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Gassner, Verena; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Das Südtor der Tetragonos-Agora: Keramik und Kleinfunde — Forschungen in Ephesos, Band 13,1,1: Wien: Verl. der Österr. Akad. der Wiss., 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.52037#0077
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Modelgeformte Reliefkeramik 73
9.3.1. Gefäße mit figürlichen Darstellungen
Die ganze Wandung füllende Figurenszenen, wie sie etwa auf den Reliefbechern aus
Athen häufig sind, kommen bei den ionischen Bechern nur selten vor und fehlen im
Material der Verfüllung fast völlig104. Eine Ausnahme mag dabei der Becher Nr. 212
(Taf. 14. 84) sein. Zumeist sind die figürlichen Darstellungen jedoch in Form eines breiten
Frieses über einem unterschiedlich hohen Blattkranz angebracht und vom Rand durch
ein oder mehrere Zierelemente getrennt. In einigen Fällen sind sie auch als untergeordnete
Motive in den sehr stilisierten Blattkranz eingearbeitet.
Figürliche Darstellungen sind auf Bechern und Kännchen belegt. Im Gegensatz zu
den oft sorgfältig und fein gearbeiteten, floralen Motiven ist die Darstellung der Figuren
meist gröber und plump, oft auch so undeutlich, daß sie das Resultat von vielen Abfor-
mungen zu sein scheint (z.B. Nr. 211, Taf. 14. 84). Da es jedoch keine Anzeichen für
chronologische Unterschiede von Bechern mit figürlichen und solchen mit floralen Moti-
ven innerhalb des vorliegenden Fundmaterials gibt, scheinen die ephesischen Töpfer für
die pflanzlichen und dekorativen Motive mehr Sorgfalt, Mühe und Geschicklichkeit aufge-
bracht zu haben als für die figürlichen Darstellungen.
Die Themen der Darstellungen sind recht unterschiedlich. Auf zwei Bechern ist eine
Kentauromachie dargestellt (Nr. 208. 209, Taf. 14. 84). Plumpe, mit Keulen bewaffnete
Männer kämpfen mit von der linken Seite angreifenden Kentauren. Dazwischen steht
jeweils ein in Rückenansicht gesehener Mann im Kampf mit einem löwenartigen Tier
(Szenen aus dem Sagenkreis um Herakles?). Nach der großen Ähnlichkeit der Figuren und
des Eierstabes müssen beide Becher aus der gleichen Werkstätte stammen. Der Stil
erinnert dabei ein wenig an Figurenszenen aus der Werkstätte „des Beiles Meduses“, die
ebenfalls mit einem Blattkranz aus rhombischen Blättern kombiniert sind wie bei Nr. 208.
Das „typische Blatt“, das sich bei Nr. 209 dagegen noch im Ansatz erkennen läßt105,
würde ebenso wie das Fabrikat eher für eine Zuweisung zur Werkstätte des Monogrammi-
sten sprechen, mit der die Werkstätte „des Beiles Meduses“ einige Gemeinsamkeiten
hat106 107. Stilistisch kann auch das kleine Fragment Nr. 210 (Taf. 14. 84) hier angeschlossen
werden. Plumpe, grob gearbeitete Eroten tragen auf der Schulter wohl als Weinschläuche
zu identifizierende Gegenstände. Auch der Eierstab und das Fabrikat würden auf eine
Herkunft aus der gleichen Produktion wie Nr. 208 und 209 hindeuten.
Wesentlich feiner gearbeitet ist der dunkelgraue Becher Nr. 211 (Taf. 14. 84). Über
einem lockeren Blattkranz aus Palmblättern und mehrlappigen Laubblättern folgt ein
von zarten Punktreihen eingefaßter Fries mit nach rechts fahrenden Pferdegespannen,
die von geflügelten Wesen - Eroten oder Niken - gelenkt werden. Dieses äußerst beliebte
Motiv findet sich bei mehreren Töpfern, so etwa bei Apollonios, bei dem auch der Eierstab
vorkommt. Allerdings werden von Punktreihen gerahmte Eierstäbe von Laumonier auch
als typisches Merkmal der Werkstätte „des vases gris“ angeführt, sodaß eine eindeutige
Zuschreibung wohl nicht möglich ist.
Zu den am schönsten gearbeiteten Stücken zählt das Randfragment Nr. 212 (Taf. 14. 84),
auf dem ein bärtiger, mit einem Hymation bekleideter Mann (ein Schauspieler?) zwischen
zwei ionischen Säulen dargestellt ist. Ähnliche Szenen finden sich wieder bei dem Mono-
grammisten beziehungsweise bei der von ihm beeinflußten Werkstätte „aux etoiles carees
ä 6 branches creusees“10'. Mit ihm in Verbindung zu bringen ist auch ein Reliefbecher aus

104 Vgl. zur Situation in Samos Isler Samos 1978, 120 f„ zu Milet Kossatz 1990. 127. zu Athen Rotroff
1982, 19 ff.
Zur Bezeichnung der einzelnen Blätter vgl. Kap. 6.5 sowie zum „typischen Blatt“ Laumonier 1978,
129.
106 Laumonier 1978, 169.
107 Laumonier 1978, 364.
 
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