Die wichtigsten
Epochen der Webe-Ornamentik.
Wie schon in der Einleitung erläutert, unterscheiden wir
mit der Hand eingewirkte und aufgestickte Ornamente von
solchen, die durch eine technische Vorrichtung sich mechanisch
wiederholen. Zwei Arten kommen in Betracht. Die Muster
des Tritt- und des A u f z u g - W e b s t u h 1 e s.
Die uralte germanische Leinenweberei zeigt uns aus
Gräbern der Römerzeit viele Trittstuhl-Muster. Es sind Köper-
bindungen , welche schräge und Zickzack- und Rautenlinien
bilden. Die hochentwickelte ägyptische Leinenindustrie kennt
diese Musterung nicht, so dass wir den Trittstuhl als nordisch-
germanische Erfindung bezeichnen dürfen. Cäsar rühmt das
atrebatische Leinen, und Aristophanes hebt hervor, dass die
Hetären Athens sich in feine kimbrische Gewänder hüllten.
Holland, Friesland und Westfalen sind heute noch durch
feine Handgespinnste berühmt. In vielen katholischen Kirchen
finden wir diese typischen geometrischen Trittstuhl-Leinengebilde
auf den Altären. Da aber der Trittstuhl bis höchstens 50 ab-
wechselnde Tritte erlaubt, so sind diese geometrischen Formen
so primitiv, dass von höherer Kunst keine Rede sein kann.
Es ist zu beachten, dass diese Hintergrundsbindungen noch
die reichen Borden des 13.—15. Jahrhunderts am Rhein und
in Flandern beleben. Es kommt für unser abgegrenztes Gebiet
daher nur die A u f z u g-Weberei in Betracht. Diese hat ihren
Ursprung wohl in Indien und kommt erst durch Alexander den
Grossen und durch seine Nachfolger nach dem Westen.
Für solche, welche die Webetechnik nicht genauer kennen,
ist der Hinweis nötig, durch welche Mittel im wesentlichen
die Musterung erzielt wird. Sind, wie bei Damast-Geweben,
Kette und Einschlag gleich, so tritt das Muster, oder — je
nach dem Standpunkte des Beschauers — der Hintergrund
leuchtend hervor, wenn das Licht von grösseren Fadenflächen
reflektiert. Liegen also Fäden, wie bei der Köperbindung freier,
so bilden sie helle Linien und bei der Atlasbindung helle Flächen,
während die engste Bindung (Tafft) dunkel erscheint. - Die
Musterung durch verschiedene Farben in Kette und Einschlag
ergiebt unendlich viele Variationen. Die dicken Goldfäden,
welche oft nur broschiert sind, also nicht die ganze Breite des
Gewebes durchziehen, sind vielfach nur durch eine feine Binde-
kette festgehalten, damit sie über dem Atlasfond wie plastisch
aufliegen.
Die älteren Gewebe mustern durch verschiedene Farben,
sie haben noch nicht die reicheren Lichteffekte durch Abwechse-
lung der Bindungen, wie z. B. die Damast-Gewebe. Es ist
selbstverständlich, dass die auf unsere Zeit gekommenen
Gewebe zu den kostbarsten jener Epoche gehören. Wir können
aber von diesem schliessen, wie die einfachen billigen Gewebe
gemustert waren. Grobe Samtgewebe waren schon in vor-
christlicher Zeit üblich, denn man bildete über eingeschobene
Ruten Noppen oder Schlingen. Erst im Mittelalter wurden diese
aufgeschnitten und verschieden hoch für den feinsten Seiden-
samt verwandt.
Das hier abgebildete, in meinem
Textil-Museum befindliche altägyp-
tische Muster dürfte wohl das älteste
bisher bekannte Aufzug-Gewebe sein.
Die Technik ist sehr primitiv und sucht
die Wirkerei nachzuahmen. Reicher
und feiner sind die Muster mit Jagd-
szenen. Bei geringer Höhe zeigen sie
grosse Breite.
2. Alexandrinisches Muster. 1. bis 3. Jahrhundert.
(1/2 Grösse.)
Alexandria wurde der Haupthandelsplatz unter den
Ptolomäern. Wann dort die ersten Aufzugmuster gewebt
wurden, ist nicht genau zu bestimmen. Wahrscheinlich ver-
breitete sich die Neuerung langsam, da die Händler sie geheim
hielten. Wir erfahren erst durch einige Verse Martials (100 nach
Chr.), dass durch das Webschiffchen am Nil die babylonischen
Nadelarbeiten (Wirk- und Stickwerk) besiegt seien. (Vieta est
pectine niliaco jam babylonis actis.) Es lag nahe, grösseren
Flciss auf die Vorbereitungen zur Weberei zu verwenden, da
die Feinheit der Ausarbeitung sich bei jeder mechanischen Vor-
bereitung lohnte. In der ersten Zeit begnügte man sich, die
aufzunähenden Streifen und Stolen zu weben, da man erst nach
und nach entdeckte, dass man ein und dieselbe Vorrichtung
durch die Hebung vieler Schnüre gleichzeitig für nebeneinander-
liegende gleiche Muster verwenden kann. Durch den Kontre-
marsch ersparte man zudem bei symmetrischen Mustern die
Aufzugs-Einrichtung der 2. Hälfte.
