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I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
Richtung Norden (Taf. 53, 1; 258). Sie belegen, dass hier im Kämpferbereich weitere Werk-
steinblöcke anschlossen.
1.4.2.4.2 Wölbung des mittleren Jochs
Auch für das Mitteljoch der Vorhalle erlauben die erhaltenen Bauteile mehrere Möglichkeiten der
Rekonstruktion. Das annähernd quadratische Feld wird im Grundriss von vier Bögen gerahmt:
die Archivolte der Hauptfassade, jene, welche die Lünette der inneren Fassade umfängt, und
die zwei Gurtbögen (98D. 111D bzw. 99D. 112D Taf. 284; 285, 1; 286; 298-299), die das Mit-
teljoch von den seitlichen Jochen trennen. Die Scheitelhöhen aller Bögen sind - soweit sie aus
den Kämpferblöcken der Gurte zu rekonstruieren sind - gleich. Eine derartige Unterkonstruktion
lässt im Normalfall drei Varianten der Überwölbung erwarten:
Die einfachste Variante wäre ein Kreuzgratgewölbe353, das sich aus der Verschneidung zweier
im rechten Winkel zueinander stehender Tonnen ergibt. Kreuzgratgewölbe waren in der römi-
schen Architektur bekannt und wurden in unterschiedlichen Techniken, sowohl aus Werkstei-
nen wie auch aus Ziegel oder opus caementicium, gefertigt. Beeindruckende Beispiele dafür
finden sich in Rom, so die Maxentiusbasilika354 am Forum Romanum oder das Frigidarium der
Diokletiansthermen355 (Taf. 54, 2). Kleinere, mit den Dimensionen des >Hadrianstempels< eher
vergleichbare Konstruktionen finden sich häufig bei Grab- und Wohnbauten oder Heiligtümern,
so etwa im Haus des Serapis in Ostia356 oder im Quellheiligtum am Fuße des Djebel Zaghouan
in Tunesien357. Und auch in Ephesos selbst finden sich Vertreter des Kreuzgratgewölbes über
Räumen unterschiedlicher Funktion und Größe, etwa am Vediusgymnasium358 oder auch, mit
deutlich kleineren Abmessungen, in der Wohneinheit 6 des Hanghauses 2359.
Die zweite, durch die vier Bögen naheliegende Variante ist die Hängekuppel. Geometrisch
wird die Hängekuppel als Kugelschale über einem durch die Eckpunkte des zugrunde liegenden
Vierecks verlaufenden Kreises gebildet360. Durch die Wandfluchten wird die Kugelschale so
beschnitten, dass sie über den quadratischen - oder auch recht- oder mehreckigen - Grundriss
passt. Auch diese Wölbform war bereits in römischer Zeit bekannt, ein Beispiel stellt etwa
die Hängekuppel über dem Nymphäum der Villa Adriana in Tivoli, dem sog. Serapeion, dar361
oder auch die Überwölbungen mehrerer Torbauten in Gerasa (Taf. 56, 1-2). Demselben Prin-
zip, wenngleich auf polygonalem Grundriss, folgt auch die Schirmkuppel im römischen Bad in
Baia362. Die Kuppel setzt sich aus mehreren gewölbten Segmenten zusammen, die jedoch ebenso
wie die Stutz- oder Hängekuppel entlang der geraden Wandscheiben beschnitten werden.
Die dritte Möglichkeit, einen von vier Bögen eingefassten Raum zu überwölben, bildet die
Pendentifkuppel. Geometrisch stellt diese Kuppelkonstruktion, die sich später in der byzanti-
nischen und seldschukischen Baukunst großer Beliebtheit erfreut, eine Weiterentwicklung der
Hängekuppel dar363. Das Prinzip lässt sich wie folgt beschreiben: Die eigentliche Kuppel wird
über einem Kreis gebildet, der sich in das Quadrat der Wandflächen des zu überwölbenden
Raumes einschreiben lässt. Zwischen dem Grundkreis der Kuppel und dem Quadrat des Rau-
tische Grundlagen des Gewölbebaus beschreibt sehr anschaulich Swida 1954; s. auch Moro 2009, 304; zu den
Gurtbögen vgl. auch Müller-Wiener 1988, 96.
353 Höcker 2004, 104; Adam 2005, 193 Abb. 457.
354 Albrecht 2008, 107-117; Coarelli 2000, 104; Brandenburg 2004; Döring-Williams 2004, 180-190 Abb. 8. 10.
355 Coarelli 2000, 252-254.
356 Adam 2005, 194 Abb. 458.
357 Steiner 2002, 154 f; Rakob 1969, 284-300; Rakob 1974, 41-89.
358 Steskal - La Torre 2008, 32 zu dem Zentralraum V.
359 Vgl. beispielsweise Raum 36 in der Wohneinheit 6, s. Thür - Rathmayr 2014, 80 Taf. 339. 343.
360 Leopold 2009, 136.
361 Salza Prina Ricotti 2001, 241-263 Abb. 80-91.
362 Adam 2005, 183; Taylor 2003, 109.
363 Leopold 2009, 136.
I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
Richtung Norden (Taf. 53, 1; 258). Sie belegen, dass hier im Kämpferbereich weitere Werk-
steinblöcke anschlossen.
