Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Focke, Rudolf; Hermelink, Heinrich; Kautzsch, Rudolf
Das Buchgewerbe und die Kultur: sechs Vorträge gehalten im Auftrage des Deutschen Buchgewerbevereins im Winter 1907 — Aus Natur und Geisteswelt, Nr. 182: Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1907

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68757#0063
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das Buchgewerbe und die Kunst.

53

haben selber gesetzt und gedruckt. Und so sind wahrhaft muster-
gültige Arbeiten entstanden. Vereinzelte, wirklich künstlerisch be-
gabte Drucker sind in den Wettstreit mit ihnen eingetreten. Was
aus ihren Offizinen hervorging, ist vielleicht noch um einen Grad
sachlicher, noch mustergültiger. Aber — und das ist das Be-
zeichnende — es blieben einzelne, einzelne wenige.
Wo sind die anderen? Sie sind weit, es scheint so weit
als je davon entfernt, ihrer Hände Arbeit künstlerisch gestalten
zu müssen. Zu müssen, darauf kommt es an. Sie verstehen, sie
sehen noch gar nicht, daß das, was sie machen, künstlerisch roh ist.
Beim Wort Kunst denken sie an Bilder und Ornamente, nicht
an schöne, das heißt kräftige und charaktervolle Schrift, nicht an
die Wirkung eines geschlossenen Satzes, seine Lage auf der Buch-
seite, an das Verhältnis von Schwarz und Weiß, nicht an Stoff
und Ton ihres Papiers. Darüber kann man sich nicht wundern.
Noch weniger wären Vorwürfe gegen irgend jemanden am Platze.
Unser Buchgewerbe krankt wie unser ganzes Handwerk an der
Tatsache der künstlerischen Unkultur unserer Zeit. Wir haben
keine Kunst, die Volksbedürfnis ist, die nur so und nicht anders
sein kann, weil sie nur so dem bestimmten Empfinden ihrer Schöpfer
und ihrer Gemeinde entspricht.
Wollen wir aus diesem Zustand heraus, so gilt es das
Problem tiefer und allgemeiner zu fassen. Es hilft nicht, auf
irgend welchen Wegen dem Buchgewerbe Kunst aufzupfropfen, wir
müssen erst wieder künstlerisch empfinden lernen. Neben einer
tüchtigeren Schulung des Auges und der Hand tut uns dabei
nichts so sehr not als unbedingte Sachlichkeit.
Man hat das Gefühl, wenn nur erst einmal all der falsche
Schein aus unserem Leben und unserer Umgebung getilgt wäre,
dann müßte es schon besser werden. Lieber die schlichteste, die
ärmlichste äußere Erscheinung, wenn die Sache nur echt und gut
ist, als dieses protzige Mehrvorstellenwollen, das sich überall breit
macht. Wir wollen uns darüber nicht täuschen, es ist heute eine
Frage der Gesinnung, der Moral, ob wir wieder eine Kunst, die
volkstümlich sein kann, erhalten werden. Merkwürdig, daß gerade
das Zeitalter der Maschine so unsachlich sein konnte! Ist es
nicht etwas Außerordentliches um diese Maschinen, wie da nur
der Zweck herrscht, nichts Überflüssiges sich breit machen darf, jedes
Glied auf seine zweckdienlichste, seine notwendige Form gebracht
wird! Können wir da nicht lernen?!
 
Annotationen