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Krinzinger, Friedrich [Editor]; Ruggendorfer, Peter [Editor]
Das Theater von Ephesos: archäologischer Befund, Funde und Chronologie (Textband): Das Theater von Ephesos — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.46294#0123
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3.5 Nordflügel des Theaters

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ridor, vorbei an vier Gewölbekammern (KN1-KN4)103 (Taf. 127 Abb. 255), durch die Nord-Außenschale
des Theaters zum zweiten vomitorium (EN2), durch welches sie über eine steile Treppe das mittlere Diazo-
ma erreichen konnten (Textabb. 16-18)104. St. Karwiese nimmt analog zum Süden eine Freitreppe entlang
der Theateraußenwand an, über welche die oberen Ränge erschlossen wurden105. Die Erschließung der
summa cavea bleibt bislang unklar.
Umbaumaßnahmen, vermutlich im Zuge von Stabilisierungsmaßnahmen, führten zu einer Umgestaltung
des Gewölbes im Korridor ENI106. Durch westlich und östlich vor die Korridorwand gesetzte Pfeilerreihen
beabsichtigte man ein wesentlich niedrigeres Gewölbe einzuziehen, wenngleich derzeit nicht abschließend
geklärt werden kann, ob das sekundäre Gewölbe vollständig zur Ausführung kam (Textabb. 21; Taf. 470
Abb. 840. 841; 472 Abb. 845)107. Bislang konnten drei Pfeiler ausgemacht werden108.
Das Theater hatte im späteren 4. Jh. n. Chr., vermutlich aufgrund von folgenschweren Erdbeben, massi-
ve Schäden erlitten, auf die im Nordflügel des Gebäudes mit einer Reihe von baulichen Sicherungen reagiert
wurde109. Nach Analyse der aktuellen Bauforschung erfolgte die Ausführung der Sicherungsmaßnahmen
offenbar etwas zeitlich versetzt in mehreren Schritten. Zu diesen Maßnahmen gehörten der Verschluss der
nördlichen Fassadenöffnung von EN2, der Bau von zwei Strebemauem seitlich von EN2 sowie die Vorla-
gerung einer zusätzlichen Wandschale im Bereich zwischen den vomitoria ENI und EN2.
Eine weitere Konsolidierungsmaßnahme ist im Bereich der Fassadenöffnung von ENI anhand eines ca.
1 m breiten und 6,30 m hohen Negativabdrucks im opus caementitium-Kem der sekundär vorgelagerten
Wandschale sichtbar. Dieser Abdruck zeigt, dass die Fassadenverstärkung bereits gegen ein vorhandenes
bauliches Volumen im Bereich der Fassadenöffnung von ENI gesetzt wurde (Taf. 472 Abb. 844). Es könn-
te sich dabei z. B. um eine unmittelbare statische Sicherung der hohen Öffnungslaibungen handeln. Der
nördliche Eintritt in das vomitorium EN 1 wäre dadurch zwar verschmälert worden, aber weiterhin zugäng-
lich geblieben. Da der untere nördliche Außenbereich vor der Abschlussmauer in EN 1 noch nicht freiliegt,
lässt sich diese Hypothese derzeit jedoch nicht weiter verifizieren.
Klar ersichtlich ist hingegen, dass der Korridor in einer weiteren Umbauphase aufgegeben und im Norden
durch eine 6,85 m starke und 4,50 m hohe Mauer verschlossen wurde (Taf. 128 Abb. 256). Diese Baumaß-
nahme steht entweder ebenfalls in Verbindung mit einer statischen Konsolidierung des Korridorbereichs oder
mit der Umwandlung des Korridors EN 1 in ein Wasserbecken. Die Mauerstärke spricht hingegen eher für
eine statische Sicherungsmaßnahme, welche dann in Zusammenhang mit den Konsolidierungsmaßnahmen
des späten 4. Jhs. n. Chr. stehen dürfte.
Durch die Stilllegung des Korridors (ENI) wurde jedenfalls auf den direkten Zugang von Norden ver-
zichtet und der Zugang erfolgte nun ausschließlich über den L-förmigen Treppenaufgang von Westen her
auf das untere Diazoma (ENI West).
Vermutlich um die Mitte des 5. Jhs. n. Chr. wurde der nördliche und mittlere Bereich des Korridors ENI
in ein Wasserbecken umgebaut110. Dazu mussten die Toröffnungen der Kammern sowie der Durchgang zum
südlichen Korridorabschnitt verschlossen werden111.
1998 konnte der Gang ENI im nördlichen Bereich (max. 4,90 x 3,06 m) sowie ein kleiner Ausschnitt im
südlichen Teil vor dem verschlossenen Durchgang 1 zum südlichen Korridorabschnitt bis zum Boden des

103 Die beiden nebeneinander liegenden, westlich an den Korridor ENI angrenzenden Kammern (KN1-KN2) waren jeweils über
ein Tor mit demselben verbunden. Aufgrund des Erhaltungszustands des Korridors im Süden und des noch hoch anstehenden
Versturzes ist die Situation der Kammern KN3 und KN4 noch weitgehend unklar.
104 Karwiese Archiv ÖAI, 4 f.; Karwiese 1998a, 25.
105 Im archäologischen Befund gibt es bisher keine Hinweise auf eine Freitreppe, dennoch erscheint die Vermutung des Ausgräbers
wahrscheinlich.
106 Laut St. Karwiese fanden diese etwa im 3. Jh. n. Chr. statt, s. Karwiese Archiv ÖAI, 5.
107 Vgl. Kap. 10.3.2. Es gibt keine Spuren von Verklammerungen oder Verdübelungen der Bauelemente miteinander oder zu den
Korridorwänden. Vermutlich diente das sekundäre Gewölbe der zusätzlichen Aussteifung des Korridors oder sollte Bereiche des
beschädigten Korridors ersetzen.
108 Im südlichen Bereich des Korridors konnte der Versturz noch nicht abgetragen werden.
109 Vgl. auch Karwiese Schlussbericht, 4; s. Kap. 10.3.2 u. Sondage 5/98.
110 Kap. 10.3.2.
111 Die Tore wurden mit Mörtelmauerwerk aus Bruchsteinen, Spolien und Ziegeln vermauert und mit hydraulischem Mörtel verputzt,
die Wände des Korridors blieben hingegen unverputzt.
 
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