3. Alexandrinisches Muster. 1. bis 3. Jahrhundert. (Vs Grösse.)
Ähnlich wie bei der Erfindung Gutenbergs war nunmehr
die billigste Multiplikation vorbereitet. Die das Muster bildenden
Fäden wurden reihenweise durch eine billige Kraft bei jedem
Einschlag hochgezogen. Waren die Aufzüge gehoben, fing man
wieder von vorn an. Bis 1804 begnügte man sich, diese lang-
weilige mechanische Arbeit Kindern zuzuweisen, die unter dem
Webstuhl hockten. Jacquard erreichte, dass der Weber durch
einen Tritt das Aufziehen der das Muster bildenden Fäden be-
wirkt.
4. Alexandrinisches Muster. 1. bis 3. Jahrhundert. (1/3 Grösse.)
Die stetig zunehmende Einfuhr der Seide und die Pracht-
liebe der Römer und Orientalen begünstigte die Aufzug-Weberei,
aber noch lange Zeit blieb das Volk bei der uralten Haus-
industrie. Die Männer webten die Kleider, welche die Frauen
mit Wirkwerk und Stickereien musterten. Es mag auch lange
i gedauert haben, bis man die uralte Totenbestattung in bei
Lebzeiten vorbereiteten Geweben aufgab und in reich gemusterten
Geweben die Toten beisetzte. Dass aber die Aufzugmuster
schon früh im Gebrauch waren, ergeben die damals wertlosen
Lappen, welche man zur Füllung der Bauchhöhle bei Mumien
verwandte. Diese zeigen neben gewirkten auch gewebte primi-
tive Muster. Die Wiederholungs-Muster der Weberei wurden
von grösster Bedeutung für die damalige Ornamentik. Man
verliess nach und nach die freie Handarbeit, welche für jedes
Gewand, für jedes Alter und jeden Stand, für Lebende und
Tote die entsprechende Ornamentik schuf, denn nunmehr
kaufte man nach der Elle reichgemusterte Zeuge und schnitt
und nähte diese zu Kleidern. Selbstverständlich wählte man
beliebte und durch die Wiederholung gewinnende Motive.
5. Alexandrinisches Muster. 1. bis 3. Jahrhundert. (1/2 Grösse.)
4
Epochen der Webe-Ornamentik.
Wie schon in der Einleitung erläutert, unterscheiden wir
mit der Hand eingewirkte und aufgestickte Ornamente von
solchen, die durch eine technische Vorrichtung sich mechanisch
wiederholen. Zwei Arten kommen in Betracht. Die Muster
des Tritt- und des A u f z u g - W e b s t u h 1 e s.
Die uralte germanische Leinenweberei zeigt uns aus
Gräbern der Römerzeit viele Trittstuhl-Muster. Es sind Köper-
bindungen , welche schräge und Zickzack- und Rautenlinien
bilden. Die hochentwickelte ägyptische Leinenindustrie kennt
diese Musterung nicht, so dass wir den Trittstuhl als nordisch-
germanische Erfindung bezeichnen dürfen. Cäsar rühmt das
atrebatische Leinen, und Aristophanes hebt hervor, dass die
Hetären Athens sich in feine kimbrische Gewänder hüllten.
Holland, Friesland und Westfalen sind heute noch durch
feine Handgespinnste berühmt. In vielen katholischen Kirchen
finden wir diese typischen geometrischen Trittstuhl-Leinengebilde
auf den Altären. Da aber der Trittstuhl bis höchstens 50 ab-
wechselnde Tritte erlaubt, so sind diese geometrischen Formen
so primitiv, dass von höherer Kunst keine Rede sein kann.
Es ist zu beachten, dass diese Hintergrundsbindungen noch
die reichen Borden des 13.—15. Jahrhunderts am Rhein und
in Flandern beleben. Es kommt für unser abgegrenztes Gebiet
daher nur die A u f z u g-Weberei in Betracht. Diese hat ihren
Ursprung wohl in Indien und kommt erst durch Alexander den
Grossen und durch seine Nachfolger nach dem Westen.
Für solche, welche die Webetechnik nicht genauer kennen,
ist der Hinweis nötig, durch welche Mittel im wesentlichen
die Musterung erzielt wird. Sind, wie bei Damast-Geweben,
Kette und Einschlag gleich, so tritt das Muster, oder — je
nach dem Standpunkte des Beschauers — der Hintergrund
leuchtend hervor, wenn das Licht von grösseren Fadenflächen
reflektiert. Liegen also Fäden, wie bei der Köperbindung freier,
so bilden sie helle Linien und bei der Atlasbindung helle Flächen,
während die engste Bindung (Tafft) dunkel erscheint. - Die
Musterung durch verschiedene Farben in Kette und Einschlag
ergiebt unendlich viele Variationen. Die dicken Goldfäden,
welche oft nur broschiert sind, also nicht die ganze Breite des
Gewebes durchziehen, sind vielfach nur durch eine feine Binde-
kette festgehalten, damit sie über dem Atlasfond wie plastisch
aufliegen.
