»Zeichnungen altdeutscher Meister zur
Zeit Dürers« erschienen, zu dem Carl Koch
die einzelnen Blätter ausgewählt, und den er
eingeleitet hat. Die 99 Handzeichnungen haben
sämtlich eine sehr hohe Qualität und gereichen
nach dieser Richtung dem Auswählenden nur
zur Ehre. Der Verlag hat sie in schlechterdings
vollendeten, zum Teil farbigen, Netzätzungen
gegeben, Die Auswahl der Meister selbst scheint
nicht völlig klar. Es fehlen nicht unwesentliche
geringste Distanz gegenüber. Da er anscheinend
die außerösterreichische neuerePlastik überhaupt
nicht kennt, so geschieht es ihm, daß er Hanak
maßlos überschätzt, ja daß er ihn zu den Groß*
ten rechnet. »Niemals hat Österreich einen
echteren, eigeneren und größeren Bildhauer
gehabt, und auch das Ausland kann ihm gegen*
wärtig nicht seinesgleichen entgegensetzen.« —
Über Hanak selbst, der mit 17 Abbildungen
vertreten ist, ist wenig zu sagen. Er besitzt Zweifel*
los eine gute Kenntnis der menschlichen Figur,
und so gelingen ihm auch wohl schöne Akte.
Von überprovinzieller Bedeutung ist er nicht;
im Gegenteil, Statuen etwa wie »Der Traum«
oder wie »Das große Leid« machen es sehr frag*
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