Galerie Flechtheim [Mitarb.]; Nauen, Heinrich [Ill.]: Heinr. Nauen: erste Kollektiv-Ausstellung in der Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf vom 18. Januar bis 7. Februar 1914 (Düsseldorf: Galerie Alfred Flechtheim, 1914)

Ein Brief an Nauen als Einleitung.

51. Dezember 1915.
Lieber preund.
Die Bilder für Burg Drove vollendet? Das ift frohe Neujahrs-Kunde.
Ich denke zurück an die lange, lange Zeit des Werdens und Erftarkens
diefer fechs Geich wifter, die ich mit aus der Taufe heben durfte, die
dann an Ihnen den allerftrengften Erzieher hatten. Wie oft wurden
die Entwürfe, im Kleinen und im Großen, geändert und umgemodelt;
wie viele Einzelftudien find entbanden; nie fah ich Ib viele Hände, ge-
zeichnete, getufchte, gemalte, wie bei meinem lebtenBefuche in Dilborn!
Diefes „Vollendet“ klingt mir wie wahres Eeierglockengeläut.
Sie willen noch, wie wir uns, zwei aus der rheinilchen Heimat nach
Berlin Verlchlagene, in Ihren zwei oder drei Kämmerchen in Lichterfelde
trafen. Eigentlich waren nur die Werke von Heinrich Nauen die Aus-
ftattung. Man ftolperte über Gemälde beim Eintritt; man eiertanzte
zwifchen Zeichnungen und Aquarellen, die wirr auf dem Boden des
„Atelier“genannten Bodenraums lagen; man (ließ (ich an Kupferplatten.
Diele Lichterfelder Jahre, obwohl fie überreich an Sorge waren, möchte
ich in Ihrer künftlerifchen Entwicklung nicht miffen. Sie haben Vieles
in Ihnen frei gemacht. Die rauhe Luft in der Sezelfion hat auch Sie
geftählt, den Vielbemerkten, aber auch Befehdeten. Deutlich genug
erinnere ich mich an den Verachtungsblick eines kritifchen Häuptlings,
eines weltbekannten, als einige Worte zu Ihren Gunften gewagt wurden.
In der Sezetfion und gelegentlich bei Calfirer fah man Landlchaften,
Blumenftücke, Bildnilfe und Akte. Nur feiten ein Anlauf zur „Kom-
pofition“, aber immer wieder — und dies das Anziehende — der ener-