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Galerie Flechtheim; Chagall, Marc [Ill.]
Von La Fontaine zu Chagall: 100 Fabeln : April 1930 — Berlin: Galerie Alfred Flechtheim, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.70171#0003
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VON LA FONTAINE ZU CHAGALL

Meine Bewunderung für den Fabeldichter hat sich mit den
Jahren nicht verringert. Im Gegenteil. Und als ich Verleger

Ich gebe die Fabeln des La Fontaine heraus
und wähle Chagall als Illustrator.

Welche wunderbare Überraschung war es für mich, ein naives
Kind damals, als ich auf meiner Heimatinsel zum erstenmal
die Fabeln von La Fontaine las. Die Tiere und Pflanzen konnten
also sprechen! Wie herrlich würde man sich da amüsieren!
Sogleich probierte ich — mangels einer Eiche — eine Unterhaltung
mit einem großen Mangobaum. Ich drohte dem Stamm mit den)
Finger, erst diskret, dann, als er nichts erwiderte, trat ich energisch-
dicht heran, mit der Peitsche bewaffnet, mit der ich sonst den
kleinen Esel schlug, den man uns zum Spielgefährten gegeben
hatte. „Sag mir doch etwas, du! Hast du deine Zunge'verschluckt?
Ich habe gehört, wie du neulich mit dem Mispelbaum'geredet
hast . . .“ Nichts hatte ich gehört, aber ich behauptete eben etwas
Falsches, um die Wahrheit zu erfahren. „Wenn du dich weiter
taub stellst“, schrie ich empört, „breche ich dir einen Zweig
ab . . .“ Und da mein Gesprächspartner, wenn ich so sagen darf,
dieser Drohung gegenüber unempfindlich blieb, kletterte ich auf
den Baum und schüttelte mächtig einen Ast, der plötzlich nach-
gab . . . und ich kam ziemlich heftig mit dem Boden in Berührung.

Von
AMBROISE VOLLARD

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