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Adenstedt, Ingrid; Krinzinger, Friedrich [Editor]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheiten 1 und 2: Baubefund, Ausstattung, Funde (Textband 2): Textband Wohneinheit 2 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.47144#0235
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B.XIII Funde aus Metall und Bein

4.2 Fingerkunkeln
In den drei Spinnrocken B-Te 4, 5 und 8 (Taf. 275) sind aufgrund ihrer geringen Stablängen keine Gebrauchsgeräte zu sehen, sondern
kostbare Nachahmungen derselben133. Bei B-Te 4 handelt es sich um eine Venuskunkel134. Den oberen Abschluß bildet wie bei den
meisten Kunkeln dieses Typus eine flach gearbeitete Figur im Typus der Venus Pudica135. Sie ist halbbekleidet und mit einem Diadem
und einem Delphin neben ihrem rechten Bein dargestellt. Als Entstehungsort der meisten Venuskunkeln wird Ägypten angenommen136,
die bisher bekannten Stücke verteilen sich vom 2. bis in das 4. Jh. n. Chr137. Unser Stück muß aufgrund der Chronologie des H 2 vor
dessen Zerstörung im 3. Viertel des 3. Jhs. n. Chr. entstanden sein. Durch die plastische Ausführung wird eine Datierung vom späten
2. bis in die 1. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. nahegelegt. Venuskunkeln gehörten als kostbare Nachahmungen von Gebrauchskunkeln zu den
Hochzeitsgeschenken der römischen Braut. Während die überwiegende Zahl der bisher bekannten aus Gräbern stammt, handelt es sich
bei B-Te 4 ebenso wie bei einer anderen Venuskunkel aus dem H 2 um einen im Haus aufbewahrten Gegenstand138. E. Trinkl nimmt
an, daß die „domina/matrona den Prunkrocken als Attribut ihrer häuslichen Autorität in einem öffentlich zugänglichen Bereich der
domus zur Schau“139 stellte. Da es sich jedoch um eher kleine Gegenstände ohne Vorrichtung zum Aufstellen handelt, scheint mir die
Aufbewahrung in einem Kästchen oder ähnlichem wahrscheinlicher. Nach dem Tod der matrona wurden sie ihr ins Grab mitgegeben,
was durch deren häufiges Vorkommen in Gräbern belegt ist. Die gleiche Funktion wie für B-Te 4 ist aufgrund ihrer geringen Stablänge
auch für die Fingerkunkeln B-Te 5 und B-Te 8 anzunehmen140. Bei B-Te 5 ist der obere Abschluß als Büste ausgebildet, bei B-Te 8
profiliert.
Elisabeth Rathmayr

5 Schmuck
5.1 Fingerringe
An Schmuck wurden in dieser WE ein Fingerring aus Gold B-B 30 (Taf. 262; 472) in SR 15 und die einfachen Ringe aus Bronze B-B 37
(Taf. 262) in SR 16 und B-B 172-173 (Taf. 269) in SR 26 gefunden. Während bei B-B 172 und B-B 173 mit ovalem und rundem
Querschnitt auch andere Funktionen, darunter eine Verwendung als Möbelgriffe, in Frage kommen, dürfte es sich bei B-B 37 mit
D-förmigem Querschnitt und einem inneren Durchmesser von 1,5 cm um einen Fingerring gehandelt haben141.
Der vollständig erhaltene Goldring B-B 30 (Taf. 262; 472) in Sphendonenform hat einen Reif mit einem D-förmigen Querschnitt, der
sich zu den Schultern hin verbreitert und an der Platte leicht abgeflacht ist. In diese eingelassen ist eine hochovale, polierte Gemme mit
flacher Oberseite, welche in vertieftem Relief die Darstellung einer Maus zeigt, die einen Doppelaulos142 spielt. Aufgrund der leichten
Verbreiterung des Reifes an den Schultern und der den Reif überragenden Einlage mit flacher Oberseite, dürfte der Ring an die Wende
vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. zu datieren sein143. Gemmen verwendete man vor allem als Siegel, um privates und öffentliches Eigentum
mit den jeweiligen Bildzeichen zu kennzeichnen und zu versiegeln144. Neben verschiedenen Darstellungen kamen als Motiv auch häu-
fig Tiere vor145, wobei Mäuse146 besonders in Genrekompositionen ein beliebtes Motiv gewesen sind. Sie führen oft, wie bei der Dar-
stellung auf dem Ring B-B 30, menschliche Tätigkeiten aus147. Goldene Ringe durften in der Republik nur von mobiles, später auch von
Rittern als Standesabzeichen getragen werden148; in der Kaiserzeit gab es derartige Beschränkungen dann nicht mehr und das Tragen

