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Baier, Christoph; Forstenpointner, Gerhard; Galik, Alfred; Prochaska, Walter; Schindel, Nikolaus; Vapur, Özlem; Weissengruber, Gerald E.; Österreichische Akademie der Wissenschaften / Verlag [Contr.]
Die Palastanlage oberhalb des Theaters von Ephesos (1): Textband — Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2023

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.66553#0076
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II.2 Das Nordperistyl und der Nordflügel des Hauptgebäudes

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allgemeiner der Bautypus des ältesten Peristylhauses93 lassen für Bauphase Nord-1 ein Datum
wesentlich nach der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. wenig plausibel erscheinen.
Wenngleich sich der bauzeitliche Bodenbelag in der Nordhalle des Peristyls nicht erhalten hat,
belegt die nur grob mit dem Spitzeisen begradigte Rückseite der Stylobatblöcke, dass auch der
älteste Boden auf Höhe der Stylobatoberkante lag. Wie allerdings der stratigrafische Befund über
den Planien SE 01-45 und 01-43 erkennen lässt, muss der obere Teil der ältesten Hinterfüllung
der Terrasse wohl bereits im Verlauf des 2. Jahrhunderts n. Chr. nach Nordwesten hin abgerutscht
gewesen sein und war aus diesem Grund in Sondage 01/2012 nicht erhalten.
B. Bauphasen Nord-2 und Nord-3 in der Portikus (Taf. 57, 3; 58, 1)
Versiegelt wurde die bauzeitliche Anschüttung der Phase Nord-1 innerhalb der Nordhalle von
einer insgesamt zwischen 0,50 und 0,60 m mächtigen, in ihrer Zusammensetzung inhomogenen
Planie, deren unterschiedliche Komponenten (SE 01-34. 39. 40. 41) einander schräg überlagerten
und teilweise miteinander durchmengt waren (Taf. 57, 3)94. Die stark bauschutthaltige Packung
enthielt neben einer hohen Quantität an Steinsplitt und Kies, Bruchsteine unterschiedlichen
Formats sowie Mörtelbruch und stark fragmentierten bemalten Wandverputz. Die miteinander
durchmengten Straten 01-34 und 01-39 bildeten auf einer Höhe von 66,25-66,35 m ü. N. eine
gemeinsame, annähernd horizontale Oberkante aus. Die recht wenigen diagnostischen Kera-
mikfragmente aus der Schuttplanie indizieren, dass die bauschutthaltige Packung im Verlauf
des 2. Jahrhunderts n. Chr. eingebracht wurde95, da es notwendig geworden war, den Unterbau
der Terrasse an der Nordwestecke des Peristylhofes wiederaufzufüllen. In Kombination mit
Schadensbefunden an den Substruktionen, die auf grundlegende statische Probleme an dieser
Stelle der Terrasse schließen lassen96, legt der Charakter dieser Maßnahme nahe, dass die Nord-
westecke der Terrasse zuvor anlässlich eines katastrophalen Schadensereignisses abgerutscht war.
Als möglicher Anlass einer derartig massiven Zerstörung könnte ein Erdbeben infrage kommen,
das Ephesos wohl zwischen 157 und 161 n. Chr. erschütterte, wie aus einem neu gefundenen
Kaiserbrief des Antoninus Pius an die Ephesier sowie aus einer Schilderung des Aelius Aristides
hervorgeht97.
Bedeckt wurde die inhomogene schutthaltige Neuhinterfüllung der Terrasse von drei dün-
nen, komprimierten und teils mit Kalkmörtel vermengten Sandbändern, in denen kurzfristig
genutzte Laufhorizonte zu erkennen sein dürften. Über ihnen folgte ein knapp 10 cm starkes,
sehr kompaktes Lehmstratum mit Beimengungen von Ziegelsplitt und viel Kies (SE 01-11). Es
diente als Estrich für einen Boden aus quadratischen Ziegelplatten mit Kantenlängen von etwa
0,50 m (SE 01-10). Westlich der zweiten Säule der Nordhalle (B21) war dieser Boden mitsamt
seinem Unterbau abgerutscht. Sein Anschluss an die nördliche Hallenrückwand war spätestens
durch einen Suchschnitt der Altgrabungen zerstört worden. Die regelmäßig gesetzten und mit
Kalkmörtel verfugten Platten, deren Niveau mit einer Höhe von 66,42-66,50 m ü. N. jenem des
Stylobaten entspricht, sind im erhaltenen Zustand sehr kleinteilig zersprungen (Taf. 58,1). Dieses
Schadensbild könnte darauf hinweisen, dass zu einem nicht näher zu definierenden Zeitpunkt
während der Benutzung Bauglieder auf den Boden der Nordhalle gestürzt waren. Die Einbrin-
gung eines harten Stampflehmbodens (SE 01-12) über dem Ziegelplattenboden SE 01-10 könnte
als Reparatur nach einem solchen Schadensereignis zu verstehen sein. Die wenigen kleinteilig

93 Zur architekturhistorischen Einordnung des ältesten Gebäudes s. unten Kap. VIII. 1.1.
94 Die erdige Verfüllung einer flachen Grube an Fundamentmauer PV-SME 060 (SE 01-42) sowie ein erdiger Fleck
auf der bauzeitlichen Planie (SE 01-44) lagen am Trennbereich der bauzeitlichen Planie und der inhomogenen
Anschüttung und sind nicht sicher zu periodisieren.
95 Fundnr. 01-34/188 und 01-39/193. s. Kap. VI. 1.3 zum Keramikbefund der Phase Nord-2.
96 s. dazu oben Kap. II.2.2.1, Abschnitt A.
97 Zu epigrafischen und literarischen Quellen zu diesem Erdbeben vgl. Taeuber 2015; Jones 2018; Engelmann 1991b.
Zu einem möglichen Zusammenhang mit umfassenden Neubaumaßnahmen in anderen Bereichen der Domus s.
auch Kap. VI.2.
 
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