seinen Bildern und wie im Banne seiner Augen, läßt er die Gestalten
die Abhänge des Inferno und das schwergraue Crepusculo durchwanken.
In diesen Sphären, „dove la legge natural nulla rileva“, „wo das Natur-
gesetz nichts gelten kann“, mußte das Quattrocento versagen, weil mit
dem gewohnten akademischen Abtasten der Natur das Jenseits sich
nicht erfassen ließ; denn einzig das Nächstliegende im Raum ist ihm
erreichbar. Nur ein Meister der Landschaftsandeutung wie Pisanello,
dem zur neuen Frische des Entdeckerblicks die tiefsinnige Sammlung
der alten Zeit auf das Wesentliche geblieben und der damit seinen Me-
daillenreversen und seinen kleinen Tafeln ihre poetische Größe gibt,
hätte hier folgen können. Davon hat der Pariser Codex den glücklichen
Verzicht auf alles Berechnen der Perspektive, und trotzdem die Herr-
schaft über das Schwingen von Gebärden und Bewegungen in Nähe
und Ferne, die mit wenigen Griffen und nur im Größten angedeutet wird.
Denn räumlich ist Dantes bildende Phantasie ganz und gar, trotz-
dem er Gotiker war. Er greift hierin weit über das Können seiner
Zeit hinaus, stürmt fast ohne Gefolgschaft eine Stellung und pflanzt
sein Zeichen dort auf, wohin ihm die bildende Kunst erst Jahrhunderte
später folgen konnte.
Er sieht alles Leben im Raum: die Züge der Verdammten tauchen
wirbelnd aus den Tiefen des Dunkels um ihn, vor ihm und ver-
schwinden ins Nichts:
di quä, di lü, di giü, di sü . . .
Der Sturm führt sie heran, „im Zuge den Kranichen gleich“ — sie
fahren, segeln und wenden in großen Kurven, steigen und sinken
„wie der Falke sich zur Erde läßt“.
Dies bleigraue Düster „men ehe notte, e men ehe giorno“ —-
„nicht völlig Nacht, nicht völlig Tag“, ist nur im unbegrenzten Raume
vorstellbar — genau wie die strahlenden Kreise der rosa celeste mit
der Macht ihres Lichts „ehe nulla neve a quel termine arriva“ „daß
selbst der Firnenschnee an Glanz ihm weicht“.
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die Abhänge des Inferno und das schwergraue Crepusculo durchwanken.
In diesen Sphären, „dove la legge natural nulla rileva“, „wo das Natur-
gesetz nichts gelten kann“, mußte das Quattrocento versagen, weil mit
dem gewohnten akademischen Abtasten der Natur das Jenseits sich
nicht erfassen ließ; denn einzig das Nächstliegende im Raum ist ihm
erreichbar. Nur ein Meister der Landschaftsandeutung wie Pisanello,
dem zur neuen Frische des Entdeckerblicks die tiefsinnige Sammlung
der alten Zeit auf das Wesentliche geblieben und der damit seinen Me-
daillenreversen und seinen kleinen Tafeln ihre poetische Größe gibt,
hätte hier folgen können. Davon hat der Pariser Codex den glücklichen
Verzicht auf alles Berechnen der Perspektive, und trotzdem die Herr-
schaft über das Schwingen von Gebärden und Bewegungen in Nähe
und Ferne, die mit wenigen Griffen und nur im Größten angedeutet wird.
Denn räumlich ist Dantes bildende Phantasie ganz und gar, trotz-
dem er Gotiker war. Er greift hierin weit über das Können seiner
Zeit hinaus, stürmt fast ohne Gefolgschaft eine Stellung und pflanzt
sein Zeichen dort auf, wohin ihm die bildende Kunst erst Jahrhunderte
später folgen konnte.
Er sieht alles Leben im Raum: die Züge der Verdammten tauchen
wirbelnd aus den Tiefen des Dunkels um ihn, vor ihm und ver-
schwinden ins Nichts:
di quä, di lü, di giü, di sü . . .
Der Sturm führt sie heran, „im Zuge den Kranichen gleich“ — sie
fahren, segeln und wenden in großen Kurven, steigen und sinken
„wie der Falke sich zur Erde läßt“.
Dies bleigraue Düster „men ehe notte, e men ehe giorno“ —-
„nicht völlig Nacht, nicht völlig Tag“, ist nur im unbegrenzten Raume
vorstellbar — genau wie die strahlenden Kreise der rosa celeste mit
der Macht ihres Lichts „ehe nulla neve a quel termine arriva“ „daß
selbst der Firnenschnee an Glanz ihm weicht“.
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