133 Cremer, Venuskunkeln, 144; Cremer, Spinnrocken, 244.
134 Zu Finger- und Venuskunkeln s. G. König, Die Fingerkunkel aus Grab 156, in:
K. Roth-Rubi - H. R. Sennhauser (Hrsg.), Römische Straßen und Gräber, Vera-
münster Zurzach 1 (1987) 129-141; Cremer, Venuskunkeln, 135-144; Cremer,
Spinnrocken, 241-245; Trinkl, Funde, 281-303.
135 Cremer, Venuskunkeln, 143.
136 Cremer, Venuskunkeln, 144; Cremer, Spinnrocken, 244.
13' Cremer, Venuskunkeln, 143; Cremer, Spinnrocken, 244.
138 Zu Venuskunkeln aus dem H 2 s. Trinkl, Funde, Kat. 1 (= B-Te 4). Kat. 4.
139 Trinkl, Funde, 302.
140 Ebenso Trinkl, Funde, 300-302.
141 Riha, Schmuck, 46 mit älterer Lit.: Ringe mit rundem bis ovalem Querschnitt
konnten auch als Aufhänge- und Verbindungsringe verwendet werden, bei jenen
mit einem D-und bandförmigen Querschnitt handelt es sich um einen langlebigen
Typus, der zum Tragen bestens geeignet war; zu den Ringgrößen wird auf S. 49
festgestellt, daß in Augst und Kaiseraugst die meisten Frauenringe einen Durch-
messer bis 17,5 mm und die Herrenringe bis 19,1 mm hatten.
142 Zum Doppelaulos s. DNP (2000) 547-549 s. v. Musikinstrumente (L. Zanoncelli),
einem zwar griechischen Musikinstrument, das sich aber auch in römischer Zeit
noch großer Beliebtheit erfreute.
143 Zu Ringen in Sphendonenform und deren typologisch-chronologischen Verände-
rungen vom 1. bis ins 3. Jh. n. Chr. s. F. Henkel, Die römischen Fingerringe der
Rheinlande und der benachbarten Gebiete (1913) 22-30; Riha, Schmuck, 26 f. 30;
vgl. ähnliche Ringe bei B. Deppert-Lippitz, Goldschmuck der Römerzeit im Rö-
misch-Germanischen Zentralmuseum, Kataloge Vor- und Frühgeschichtlicher Al-
tertümer 23 (1985) Kat. 130-134. 140, die ins 1. und frühe 2. Jh. n. Chr. datiert
werden.

144 P. Zazoff, Die antiken Gemmen, Handbuch der Archäologie (1984); zu römischen
Gemmen s. auch C. Maderna-Lauter, Glyptik, in: Kaiser Augustus und die ver-
lorene Republik, Ausstellung Berlin 1988 (1988) 441^444 mit älterer Lit.; zu
Gemmen aus Asia Minor s. K. Konuk - M. Arslan, Ancient gems and finger rings
from Asia Minor (2000).
145 RE VII 1 (1910) 1087-1095 s. v. Gemmen (O. Rossbach); zum Beispiel ist aus
der antiken Literatur bekannt, daß C. Maecenas als Bildzeichen einen Frosch im
Ring trug (Plin. nat. hist. 37, 10); auch unter den Gemmen aus Augst und Kaiser-
augst sind Tierdarstellungen häufig, s. E. Riha, Der römische Schmuck aus Augst
und Kaiseraugst, Forschungen in Augst 10 (1990) 22 Tab. 11.
146 Die Maus galt als ein dämonisches, mit mantischer Kraft begabtes Wesen, s. Klei-
ner Pauly (1979) 1099 s. v. Maus (W. Richter); DNP 7 (1999) 1058 s. v. Maus
(C. Hünemörder).
147 Vgl. z. B. eine Maus, die einen Karren lenkt, s. M.-L. Vollenweider, Deliciae
Leonis. Antike geschnittene Steine und Ringe aus einer Privatsammlung (1984)
210 Kat. 340 mit Abb.; oder Gemmen mit Mäusen, die einen Wagen lenken, der
von einem oder zwei Hähnen gezogen wird, s. G. M. A. Richter, Catalogue of
engraved gems. Metropolitan Museum of Art, New York (1956) Kat. 535-536 mit
Abb; G. Piccottini, Ein römischer Fingerring aus Völkermarkt, Kärnten, Carinthia
I 181, 1991, 67-72 Abb. 1-2; sowie eine auf einer Amphore segelnde Maus, s.
M. A. P. Fossing, Catalogue of the antique engraved gems and cameos, Thor-
valdsen Museum, Kopenhagen (1929) Kat. 1422 Taf. XVI.
148 Kleiner Pauly (1979) 1435 s. v. Ringe (W. H. Gross); DNP 10 (2001) 1021 s. v.
Ring (R. Hurschmann); zu antiken Ringen s. auch J. Spier, Ancient Gems and
Finger Rings. Catalogue of the Collection. The J. Paul Ghetty Museum (1992);
F. Henkel, Die römischen Fingerringe der Rheinlande und der benachbarten Ge-
biete (1913) XXV-XXVI1I.

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