1.4.2.4.2 Wölbung des mittleren Jochs
Auch für das Mitteljoch der Vorhalle erlauben die erhaltenen Bauteile mehrere Möglichkeiten der
Rekonstruktion. Das annähernd quadratische Feld wird im Grundriss von vier Bögen gerahmt:
die Archivolte der Hauptfassade, jene, welche die Lünette der inneren Fassade umfängt, und
die zwei Gurtbögen (98D. 111D bzw. 99D. 112D Taf. 284; 285, 1; 286; 298-299), die das Mit-
teljoch von den seitlichen Jochen trennen. Die Scheitelhöhen aller Bögen sind - soweit sie aus
den Kämpferblöcken der Gurte zu rekonstruieren sind - gleich. Eine derartige Unterkonstruktion
lässt im Normalfall drei Varianten der Überwölbung erwarten:
Die einfachste Variante wäre ein Kreuzgratgewölbe353, das sich aus der Verschneidung zweier
im rechten Winkel zueinander stehender Tonnen ergibt. Kreuzgratgewölbe waren in der römi-
schen Architektur bekannt und wurden in unterschiedlichen Techniken, sowohl aus Werkstei-
nen wie auch aus Ziegel oder opus caementicium, gefertigt. Beeindruckende Beispiele dafür
finden sich in Rom, so die Maxentiusbasilika354 am Forum Romanum oder das Frigidarium der
Diokletiansthermen355 (Taf. 54, 2). Kleinere, mit den Dimensionen des >Hadrianstempels< eher
vergleichbare Konstruktionen finden sich häufig bei Grab- und Wohnbauten oder Heiligtümern,
so etwa im Haus des Serapis in Ostia356 oder im Quellheiligtum am Fuße des Djebel Zaghouan
in Tunesien357. Und auch in Ephesos selbst finden sich Vertreter des Kreuzgratgewölbes über
Räumen unterschiedlicher Funktion und Größe, etwa am Vediusgymnasium358 oder auch, mit
deutlich kleineren Abmessungen, in der Wohneinheit 6 des Hanghauses 2359.
Die zweite, durch die vier Bögen naheliegende Variante ist die Hängekuppel. Geometrisch
wird die Hängekuppel als Kugelschale über einem durch die Eckpunkte des zugrunde liegenden
Vierecks verlaufenden Kreises gebildet360. Durch die Wandfluchten wird die Kugelschale so
beschnitten, dass sie über den quadratischen - oder auch recht- oder mehreckigen - Grundriss
passt. Auch diese Wölbform war bereits in römischer Zeit bekannt, ein Beispiel stellt etwa
die Hängekuppel über dem Nymphäum der Villa Adriana in Tivoli, dem sog. Serapeion, dar361
oder auch die Überwölbungen mehrerer Torbauten in Gerasa (Taf. 56, 1-2). Demselben Prin-
zip, wenngleich auf polygonalem Grundriss, folgt auch die Schirmkuppel im römischen Bad in
Baia362. Die Kuppel setzt sich aus mehreren gewölbten Segmenten zusammen, die jedoch ebenso
wie die Stutz- oder Hängekuppel entlang der geraden Wandscheiben beschnitten werden.
Die dritte Möglichkeit, einen von vier Bögen eingefassten Raum zu überwölben, bildet die
Pendentifkuppel. Geometrisch stellt diese Kuppelkonstruktion, die sich später in der byzanti-
nischen und seldschukischen Baukunst großer Beliebtheit erfreut, eine Weiterentwicklung der
Hängekuppel dar363. Das Prinzip lässt sich wie folgt beschreiben: Die eigentliche Kuppel wird
über einem Kreis gebildet, der sich in das Quadrat der Wandflächen des zu überwölbenden
Raumes einschreiben lässt. Zwischen dem Grundkreis der Kuppel und dem Quadrat des Rau-
tische Grundlagen des Gewölbebaus beschreibt sehr anschaulich Swida 1954; s. auch Moro 2009, 304; zu den
Gurtbögen vgl. auch Müller-Wiener 1988, 96.
353 Höcker 2004, 104; Adam 2005, 193 Abb. 457.
354 Albrecht 2008, 107-117; Coarelli 2000, 104; Brandenburg 2004; Döring-Williams 2004, 180-190 Abb. 8. 10.
355 Coarelli 2000, 252-254.
356 Adam 2005, 194 Abb. 458.
357 Steiner 2002, 154 f; Rakob 1969, 284-300; Rakob 1974, 41-89.
358 Steskal - La Torre 2008, 32 zu dem Zentralraum V.
359 Vgl. beispielsweise Raum 36 in der Wohneinheit 6, s. Thür - Rathmayr 2014, 80 Taf. 339. 343.
360 Leopold 2009, 136.
361 Salza Prina Ricotti 2001, 241-263 Abb. 80-91.
362 Adam 2005, 183; Taylor 2003, 109.
363 Leopold 2009, 136.