Die älteren Gewebe mustern durch verschiedene Farben,
sie haben noch nicht die reicheren Lichteffekte durch Abwechse-
lung der Bindungen, wie z. B. die Damast-Gewebe. Es ist
selbstverständlich, dass die auf unsere Zeit gekommenen
Gewebe zu den kostbarsten jener Epoche gehören. Wir können
aber von diesem schliessen, wie die einfachen billigen Gewebe
gemustert waren. Grobe Samtgewebe waren schon in vor-
christlicher Zeit üblich, denn man bildete über eingeschobene
Ruten Noppen oder Schlingen. Erst im Mittelalter wurden diese
aufgeschnitten und verschieden hoch für den feinsten Seiden-
samt verwandt.
Das hier abgebildete, in meinem
Textil-Museum befindliche altägyp-
tische Muster dürfte wohl das älteste
bisher bekannte Aufzug-Gewebe sein.
Die Technik ist sehr primitiv und sucht
die Wirkerei nachzuahmen. Reicher
und feiner sind die Muster mit Jagd-
szenen. Bei geringer Höhe zeigen sie
grosse Breite.
2. Alexandrinisches Muster. 1. bis 3. Jahrhundert.
(1/2 Grösse.)
Alexandria wurde der Haupthandelsplatz unter den
Ptolomäern. Wann dort die ersten Aufzugmuster gewebt
wurden, ist nicht genau zu bestimmen. Wahrscheinlich ver-
breitete sich die Neuerung langsam, da die Händler sie geheim
hielten. Wir erfahren erst durch einige Verse Martials (100 nach
Chr.), dass durch das Webschiffchen am Nil die babylonischen
Nadelarbeiten (Wirk- und Stickwerk) besiegt seien. (Vieta est
pectine niliaco jam babylonis actis.) Es lag nahe, grösseren
Flciss auf die Vorbereitungen zur Weberei zu verwenden, da
die Feinheit der Ausarbeitung sich bei jeder mechanischen Vor-
bereitung lohnte. In der ersten Zeit begnügte man sich, die
aufzunähenden Streifen und Stolen zu weben, da man erst nach
und nach entdeckte, dass man ein und dieselbe Vorrichtung
durch die Hebung vieler Schnüre gleichzeitig für nebeneinander-
liegende gleiche Muster verwenden kann. Durch den Kontre-
marsch ersparte man zudem bei symmetrischen Mustern die
Aufzugs-Einrichtung der 2. Hälfte.
3. Alexandrinisches Muster. 1. bis 3. Jahrhundert. (Vs Grösse.)
Ähnlich wie bei der Erfindung Gutenbergs war nunmehr
die billigste Multiplikation vorbereitet. Die das Muster bildenden
Fäden wurden reihenweise durch eine billige Kraft bei jedem
Einschlag hochgezogen. Waren die Aufzüge gehoben, fing man
wieder von vorn an. Bis 1804 begnügte man sich, diese lang-
weilige mechanische Arbeit Kindern zuzuweisen, die unter dem
Webstuhl hockten. Jacquard erreichte, dass der Weber durch
einen Tritt das Aufziehen der das Muster bildenden Fäden be-
wirkt.
4. Alexandrinisches Muster. 1. bis 3. Jahrhundert. (1/3 Grösse.)
Die stetig zunehmende Einfuhr der Seide und die Pracht-
liebe der Römer und Orientalen begünstigte die Aufzug-Weberei,
aber noch lange Zeit blieb das Volk bei der uralten Haus-
industrie. Die Männer webten die Kleider, welche die Frauen
mit Wirkwerk und Stickereien musterten. Es mag auch lange
i gedauert haben, bis man die uralte Totenbestattung in bei
Lebzeiten vorbereiteten Geweben aufgab und in reich gemusterten
Geweben die Toten beisetzte. Dass aber die Aufzugmuster
schon früh im Gebrauch waren, ergeben die damals wertlosen
Lappen, welche man zur Füllung der Bauchhöhle bei Mumien
verwandte. Diese zeigen neben gewirkten auch gewebte primi-
tive Muster. Die Wiederholungs-Muster der Weberei wurden
von grösster Bedeutung für die damalige Ornamentik. Man
verliess nach und nach die freie Handarbeit, welche für jedes
Gewand, für jedes Alter und jeden Stand, für Lebende und
Tote die entsprechende Ornamentik schuf, denn nunmehr
kaufte man nach der Elle reichgemusterte Zeuge und schnitt
und nähte diese zu Kleidern. Selbstverständlich wählte man
beliebte und durch die Wiederholung gewinnende Motive.
5. Alexandrinisches Muster. 1. bis 3. Jahrhundert. (1/2 Grösse.)
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