schauung bringen. Aber mit Einzelnem ist der Phantasie des Lesers
nicht zu helfen; solch Versuch müßte bei jedem der großen allseitig
empfindenden Dichter nur Stückwerk bleiben. Denn Illustrieren ist
Übersetzen, und zum Übersetzen gehört, nach Herman Grimms feinem
Wort, daß man die Sprache, in die man überträgt, noch besser be-
herrsche, als die des Originals. Und wie selten sind im Gebiete der
Kunst Naturen, denen die Sprache gegeben ist für die Höhen und
Tiefen der inneren und jenseitigen Welt dieses Propheten! Es gibt
keinen Dichter, der uns so unzufrieden mit seinen Illustratoren und
so anspruchsvoll machte an bildende Kunst, die sich seiner Welt nähern
will und seinen Namen braucht, keinen dem Anspruch und Recht dieser
stillen, unausweichlichen Kritik so wohl zukäme, wie Dante.
Denn wie man ihn auch gegen die anderen Größten wägen will
und mag — für die bildende Kunst hat keiner, nicht Shakespeare, nicht
Goethe, nicht Beethoven, eine Mission zu erfüllen gehabt, wie er —
„er steht im Allerheiligsten — wo Religion und Poesie verbündet -—
als Hohepriester und weiht die ganze moderne Kunst für ihre Be-
stimmung ein“.
Nie ist einer der großen Dichter zu seiner eigenen Zeit im gleichen
Schritt und gleicher Gesinnung mit Künstlern von diesem Rang, wie
Giotto und Giovanni Pisano hervorgeschritten und vereint gewesen.
Was war um Shakespeare und Goethe Vergleichbares? Wann und
wo eine Trias verbündet wie diese?
In ihm sprach wie in seinen Genossen die neue Epoche -— zweier
Zeiten Schlachtgebiet, — der neue Stand des Städters in seiner glück-
lichen frischesten Jugendzeit. Sie alle hörten und erlebten die Offen-
barungen der Natur in den Mauern und vor den Toren, im Haus, auf
dem Markt und in der Kirche; sie vernahmen die Natur in Worten und
Gebärden der Menschen, sie haben „dem Volke aufs Maul“ gesehen
zweihundert Jahre vor Luther, standen inmitten des wogenden Lebens
auf Höhen mit weitem Blick, an Abgründen mit noch weiteren Tiefen
und waren ihrer selbst bewußt.
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nicht zu helfen; solch Versuch müßte bei jedem der großen allseitig
empfindenden Dichter nur Stückwerk bleiben. Denn Illustrieren ist
Übersetzen, und zum Übersetzen gehört, nach Herman Grimms feinem
Wort, daß man die Sprache, in die man überträgt, noch besser be-
herrsche, als die des Originals. Und wie selten sind im Gebiete der
Kunst Naturen, denen die Sprache gegeben ist für die Höhen und
Tiefen der inneren und jenseitigen Welt dieses Propheten! Es gibt
keinen Dichter, der uns so unzufrieden mit seinen Illustratoren und
so anspruchsvoll machte an bildende Kunst, die sich seiner Welt nähern
will und seinen Namen braucht, keinen dem Anspruch und Recht dieser
stillen, unausweichlichen Kritik so wohl zukäme, wie Dante.
Denn wie man ihn auch gegen die anderen Größten wägen will
und mag — für die bildende Kunst hat keiner, nicht Shakespeare, nicht
Goethe, nicht Beethoven, eine Mission zu erfüllen gehabt, wie er —
„er steht im Allerheiligsten — wo Religion und Poesie verbündet -—
als Hohepriester und weiht die ganze moderne Kunst für ihre Be-
stimmung ein“.
Nie ist einer der großen Dichter zu seiner eigenen Zeit im gleichen
Schritt und gleicher Gesinnung mit Künstlern von diesem Rang, wie
Giotto und Giovanni Pisano hervorgeschritten und vereint gewesen.
Was war um Shakespeare und Goethe Vergleichbares? Wann und
wo eine Trias verbündet wie diese?
In ihm sprach wie in seinen Genossen die neue Epoche -— zweier
Zeiten Schlachtgebiet, — der neue Stand des Städters in seiner glück-
lichen frischesten Jugendzeit. Sie alle hörten und erlebten die Offen-
barungen der Natur in den Mauern und vor den Toren, im Haus, auf
dem Markt und in der Kirche; sie vernahmen die Natur in Worten und
Gebärden der Menschen, sie haben „dem Volke aufs Maul“ gesehen
zweihundert Jahre vor Luther, standen inmitten des wogenden Lebens
auf Höhen mit weitem Blick, an Abgründen mit noch weiteren Tiefen
und waren ihrer selbst bewußt.
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