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Fiedler, Karl Gustav
Reise durch alle Theile des Königreiches Griechenland: in Auftrag der Königl. Griechischen Regierung in den Jahren 1834 - 1837 (Band 1): Mit 6 lithographirten Ansichten — Leipzig, 1840

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https://doi.org/10.11588/diglit.9173#0164
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DAS ORAKEL ZU DELPHI.

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erst antwortete er in Prosa, aber noch stets so dunkel, dass
die Auslegung seiner Aussprüche häufig Elend, Tod und Ver-
derben über ganze Länder und Völker brachte. Diese Lei-
tung der Geschicke der Menschen, welcher sich das Orakel
bemächtigt hatte, war das Unheilbringende, denn das Erpres-
sen von Opfern, Geld und Geschenken, da der goldgelockte
Gott nicht umsonst antwortete, machte die Befrager nur är-
mer. Unter Constantiii dem Grossen hörte dieses Orakel so
wie die meisten übrigen auf.

In den frühesten Zeiten g. b es zu Delphi nur Eine Py-
thia, als aber das Orakelsprechen gut ging, musste man drei
anstellen. Die Pythia wurde anfänglich jung zum Dienst ge-
wählt, als aber ein Tbessalier die wahrsagende Jungfrau heim-
lich mit sich genommen h^tte, um das Orakel stets in der
Nähe zu haben, so wurden dann nur alte Mädchen, die mehr
als 50 Jahre zählen mussten, dazu genommen. Die Pythia
wühlte mau aus dem niedrigsten Stande der Bewohner von
Delphi, arm und ohne Erziehung, aber was die Hauptsache
war, sie musste etwas wahnsinnig sein oder doch starke An-
lage dazu haben. Die jetzigen Bewohner von Kastrl meinten:
die Pythia sei die grösste Lügnerinn des Landes gewesen, und
sagten mit Zufriedenheit, dass sie jetzt keine verrückte Jung-
frau mehr im Dorfe hätten. Ich habe auch die Meinungen
der jetzigen Bewohner angeführt, um anzugeben, was die Sage
noch bis jetzt erhalten hat. Der Tempel des Apollon war,
selbst nach dem Werthe jelzigcr Zeiten gerechnet, ungeheuer
reich; dort waren vom Lybischeu König Krösus geschenkt:
117 Ziegel von Gold, eine Handbreit dick, 6mal so lang,
■hnal so breit, deren jeder 2 Talente wog; ein goldner Löwe,
10 Talente schwer; ein grosser goldner Dreifuss, auf wel-
chem die Pythia sass; die Statue des Apollo aus Gold (vom
Nero geraubt). Ferner ein Krater von Gold, über 8 Talente
schwer, einer von Silber, der 600 Amphoren fasste, in wel-
chem der Wein am Feste der Theophanien gemischt wurde
u. s. w. Trotz der frühem Ausraubungen des Tempels waren
zu Plinius Zeiten noch über 3000 Statuen übrig. Strabo

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