ueber die Gemaͤhldeſammlung der Herren Boißeree
‚ und Bertram.
7
Geſchrieben 913
von
Helmina v. Chezy, m Sreyin Klenke.
Deutſchland, jetzt an mannichfaltigen Beſtrebungen reich, hatte vor mehrern Jahrhun-
derten ein ſchöneres Beſitzthum, es hatte Schulen der Kunſt, die das Gepräge des
Volksthums und des Zeitgeiſtes trugen, die früher als die Italieniſchen zur Reife gediehen
waren, die in unſrer Zeit, durch ihre Würde, ihren Fleiß, ihre Anmuth und Herrlichkeit
unſer Volk ernſter und rührender, als ſelbſt die Geſchichte, an das mahnen, was wir ge-
weſen ſind, und was aus uns noch werden könnte. Aus jenen deutſchen Schöpfungen weht
noch rein der Duft der Seele; die Beſtrebungen der alten Meiſter waren noch durch keine
Nückſicht bedingt. Der Künſtler rang nach Schönheit, doch dieſe ſollte nur der zarte Blu-
menkelch ſeyn, durch welchen der heilige Lichtgeiſt rein ſchimmerm konnte. Die Vorzeit er-
ů baute, erhob ſich an den Bildern, unſre Zeit will ſich daran ergötzen.
Als fromme Denkmahle ſeines irdiſchen Wandels widmete der Deutſche ſeine Werke
dem ſpätern Geſchlecht. Sie ſchmückten die Altäre, oder blieben unverletzliches Familien-
Eigenthum. Ihre ganze Einrichtung beweiſt die zarte Sorgfalt, die auf ihre Erhaltung
gewendet wurde. Zwei Laden bewahrtem das Hauptbild vor jedem ſchädlichen Einfluß der
Luft, des Staubes und der Sonne. Dieſe Flügel waren von außen noch mit ſchönen Holz-
ſchnitten, auch wohl mit farbigen Gemählden geſchmückt. Nichts übertrifft die ſinnreiche
Zierlichkeit, die Pracht der breiten vergoldetru ſchön geſchnitzten Rahmen, das Gold hob
durch ſein Licht die Blüthe der Farben, indem es ſelbſt nur Licht, nicht Farbe, den Ein-
klang nicht ſtörte. Der ächte, gediegene ernſte Geiſt alter Kunſt leuchtet blos aus ihren
Werken hervor. Alles war überdacht, abgewogen, in der ſinnreichſten Mannichfaltigkeit
zur Einheit ſtrebend, auch im Kleinen groß und bedeutſam. Aus allem ſpricht Liebe, See-
lenadel, kindliche Freudigkeit in Gott. Die Mode der Zeit nicht, ſondern der Geiſt der Zeit
erfoderte ausſchließlich heilige Gegenſtände für die Kunſt/ in denen der Künſtler das einzig
würdige Ziel ſeiner ſchöpferiſchen Kraft erblickte. *
Die Kunſt war die Seraphsſchwinge, auf welche die Seele ſich zu Gott empor hob, mit
und in der Religion konnte ſie allein beſtehn, mit und in der Religion kann. ſie nur unter-
gehen. Sie ſank im Verhältniß zu allem Uebrigen, was Deutſchland lange Zeit als verſun-
ken beweinen mußte. — Sie wurde nicht mehr als göttliche Offenbarung des Höchſten, ſon-
dern als ſinnliches Auffaſſen des Schönen verſtanden. Nur durch Reinheit und Demuth.
nur im Rückblick auf die alte Zeit wird ſie ſich wieder heben.
‚ und Bertram.
7
Geſchrieben 913
von
Helmina v. Chezy, m Sreyin Klenke.
Deutſchland, jetzt an mannichfaltigen Beſtrebungen reich, hatte vor mehrern Jahrhun-
derten ein ſchöneres Beſitzthum, es hatte Schulen der Kunſt, die das Gepräge des
Volksthums und des Zeitgeiſtes trugen, die früher als die Italieniſchen zur Reife gediehen
waren, die in unſrer Zeit, durch ihre Würde, ihren Fleiß, ihre Anmuth und Herrlichkeit
unſer Volk ernſter und rührender, als ſelbſt die Geſchichte, an das mahnen, was wir ge-
weſen ſind, und was aus uns noch werden könnte. Aus jenen deutſchen Schöpfungen weht
noch rein der Duft der Seele; die Beſtrebungen der alten Meiſter waren noch durch keine
Nückſicht bedingt. Der Künſtler rang nach Schönheit, doch dieſe ſollte nur der zarte Blu-
menkelch ſeyn, durch welchen der heilige Lichtgeiſt rein ſchimmerm konnte. Die Vorzeit er-
ů baute, erhob ſich an den Bildern, unſre Zeit will ſich daran ergötzen.
Als fromme Denkmahle ſeines irdiſchen Wandels widmete der Deutſche ſeine Werke
dem ſpätern Geſchlecht. Sie ſchmückten die Altäre, oder blieben unverletzliches Familien-
Eigenthum. Ihre ganze Einrichtung beweiſt die zarte Sorgfalt, die auf ihre Erhaltung
gewendet wurde. Zwei Laden bewahrtem das Hauptbild vor jedem ſchädlichen Einfluß der
Luft, des Staubes und der Sonne. Dieſe Flügel waren von außen noch mit ſchönen Holz-
ſchnitten, auch wohl mit farbigen Gemählden geſchmückt. Nichts übertrifft die ſinnreiche
Zierlichkeit, die Pracht der breiten vergoldetru ſchön geſchnitzten Rahmen, das Gold hob
durch ſein Licht die Blüthe der Farben, indem es ſelbſt nur Licht, nicht Farbe, den Ein-
klang nicht ſtörte. Der ächte, gediegene ernſte Geiſt alter Kunſt leuchtet blos aus ihren
Werken hervor. Alles war überdacht, abgewogen, in der ſinnreichſten Mannichfaltigkeit
zur Einheit ſtrebend, auch im Kleinen groß und bedeutſam. Aus allem ſpricht Liebe, See-
lenadel, kindliche Freudigkeit in Gott. Die Mode der Zeit nicht, ſondern der Geiſt der Zeit
erfoderte ausſchließlich heilige Gegenſtände für die Kunſt/ in denen der Künſtler das einzig
würdige Ziel ſeiner ſchöpferiſchen Kraft erblickte. *
Die Kunſt war die Seraphsſchwinge, auf welche die Seele ſich zu Gott empor hob, mit
und in der Religion konnte ſie allein beſtehn, mit und in der Religion kann. ſie nur unter-
gehen. Sie ſank im Verhältniß zu allem Uebrigen, was Deutſchland lange Zeit als verſun-
ken beweinen mußte. — Sie wurde nicht mehr als göttliche Offenbarung des Höchſten, ſon-
dern als ſinnliches Auffaſſen des Schönen verſtanden. Nur durch Reinheit und Demuth.
nur im Rückblick auf die alte Zeit wird ſie ſich wieder heben.