herrliches Porträt in der Pitti-Galerie, das „scheußliche Wunderding“, wie der Dar-
gestellte es selbst nennt (S. 138) und den köstlichen Holzschnitt nach seiner Zeich-
nung. Dazu hat er oft genug wahre Anhänglichkeit an Tizian auch im Unglück gezeigt.
An ernsten Sorgen hat es in diesem reichen Leben nicht gefehlt. Den ältesten
Sohn Pomponio mußte der Vater, trotz aller auf seine Zukunft verwendeten Mühe,
verkommen sehen. Dafür stand der zweite Sohn Orazio dem Alten besonders nahe;
auf ihn sollte das künstlerische Erbe übergehen; er hatte schon Proben seines Talents
abgelegt, als ihn kurz nach dem Vater die Pest hinraffte.
Der Liebling war sicher die Tochter Lavinia, die nach dem frühen Tod der Mutter
und Tizians Schwester dem Haushalt vorstand. Ihre Züge sind uns- in mehreren Bildern
mit dem Fruchtkorb in Berlin (S. 174), vielleicht auch als Neuvermählte in Dresden
(S. 177) und aus reiferen Jahren in Wien und Dresden (S. 214) erhalten.
Tizians eigenes Porträt, wenn es sich nicht bis jetzt irgendwo in den Figuren-
gruppen der Kompositionen versteckt hat, kennen wir sicher erst aus später Zeit. Mit
der goldenen Kette, die ihm der Kaiser zur Ritterwürde verlieh, hat sich der Siebzig-
Tijährige im Berliner Bild gemalt (Titelbild), ein ebenso treffendes Beispiel der kühnen
Malerei seines Alterstils, wie eine Temperamentsschilderung, die den Schwung und die
Wucht der späteren Werke psychologisch begreiflich macht.
Großartig steht dann im Bild von Madrid (S. 241) der Fünfundachtzigjährige vor
uns. Wohl hat das hohe Alter die äußere Form angegriffen, und wie Resignation liegt
es über der ruhigen Haltung. Aber sein Blick hat die eigene Gereiztheit des Malerauges
bewahrt, das habichtsgleich herausblickt aus diesem kühnen Profil. Alles Kleine blieb
weit unter ihm. So mußte der Mann aussehen, der in unverwüstlicher Jugend durchs
Leben schritt, und der im höchsten Alter einen neuen Weg einschlug. Was an großen
Malern nach ihm kam, Rubens wie Rembrandt, Velazquez und Murillo, Greco, Tiepolo
und Goya ist ihm in seiner Bahn gefolgt. Von ihm kann man sagen, daß er in der
Welt der Kunst die Weltachse nach seinem Willen gedreht hat. Die Energie dieses Greises
bewahrt, sich ewig erneuernd, ihre Wirkung nun schon seit dreieinhalb Jahrhunderten.
Tizian-Medaille
(Britisches Museum)
XLI
gestellte es selbst nennt (S. 138) und den köstlichen Holzschnitt nach seiner Zeich-
nung. Dazu hat er oft genug wahre Anhänglichkeit an Tizian auch im Unglück gezeigt.
An ernsten Sorgen hat es in diesem reichen Leben nicht gefehlt. Den ältesten
Sohn Pomponio mußte der Vater, trotz aller auf seine Zukunft verwendeten Mühe,
verkommen sehen. Dafür stand der zweite Sohn Orazio dem Alten besonders nahe;
auf ihn sollte das künstlerische Erbe übergehen; er hatte schon Proben seines Talents
abgelegt, als ihn kurz nach dem Vater die Pest hinraffte.
Der Liebling war sicher die Tochter Lavinia, die nach dem frühen Tod der Mutter
und Tizians Schwester dem Haushalt vorstand. Ihre Züge sind uns- in mehreren Bildern
mit dem Fruchtkorb in Berlin (S. 174), vielleicht auch als Neuvermählte in Dresden
(S. 177) und aus reiferen Jahren in Wien und Dresden (S. 214) erhalten.
Tizians eigenes Porträt, wenn es sich nicht bis jetzt irgendwo in den Figuren-
gruppen der Kompositionen versteckt hat, kennen wir sicher erst aus später Zeit. Mit
der goldenen Kette, die ihm der Kaiser zur Ritterwürde verlieh, hat sich der Siebzig-
Tijährige im Berliner Bild gemalt (Titelbild), ein ebenso treffendes Beispiel der kühnen
Malerei seines Alterstils, wie eine Temperamentsschilderung, die den Schwung und die
Wucht der späteren Werke psychologisch begreiflich macht.
Großartig steht dann im Bild von Madrid (S. 241) der Fünfundachtzigjährige vor
uns. Wohl hat das hohe Alter die äußere Form angegriffen, und wie Resignation liegt
es über der ruhigen Haltung. Aber sein Blick hat die eigene Gereiztheit des Malerauges
bewahrt, das habichtsgleich herausblickt aus diesem kühnen Profil. Alles Kleine blieb
weit unter ihm. So mußte der Mann aussehen, der in unverwüstlicher Jugend durchs
Leben schritt, und der im höchsten Alter einen neuen Weg einschlug. Was an großen
Malern nach ihm kam, Rubens wie Rembrandt, Velazquez und Murillo, Greco, Tiepolo
und Goya ist ihm in seiner Bahn gefolgt. Von ihm kann man sagen, daß er in der
Welt der Kunst die Weltachse nach seinem Willen gedreht hat. Die Energie dieses Greises
bewahrt, sich ewig erneuernd, ihre Wirkung nun schon seit dreieinhalb Jahrhunderten.
Tizian-Medaille
(Britisches Museum)
XLI